Das Welterbe, der Papstmantel und Ai Weiwei
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Samstag, 13. April 2013
Bamberg steht vor der nächsten Kunstsensation. Alexander Ochs, Galerist in Berlin und Peking, schenkt seiner Heimatstadt im Sommer für zehn Wochen eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst an 15 Orten.
Zum Kunstkenner ist Alexander Ochs "da draußen" geworden, in der Welt. "Aber die alte, die Kirchenkunst in Bamberg hat mich geprägt", sagt der 59-Jährige heute über sich.
Und so mag der Sohn des legendären Sandstraßen-Wirtes Ochsen-Rudi und ehemalige Bamberger Linke ein wenig auch den eigenen Wurzeln nachspüren, wenn er seiner Heimatstadt in diesem Sommer eine große Ausstellung schenkt.
Vom 9. Juni bis 18. August soll sie hier "Circles/Kreise" ziehen - so der zweisprachige Titel des kommenden Kunstereignisses. Werke internationaler Künstler werden an verschiedenen Schauplätzen anknüpfen an Persönlichkeiten, die Anteil daran haben, dass Bamberg seit 20 Jahren zum Unesco-Weltkulturerbe gehört.
Welterbe und Machtergreifung
Die Ausstellung greift noch einen anderen Jahrestag auf: die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten vor 80 Jahre. Ochs stellt die Verbindung her, indem er fragt, "von wem die Entwicklung der Stadt Bamberg von ihrer Gründung bis ins 20. Jahrhundert formuliert und getragen wurde, so dass wir heute von einem ,kulturellen Erbe' sprechen können".
Er wolle, sagte Ochs in einem Gespräch mit der Lokalredaktion, Zusammenhänge herstellen. Wer die Ausstellung sieht, soll etwas erfahren über die Menschen, die das geschützt, verteidigt und unterstützt haben, was heute zum Weltkulturerbe zählt. Und zum Nachdenken angeregt werden, dass das Weltkulturerbe mehr ist als Steine, nämlich ein von Menschen geschaffener und geschützter Organismus.
Subjektive Auswahl
Ochs belegt dies in seiner Ausstellung mit einer Auswahl von Persönlichkeiten aus gut 1000 Jahren, die er "ebenso unvollständig wie subjektiv" nennt. Und indem er ihnen Gegenwarts-Künstler bzw. deren Werke zuordnet.
Das fängt bei den Bistumsgründern Kaiser Heinrich und Kunigunde an, reicht über den in Bamberg geborenen Mathematiker Christopherus Clavius und Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg bis zur Kunsthändlerin und Volkskundlerin Irene Hottelmann-Schmidt aus der Judenstraße, von der Ochs als seiner Mentorin spricht.
Wichtig ist ihm zudem, den Beitrag ehemaliger jüdischer Mitbürger wie Willy Lessing und Carl Emanuel Dessauer als Mitgestalter der Stadt herauszustellen.
Starke Kontraste
Alexander Ochs-Barwinek hat 1997 seine erste Galerie in Berlin gegründet, hat eine weitere in Peking und gilt als Spezialist für zeitgenössische Kunst Chinas. Er wird neben anderen Arbeiten von Ai Weiwei nach Bamberg, dem bekanntesten chinesischen Regimekritiker.
Zwei seiner Werke werden im Diözesanmuseum zu sehen sein, korrespondierend mit dem goldenen Papstmantel von Clemens II.: ein Video-Requiem für die Kinder, die beim Erdbeben von 2008 in Sichuan ums Leben gekommen sind, und eine aus Arbeitermänteln bestehende Installation.
"Sehr dankbar" zeigt sich der Ausstellungsmacher für die Offenheit, mit der man ihm und seiner Idee im Diözesanmuseum gegenüber steht.
Überhaupt: Den Wahl-Berliner scheint die Aufgeschlossenheit positiv zu überraschen, mit der man ihm und seinen Aktivitäten in Bamberg begegnet. So aufgeschlossen war seine Vaterstadt nicht, als er ihr in den 1980er Jahren den Rücken kehrte.
Der Titel "Kreise/Circles" bezieht sich auch auf die 15 Stationen der Schau. Sie sind so verteilt, dass man sie während eines mehrstündigen Spaziergangs besuchen kann.
Los geht der gedachte Rundweg in der ältesten Kirche Bambergs, St. Gangolf in der Theuerstadt. Er endet am Synagogenplatz und bezieht damit geschichtsträchtige Teile der Stadt ein, die von Touristen wie auch Einheimischen bislang oft links liegen gelassen werden.
Der größte Teil der Exponate stammt aus der Sammlung von Ochs. Er organisiert die Ausstellung jedoch ausdrücklich nicht als Galerist, sondern als Privatperson. Die übrigen Kunstwerke stellen ihm befreundete Künstler und Sammler zur Verfügung. Insofern ist für ihn "der Aufwand nicht so groß, wie es scheint". Tiefer gehende Fragen nach seinem finanziellen Engagement wiegelt er ab: "Ich möchte nicht über Geld sprechen."
"Bamberg braucht Kunsthalle"
Umso lieber spricht er über die Veränderungen, die er in Bamberg erlebt, und über den Wunsch, dass seine Aktivitäten auch insofern Kreise ziehen möge, als man in der Welterbestadt die Notwendigkeit einer Kunsthalle erkennen möge: "Ich würde mir wünschen, dass die Ausstellung den vorhandenen Diskurs ergänzt um Orte, an denen Kunst permanent erlebbar ist."
Als Berliner gehe es ihn zwar nichts an, ob Bamberg einen Platz für zeitgenössische Kunst hat, sagt Ochs im Beisein von Barbara Kahle, der Kunstvereins-Vorsitzenden. Aber als Mitglied des Kunstvereins, seinem Kooperationspartner, würde er gern "zum intellektuellen und spirituellen Wachstum" beitragen.
Wie er das meint, lässt er mit folgender Fragestellung anklingen: "Was müssen wir tun und wie kann man der Stadt helfen, dass die übernächste Generation keinen Grund mehr hat, weg zu gehen?" So wie er es damals getan hat . . .