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So wächst das "Balkanzentrum" in Bamberg


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Dienstag, 01. März 2016

Das "Balkanzentrum" ist mit seinem Versorgungstrakt an einer Obergrenze angelangt. Bis Herbst sollen neue "Kapazitäten" geschaffen werden.
Rund 20 Häuser: das Abschiebelager aus der Luft  Foto: Ronald Rinklelf


Es ist ein belastendes Gefühl, das Klaus Stieringer beschleicht, wenn er zu einer der regelmäßigen Sprechstunde für Flüchtlinge in das besondere Aufnahmezentrum an der Pödeldorfer Straße kommt. Der SPD-Fraktionschef ist Mitglied des städtischen Ombudsrats für das Abschiebelager und somit in einer Mittlerfunktion zwischen Flüchtlingen und Stadt.

Die Großunterkunft mit teils bis zu über 1200 Menschen funktioniere einerseits erstaunlich problemlos. Es gebe praktisch keine Übergriffe, sagt Stieringer - keine Selbstverständlichkeit, wenn man sich die drangvolle Enge in einer Einrichtung vor Augen halte, in der sich viele Menschen eine Wohnung teilen müssten.

Gleichzeitig beschreibt er das Balkanzentrum als Lager der Hoffnungslosigkeit, das Menschen ohne Bleibeperspektive in die Heimat zurückbefördere und offenkundig auch abschrecken soll. Noch immer gebe es den Versprechungen zum Trotz keine Asylsozialberatung, obwohl viele sehr lange hier sind, sagt Stieringer. "Die Menschen hier sind die Verlierer der Flüchtlingskatastrophe."

1040 Menschen leben Mitte dieser Woche hinterm Zaun am östlichen Stadtrand. Damit ist die Bewohnerzahl im Vergleich zu den letzten Wochen leicht rückläufig und hinkt mittlerweile weit hinter den Ausbauplänen des Freistaats zurück.


Anbau am Supermarkt

Noch Ende vergangenen Jahres hatten Sozialministerin Emila Müller (CSU) und Regierungsvizepräsidentin Petra Platzgummer-Martin von einer Kapazität von bis zu 4500 Menschen bis Ende März 2016 gesprochen. Dass es dazu nicht kommt, liegt nicht nur an der drastisch rückläufigen Zahl von Balkanflüchtlingen an den Grenzen. Es ist die Bundespolizei, die die Ausdehnung des Flüchtlingslagers hemmt: Sie braucht für ihre Akademie rund 100 Unterrichtsräume, unter anderem auch die bereits für das Balkanzentrum eingeplante ehemalige US-Highschool.

Nichtsdestotrotz hält der Freistaat an seinen Ausbauplänen fest. Bis Ende September soll ein Anbau am ehemaligen US-Supermarkt "Shopette" geschaffen werden, der als neue Küche und Kantine dienen soll - ein ehrgeiziges Ziel, denn für den Neubau stehen nur sechs Monate zur Verfügung.


Ukrainer nach Bamberg

Bayerns Innenminister Jachim Herrmann (CSU) hat am Montag bei einem inoffiziellen Besuch in Bamberg angedeutet, dass künftig auch Menschen aus anderen sicheren Herkunftsländern im Aufnahmezentrum Bamberg untergebracht werden könnten. Wörtlich nannte der Minister die Ukraine. Ob künftig auch Migranten aus anderen der insgesamt elf Länder, die zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden sollen, für Bamberg in Frage kommen, ließ sich auf Nachfrage im Innenministerium nicht klären. Derzeit gebe es keine Festlegungen, sagte Pressesprecher Oliver Platzer. Er gehe aber davon aus, dass der Stau von 600 000 unbearbeiteten Asylfällen in Deutschland dazu beitrage, dass die Kapazitäten in Bamberg weiterhin vor allem von Balkanflüchtlingen belegt werden.

Ungeachtet dieser Versprechen wird in Bamberg hinter vorgehaltener Hand bereits darüber diskutiert, dass irgendwann auch Flüchtlinge mit Bleibeperspektive an der Pödeldorfer Straße einziehen könnten. Vor allem jene Parteien, die sich für eine gemischte Unterbringung statt eines Abschiebezentrums eingesetzt haben, die Grünen und zuletzt auch die SPD, würde ein solcher Kurswechsel sehr behagen.


Vergewaltigt und abgeschoben?

Nach wie vor beklagt sich die Flüchtlingshilfeorganisation "Freund statt Fremd", dass in Einzelfällen das Asylrecht in Bamberg nicht mit der nötigen Sorgfalt angewandt werde. Marten Schrievers, ein ehrenamtlich in der Flüchtlingsunterkunft arbeitender Allgemeinarzt, erzählt unter anderem von dem Fall eines in einer bayerischen Unterkunft vergewaltigten sechsjährigen Mädchens aus dem Kosovo, das von Mühldorf nach Bamberg gebracht und von dort ungeachtet der Traumatisierung abgeschoben worden sei. Für Schrievers ein schlimmes Beispiel, wie rücksichtslos in einem Rechtsstaat mit mit Menschen umgegangen werde. "Dieses Mädchen brauchte qualifizierte Hilfe und erhielt sie nicht."

In der Regierung von Oberfranken, die wir dazu befragten, bestreitet man, dass die Abschiebung des Mädchens leichtfertig oder gar ohne rechtliche und ärztliche Prüfung geschah. Auch habe sich das Verwaltungsgericht zwei Mal mit dem Fall befasst und die Abschiebung als rechtens erklärt.

Laut Sprecher Martin Steiner wurden bisher insgesamt 364 Menschen aus Bamberg abgeschoben; 992 Bewohner reisten von Bamberg freiwillig in ihre Heimat zurück.