Druckartikel: Das Nationale Naturerbe und ein Fall von Betriebsblindheit

Das Nationale Naturerbe und ein Fall von Betriebsblindheit


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Freitag, 24. April 2015

Flora und Fauna scheint das bleihaltige Klima der ehemaligen Häuserkampfzone nicht geschadet zu haben. Doch auf die seltene Art des gemeinen Bundestagsabgeordneten lässt sich die sorglose Koexistenz mit einem ehemaligen Truppenübungsplatz nicht übertragen. Es droht unangenehmer Kontakt mit der Realität.
Karikatur: Christiane Pfohlmann


Jahrzehntelang war es nichts Ungewöhnliches, wenn es im Wald östlich des Frankenschnellwegs kräftig gerummst hat. Das Fechten um jede Mauer gehört gerade zu den typischen Erkennungszeichen eines Häuserkampfs. Normaler Geschäftsverkehr zwischen verfeindeten Parteien, möchte man sagen.

Flora und Fauna scheint das bleihaltige Klima eher genutzt als geschadet zu haben. Wenige Meter östlich der Gartenstadt aalen sich heute Kreuzkröte und Gelbbauchunke in den Sprengtümpeln. Neuerdings streicht sogar die Wildkatze um die fensterlosen Fassaden.

Auf die ebenfalls seltene Art des gemeinen Bundestagsabgeordneten lässt sich die sorglose Koexistenz mit Truppenübungsplätzen freilich nicht übertragen, wie diese Woche SPD-Mann Andreas Schwarz leidvoll erfahren musste.

Der Versuch, die Aussetzung des Nationalen Naturerbes bei Bamberg als politischen Erfolg zu verkaufen, erwies sich als fulminanter Rohrkrepierer. Schwarz steht jetzt als möglicher Verhinderer eines einzigartigen Natur- und Naherholungsgebiets am Rande Bambergs da, während sich die politische Konkurrenz als Retter der Artenvielfalt und Schützer des Bamberger Ostens gerieren kann. Dabei wird, wer den ehemaligen Strullendorfer Bürgermeister kennt, an den ehrenvollen Absichten des Machers kaum zweifeln.

Dennoch war sein Vorstoß nicht gerade von feinfühligem politischem Gespür geprägt. Wäre das so gewesen, hätte er wissen müssen, dass in Bamberg eine breite Mehrheit und namentlich die Bewohner des Ostens mit dem Status Nationales Naturerbe die berechtigte Hoffnung verbinden, einen Ausgleich für mancherlei gefühlte Belastungen zu bekommen. Das ungeschickte Vorpreschen musste zahllose Bürger verärgern - ganz egal, ob er sich auf die Bürgermeister im Landkreis beruft.

Doch Schwarz und der Tunnelblick um die Befindlichkeiten zum Naturerbe ist ja kein Einzelfall. Der Streit um die Wohnungen auf dem Kasernengelände und auch der Fall Villa Schröppel weisen Parallelen auf. Es gehört zu den Schwächen des politischen Systems, dass zu viele Bürgervertreter sich von den komplexen und für nicht Eingeweihte kaum noch darstellbaren Mechanismen, in denen sie entscheiden müssen, allzu leicht gefangen nehmen lassen und den Blick auf die verlieren, für die sie eigentlich da sind. Eine Parallelwelt.

So mag das Zögern beim Naturerbe zugunsten eines umstrittenen Gewerbegebiet im Hauptsmoorwald mit Blick auf die Gemeindefinanzen vielleicht nachvollziehbar sein, aber es ist nur ein und beileibe nicht der entscheidende Aspekt.

Das ist nicht der wohlfeile Rat, dem Volk populistisch nach dem Mund zu reden. Dennoch wären Amtsinhaber gut beraten, wenn sie ihm vor Entscheidungen öfter aufs Maul schauen würden statt nur auf gewisse Eliten zu schielen. Tun sie es nicht, kann es dann und wann zur unangenehmen Berührung mit der Realität kommen. Und es rummst in der politischen Nahkampfzone.