Das Vertrauen missbraucht
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Freitag, 14. Sept. 2018
Ein sechsfacher Computerbetrug brachte einen 36-jährigen Mann aus dem Landkreis Bamberg beinahe hinter Gittern.
Nur ein sicherer Beruf und ein kleiner Sohn retteten den alleinerziehenden Vater vor der Haftanstalt: Wegen sechsfachen Computerbetrugs stand ein 36-Jähriger aus dem Landkreis Bamberg vor dem Amtsgericht. Allerdings bekam er für seine Taten, die er als damaliger Pfleger an einer Seniorenheim-Bewohnerin verübt hatte, ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Dabei war die Hauptbelastungszeugin vor vier Monaten verstorben.
Für Emilie N. (alle Namen geändert) bricht Anfang März eine Welt zusammen. Die fast blinde und bettlägerige Frau lebt in einem Seniorenheim im Landkreis Bamberg. Als die Kontoauszüge ihrer Bank kommen, bittet die 84-jährige Rentnerin einen Mitbewohner, ihr die Zahlen vorzulesen. Dabei kommt ans Licht, dass 4200 Euro auf dem Girokonto fehlen. Abgehoben mittels einer EC-Karte. Die schwerkranke Seniorin kann sich nicht erklären, wohin die Summe in den letzten beiden Wochen verschwunden ist. Sie selbst braucht nicht viel Bargeld, und das Wenige bringt ihre Schwester vorbei, falls es für Medikamente nötig wäre. Emilie N. erstattet Anzeige. Später gerät ihr Pfleger ins Visier der Ermittler.
An diesem Vormittag sitzt er auf der Anklagebank. Vor Strafrichter Florian Kratzer räumt der Angeklagte ein, sechsmal am Geldautomaten in Hirschaid gewesen zu sein und das Geld abgehoben zu haben. Wobei ein Leugnen angesichts der Aufzeichnungen der Überwachungskamera auch zwecklos gewesen wäre. "Sie hat mich beauftragt, es ihr zu holen. Was sie damit gemacht hat, weiß ich nicht."
In seiner Nachtschicht hätte er sich zwei Jahre lang stets um sie gekümmert. "Sie war wie meine eigene Oma." Noch wenige Wochen vor ihrem Tod hatte Emilie N. bei der Polizei gegen ihn ausgesagt. "Es gab keinen Grund für die alte Dame, ihren erklärten Lieblingspfleger grundlos zu beschuldigen", so Amtsrichter Kratzer. Emilie N. behauptete, den Angeklagten niemals losgeschickt zu haben. Dabei konnte die Rentnerin nicht mehr selbst aussagen, weil sie Ende Mai verstarb.
Die Protokolle ihrer Vernehmungen wurden daher im Gerichtssaal vorgelesen. Noch aus dem Grab heraus belastete Emilie N. den Angeklagten schwer, dem sie doch einst so vertraut hatte, den sie als "freundlich und hilfsbereit" charakterisierte. Wie der Angeklagte an die EC-Karte und insbesondere den Pin-Code gekommen war, konnte nicht endgültig geklärt werden.
Stets von Geldnöten geplagt
Am wahrscheinlichsten aber war, dass Emilie N. die Schreiben ihrer Bank, die beides enthielten, Ende des Jahres im Abfalleimer entsorgt hatte. Dort hatte der stets in Geldnöten befindliche Angeklagte sie gefunden und ohne Wissen und gegen den Willen der Rentnerin verwendet. Dabei hatte er offenbar abgewartet, bis sein Opfer zu einer mehrwöchigen Behandlung in einer Hautklinik gewesen war.
In seinem Plädoyer sprach Rechtsanwalt Johannes Kulla (Bamberg) von Ungereimtheiten und Widersprüchen, die aufzeigen sollten, dass Emilie N. "nicht mehr Herr ihrer Sinne" gewesen sei und ihren Angaben bei der Polizei nicht geglaubt werden könne. Dem widersprachen nicht nur die Polizeibeamtin und eine Mitarbeiterin des Landratsamtes, die Emilie N. wegen der Frage der Betreuung besucht hatte, sondern auch Strafrichter Kratzer. Der mochte nicht glauben, dass Emilie N. so dement gewesen sein sollte, dass sie die sechs Aufträge vergessen haben mochte.