Druckartikel: Das Gericht glaubt dem Opfer

Das Gericht glaubt dem Opfer


Autor: Gertrud Glössner-Möschk

LKR Bamberg, Montag, 26. Juni 2017

Ein 37 Jahre alter Mann aus Scheßlitz wurde zu fünf Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Angeklagter Alfred F. (rechts) wurde zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.  Foto: gg


Zu den geschätzten sieben Jahren Haft, die der 37 Jahre alte Alfred F. (Name geändert) nach eigenen Angaben schon hinter Gittern verbracht hat, kommen nun weitere fünf Jahre und acht Monate. Die Zweite Strafkammer des Landgerichts Bamberg verurteilte ihn am Montag wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung.

Der Mann aus einem Ortsteil von Scheßlitz hat nach Überzeugung des Gerichts am 7. November 2016 einen Nachbarn mit vorgehaltenem Messer dazu gebracht, in die nächste Sparkassenfiliale zu fahren und Geld für ihn am Bankautomaten abzuholen. Dann ließ er den Mann nach Hallstadt fahren, wo er in der Michelinstraße das Auto mit der Handbremse stoppte. Sein Opfer nutzte die Gelegenheit zur Flucht und suchte bei Anwohnern Zuflucht. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Tat nicht nur stark alkoholisiert, sondern stand auch unter dem Einfluss von Cannabis und Amphetamin.


"Höchstens ein Jahr"

Für Staatsanwältin Kerstin Harpf gab es keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers. Sie beantragte sieben Jahre Freiheitsstrafe. Der Verteidiger des Angeklagten, Dieter Widmann, sah angesichts der Widersprüche in den unterschiedlichen Darstellungen gesicherte Beweise nur für eine Nötigung, für die er "höchstens ein Jahr Freiheitsstrafe" beantragte.

Die Kammer unter Vorsitz von Richter Nino Goldbeck allerdings hatte nach zwei Tagen Beweisaufnahme keinen Zweifel daran, dass Alfred F. sich eines erpresserischen Menschenraubs schuldig gemacht hat. Das Gericht glaube dem Nachbarn, dass F. ihn mit einem Messer bedroht und von ihm 2000 Euro ohne jeden Anspruch gefordert habe. Dafür sprächen allein die spontane Aussage des Opfers bei der Polizei noch in der Tatnacht sowie die konstant unveränderte Darstellung der Vorfälle, zuletzt als Zeuge vor Gericht. Für eine "wissentliche Falschbeschuldigung" spreche die Kammer dem Mann die intellektuellen Fähigkeiten ab.

Stark zu Lasten des Angeklagten wirkten sich bei der Strafzumessung die zahlreichen Vorverurteilungen aus. In den letzten zehn Jahren "kassierte" Alfred F. fast jährlich eine Strafe, darunter wegen Bedrohung, fahrlässigen Vollrausches und Diebstahls sowie fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Den Strafrahmen, der bei erpresserischem Menschenraub von 5 bis 15 Jahren reicht, hat die Strafkammer nicht gemindert - und folgte damit dem Antrag der Staatsanwältin. Auch wenn der Angeklagte die Tat im Zustand erheblicher Alkoholisierung verübt habe: Angesichts mehrerer einschlägiger Taten zuvor habe er genau gewusst, dass er unter Alkoholeinfluss aggressiv reagiere.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten übereinstimment beantragt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen. Dem folgte die Kammer aber nicht. Beim Angeklagten sei die Therapiefähigkeit "zweifelhaft" und die zwingend notwendige Therapiebereitschaft "nicht gegeben", sagte Richter Goldbeck, nachdem Alfred F. kurz zuvor unmissverständlich deutlich gemacht hatte, was er von einem stationären Alkoholentzug hält: nichts.