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Das große Fressen: In Main und Regnitz sind Tausende Fische bedroht


Autor: Michael Wehner

Viereth, Freitag, 22. Januar 2016

Das Eis auf den Baggerseen sorgt für ein ungeliebtes Naturschauspiel am noch offenen Main: Am Vierether Wehr haben sich Hunderte von Kormoranen versammelt und fressen, was das Zeug hält - ein Graus für Fischer, aber offenbar unvermeidlich
Fischer Josef Kröner sichtete Hunderte von Kormoranen am Unterwasser des Vierether Wehrs.  Foto: Josef Kröner


Einen so großen Schwarm hat Josef Kröner schon lange nicht mehr gesichtet. Er beobachtet die Vögel schon seit etwa acht Tagen im Unterwasser des Vierether Wehrs am Main. Dort sitzen sie versammelt auf den Bäumen - und haben leichte Beute.

Für Fischer wie Kröner sind die schlanken Silhouetten mit jedem Tag schwerer zu ertragen. Kormorane ernähren sich ausschließlich von Fisch und sind dabei sehr erfolgreich. Weil es viele sind, weil die geschickten Taucher im Verband jagen, weil sie sowohl im trüben als auch im klaren Wasser zuschlagen können, schaffen sie es, einen See oder einen Flussabschnitt im Handumdrehen leer zu fressen. "Jedes Jungtier vertilgt ein Pfund Fisch am Tag. Die alten Vögel noch mehr. Der Schaden ist riesig", klagt Kröner. Erst im Herbst hat die Bischberger Fischerzunft wieder Tausende von Jungtieren in den Main gesetzt, um die Fischvielfalt zu erhalten und natürlich - damit die Netze und Reusen nicht leer sind.

Kormoran gegen Fischer und Fischer gegen Kormoran - ein Konflikt, der seit Jahrzehnten schwelt. Und schlimmer wird. Seit die früher beinahe ausgerotteten Vögel 1980 in der EU unter Schutz gestellt wurden, haben sich ihre Bestände rasch erholt. So rasch, dass auch an Main und Regnitz immer wieder massive Schäden zu beklagen sind.

Zum Problemfall für die Fischereiwirtschaft wird der Kormoran vor allem, wenn es im Winter zu längeren Frostperioden kommt. Sind die Baggerseen im Umkreis zugefroren und halten sich etwa auch auch Tiere aus Nordeuropa in Franken gütlich, verdichtet sich ein Problem gewissermaßen punktuell. Mit fatalen Folgen: "Es kommt sogar so weit, dass wichtige Fischarten wie Rotfeder oder die Nase, ja sogar der Aal in oberfränkischen Gewässern immer seltener vorkommen", sagt Kay Kuhlen von der Fischereifachberatung im Bezirk Oberfranken. Für Kuhlen schadet der Kormoran der biologischen Vielfalt in Flüssen und Seen - ein Zeichen, dass die Balance des Ökosystems aus den Fugen geraten ist.

Doch ist der Kormoran wirklich der gefiederte Bösewicht, als den ihn manche gerne sehen? Andreas von Lindeiner, Experte des Landesbunds für Vogelschutz, rät zu einer weniger emotionalen Betrachtungsweise, schon weil sich herausgestellt habe, dass dem Problem auch mit Bejagung nicht beizukommen ist.
Bis zu 8500 Tiere wurden in den vergangenen Jahren in Bayern im Jahr abgeschossen. Doch weil der Vogel sehr beweglich ist und einen Radius von bis zu 40 Kilometer am Tag hat, sei die Wirkung rasch verpufft. "Unsere Erfahrung ist, dass man nur mit sehr konzertierten Aktionen einen Erfolg erzielt. Dazu haben wir im Interesse der Fischwirtschaft in Einzelfällen unser Einverständnis gegeben."

Lindeiner versteht, dass Fischer und Teichwirte es nicht lustig finden, wenn der Einfall ganzer Schwärme ihre wirtschaftliche Existenz bedroht. Dennoch geht es beim Phänomen Kormoran nicht etwa um eine böse Laune der Natur, sondern um ein menschengemachtes Problem. Die Kormorane hätten in unseren strukturarmen, begradigten Gewässern ohne Totholz und teils auch mit wenig Bewuchs am Ufer einfach ein zu leichtes Spiel. Die Fische können sich nicht verstecken. Sie finden keine guten Lebensbedingungen mehr vor. "Der beste Schutz gegen Kormorane wäre aus unserer Sicht mehr Natur", sagt der Vogelkenner und berichtet von einem Gewässer, in dem der Landesbund selbst das Fischrecht ausübt: "Dort haben wir bei Elektrobefischungen erstaunliche Erkenntnisse gesammelt. In einem strukturreichen Fluss spratzt es nur so von Fischen." Freilich: Im Main unterhalb von Bamberg "spratzt" es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Wie sollte es auch im Umfeld einer Großschiffahrtsstraße mit ausgehobener Fahrrinne, größtenteils sterilen Ufern und nur wenigen artenreichen Flachwasserzonen.

Doch für die Fischer vor Ort ist der Hinweis auf die Schwächen des Mains nicht neu und in der akuten Notsituation auch nur theoretisch hilfreich. Ihr Nachwuchs im Wasser ist durch das Auftauchen der gefräßigen Räuber akut bedroht. Josef Kröner und seinen Zunftkollegen bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Kormorane nicht dauerhaft in den Laichgründen zwischen Eltmann und Bamberg breit machen: "Es wäre der Tod tausender Fische."