Druckartikel: Das schwierige Leben in einem "Brunsgässla"

Das schwierige Leben in einem "Brunsgässla"


Autor: Michael Wehner

, Donnerstag, 01. Sept. 2011

Vandalismus, Wildpinkeln und Lärm. Die Schattenseiten der Sandkerwa werfen ein Schlaglicht auf das rücksichtslose Freizeitverhalten mancher Zeitgenossen. Nicht nur Hausbesitzer leiden darunter.
Dina Schmid kämpft seit Jahren einen Kampf gegen die Hinterlassenschaften von Partygängern, die sich in der Rosengasse erleichtern. Auch die Kletterpflanze an ihrem Haus ist ein Opfer von zuviel Harnstoff geworden.  Foto:  Michael Wehner


Rosengasse ist ein klingender Name. Doch nach Rosen duftet hier in aller Regel nichts. Eher ist es schon der beißende Gestank von Urin und Erbrochenem, der in aller Morgenfrühe in die Nase steigt. Alltag in dem Altstadtsträßlein hinter der Hauptwache.

Dina Schmid lebt seit Jahren in der Rosengasse, die als Bambergs "Brunsgässla" einen zweifelhaften Ruf genießt.

Ebenso lange kämpft sie gegen die Hinterlassenschaften von vielen, die auf dem Weg vom Maxplatz oder den Vergnügungsstätten der Altstadt Richtung Bahnhof steuern.
Auch die jüngste Sandkerwa hat ihre Spuren in und an Schmids Fachwerkhaus hinterlassen. Der Briefkasten wurde aus der Wand herausgerissen, die Jahre alte Kletterpflanze am Hauswand ist braun geworden, weil sich die vorbeipilgernden Partyfreunde reihenweise in den Blumenkübel erleichtert haben.

Schicksal vieler Bamberger Straßenpflanzen: Nicht jede kann Harnstoff in beliebiger Menge wegstecken.

Dina Schmid hat es aufgegeben, die Wildpinkler selbst zur Raison zu bringen und böse Sprüche zu riskieren:

Statt dessen fordert sie Stadt und Veranstalter auf, endlich gegen die um sich greifende Unsitte einzuschreiten. "Die Veranstalter sollen die Sicherheitskräfte bezahlen, die nötig sind, um Sachbeschädigungen zu verhindern." Außerdem kritisiert sie den Mangel und den Zustand der öffentlichen Toiletten. "Warum gibt es in der Fußgängerzone keine Toiletten? Und warum sind viele Klos in den späten Nachtstunden geschlossen?"

Was die Zahl der Klos angeht, pflichten ihr sogar enthusiastische Sandkerwagänger bei. Sebastian (21) hat das große Volksfest in vollen Zügen genossen. An fünf Abenden war er dabei. Ihn wundert es nicht, dass manche Männer ihrem Drang an Stellen nachgeben, wo man es besser vermeiden sollte. "Aber es gibt auf der Sandkerwa viel zu wenige Toiletten; man braucht lange, um sie zu erreichen, muss anstehen und sie kosten Geld."

Ulrike Heucken, Geschäftsführerin der Sandkerwa GmbH, glaubt nicht, dass man das Problem lösen kann, indem man die vorhandenen Toiletten beliebig vermehrt.

Vier Toilettenanlagen mit jeweils sechs Pissoirs und drei Klosetts standen von Donnerstag bis Montag am Leinritt, am Elisabethenplatz, an der Schranne und am Schloss Geyerswörth. Dazu kommt die öffentliche Anlage an der Unteren Brücke und die Toiletten in den Kneipen. Zu wenige für 300 000 Besucher? "Das öffentliche Urinieren ist mittlerweile zum Lifestyle geworden. Wir haben oft erlebt, dass die Leute neben den Toiletten ihr Geschäft erledigt haben, weil ihnen die Schritte hinein zu viel waren."

Heucken und auch Ralf Haupt, Chef der Sozialreferats der Stadt, beklagen die zunehmende Rücksichtslosigkeit, die sich darin äußert, dass jeder tut was ihm gefällt, ohne auf die Rechte anderer zu achten. Doch sie zweifeln, dass man die Wildpinkler mit ein paar Dixi-Klos mehr dazu bringen könnte, Häuser, Gärten und Eingänge zu verschonen. Das Problem: Dixi-Klos neigen zum Verschmutzen, sie können von Betrunkenen umgeworfen werden und würden das Altstadtflair optisch beeinträchtigen. Zudem: "Wo wäre eigentlich noch Platz im Festgebiet?", fragt Ralf Haupt.

Ähnlich denkt Klaus Stieringer von Stadtmarketing. Als Veranstalter von "Bamberg zaubert" hat er mit den mobilien Toilettenhäuschen gemischte Erfahrungen gemacht.

Sie kosten nicht viel, sie verhindern aber keine Alkoholexzesse und verbessern auch nicht die Manieren von manchen Gästen in der Stadt. "Wir sollten die Zivilcourage haben und Leute, die wir beim Wildpinkeln ertappen, höflich darauf hinweisen, dass so etwas nicht geht. Die Bamberger Innenstadt ist kein Freiluftklo."

Die Polizei hat die Erfahrung gemacht, dass der Alkoholmissbrauch in den letzten Jahren bei vielen feiernden Zeitgenossen gestiegen und die Hemmschwellen gesunken sind. "Wenn die Sandkerwa zu Ende ist, trifft man kaum noch Leute, die ansprechbar sind", sagt Udo Skrzypczak. Dieses gesellschaftliche Problem sei mit polizeilichen Mitteln wie Verwarnungen nicht zu lösen. Wegen des Vandalismus rund um die Markusbrücke, wo sich eine regelrechte Jugendkerwa etabliert habe, empfiehlt Skrzypczak dringend, über neue Konzepte nachzudenken. Dazu zählt er auch Toiletten: "Wir müssen Alternativen anbieten können."

Wenig Verständnis für die Entgleisungen, die sich am Rande der Kerwa am Schiffbauplatz ereignet haben, hat Volker Wrede, Vorsitzender des Gaststättenverbandes. Auch er sieht den Hauptgrund im hemmungslosen Alkoholkonsum einiger Partygäste. Dieses Fehlverhalten könne man aber nicht der Gastronomie anlasten. Alkohol sei heute zu leicht zugänglich. Missbrauch werde zu schwach geahndet: "In Österreich müssen Betrunkene den Polizeieinsatz bezahlen, den sie verursacht haben", sagt Wrede. Außerdem versagen nach seiner Meinung viele Eltern. "Sie kümmern sich nicht um ihre Kinder."

Einen ungewöhnlichen Weg gegen Lärm und Vandalismus beschreitet seit kurzem die Stadt Regensburg, die unter ähnlichen Problemen wie Bamberg leidet.

Dort hat sich das Aktionsbündnis fair-feiern.de formiert, das ohne erhobenen Zeigefinger versucht, ein Bewusstsein für die Nebenwirkungen allzu zügelloser Partys zu schaffen. Erste Ergebnisse haben sich schon eingestellt, berichtet die Pressesprecherin der Stadt Regensburg. Damit meint sie nicht nur Plakat und Video eines geruchsgestressten Vierbeiners, die sich großer Beliebtheit erfreuen, sondern vor allem den Austausch: "Die verschiedenen Akteure reden jetzt miteinander.