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Dann eben ohne eigenen Laden


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, Montag, 30. Juli 2012

Mit dem Musikhaus Groove Music Service schließt am Dienstag ein Original der Bamberger Musikszene. Der Inhaber und Gitarren-Freak Werner Michel freut sich aber schon auf den neuen Job.
Alles muss raus: Werner Michel preist die Räumungsangebote aus. Am  Dienstag schließt nach 16 Jahren der Groove Music Service. Foto: Christian Bauriedel


Es ist Ende der 80er Jahre. Ein 15-Jähriger sitzt in seinem Jugendzimmer oben unter dem Dach im Reihenhaus in der Dürrwächterstraße 36 in Bamberg. An den Wänden die Poster seiner Stars. Er hört Iron Maiden, Metallica, Dio. Das etwas härtere Zeugs von damals eben. Aber er träumt nicht davon, selbst einmal auf der Bühne groß rauszukommen wie alle anderen. Werner Michel träumt davon, irgendwann einmal seinen eigenen Musikladen zu haben. Den Stars quasi die Gitarren zu verkaufen. Sie zu beraten.

Ein paar Jahre später schmeißt er das Gymnasium, beginnt eine Lehre. Einzelhandelskaufmann im Fachbereich Musikindustrie hieß der Beruf damals noch ehrbar. Anfang der 90er, in einer Zeit, als ein Musikladen noch ein herrschaftlicher Bereich des Verkäufers war. Kunden waren Kaufvieh, Service ein Anglizismus, den nicht jeder verstanden hat. Das Equipment in den vielen kleinen Geschäften war oft veraltet. Einige haben den Keyboard-Boom verschlafen. Den Markt nicht beobachtet. Und er sieht, wie man's nicht macht.

Schlafkoje im Gitarrenladen


Es dauert nicht lange, da verwirklicht er seinen Traum. Die Poster kommen weg. Der Dachboden wird ausgebaut. Das schmale Treppenhaus wird zum Ausstellungsraum für die ersten Instrumente. Direkt hinter dem Verkaufsraum richtet er sich eine kleine Schlafkoje ein. Das muss reichen. Im Jahr 1996, im Alter von 23 Jahren, eröffnet er seinen eigenen Gitarrenladen im Wohnhaus der Eltern. Er nennt ihn Groove Music Service. Unten an der Tür, über dem Namensschild der Familie, befand sich die Klingel.

Innerhalb kürzester Zeit schaffte er es, sich in der Musikszene in Bamberg einen Namen zu machen. Rock`n`Roll aus dem Wohnzimmer? Das mussten die Musiker gesehen haben. Bald reichte sein kleines Dachgeschoss nicht mehr aus und der zweite Stock des Elternhauses wurde in Beschlag genommen. Teilweise standen die Leute Schlange, um von ihm beraten zu werden. Der Vertriebschef von Ibanez hat damals seinen Augen nicht getraut, als er sah, dass in dem unscheinbaren Laden die Hölle los ist.

Den Großen die Stirn geboten


Unterhält man sich mit Michel über Musikinstrumente, begegnet man einer schier unendlichen Flut an Wissen und Erfahrung. Es ist, als ob er in jeden Kondensator eines Verstärkers höchstpersönlich hineingekrochen ist, jedes Holz einer Akustik-Gitarre gefühlt und jeden Tonabnehmer selbst gewickelt hat. Mit Freundlichkeit und seinem Geschick beim Dealen mit den großen Herstellern gelang es ihm über all die Jahre, den Großen im Musikhandel die Stirn zu bieten. Als einer der wenigen schaffte er es auch als kleiner Laden ins Internet-Zeitalter.

Die Belastung ist zu groß


16 Jahre später steht Werner Michel noch immer in seinem Geschäft. Nach einem Zwischenstopp von 2002 bis 2006 in der Pödeldorfer Straße befindet sich der Groove Music heute in einer Halle am Laubanger. Dort nimmt er gerade eine Gitarre von der Wand. Es ist eine der letzten, die er verkaufen wird. Räumungsverkauf. Am Dienstag, 31. Juli, wird er schließen. Klar sei ein bisschen Wehmut dabei, aber er habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, den Laden aufzugeben, sagt der 39-Jährige. So schlecht sei es in letzter Zeit zwar gar nicht gelaufen. Es sei keine Pleite. Aber die Arbeitsbelastung sei einfach zu groß geworden. "Klar könnte ich noch weitermachen wie bisher. Aber wenn man irgendwann eine Familie gründen möchte, ist es mit bis zu 60 Arbeitsstunden in der Woche schlicht nicht mehr möglich." Zwar half ihm sein Vater immer aus, indem er Reparaturen übernahm und Tonabnehmer lötete. Aber die hauptsächliche Arbeit, Einkauf und Beratungsgespräche, war seine One-man-show.

Werner Michel hat sich immer zum Ziel gesetzt, keine Schulden bei der Bank zu machen. Den Laden nicht über Kredite, sondern über Verkauf zu erhalten. Und das hat er bis heute durchgezogen. "Die Konsequenz ist natürlich, dass gerade einmal 600 bis 800 Euro im Monat zum Leben bleiben. Der Rest wird ins Geschäft investiert", sagt er, als er gerade die Bassverstärker zusammenräumt. Auch mit Urlaub war es schon immer schlecht bestellt: "Ohne Angestellte musst du rund um die Uhr, jeden Tag für die Kunden da sein." Die Urlaubstage in den letzten Jahren kann er an einer Hand abzählen.

Hilfe kam von unerwarteter Seite


Aber er sieht positiv in die Zukunft. Als er die ersten Pläne schmiedete, eventuell zu schließen, habe er Hilfe von unerwarteter Seite bekommen, sagt er. "Hans Thomann ist auf mich zugekommen. Wir haben ein Gespräch auf ganz persönlicher Ebene gehabt. Und er hat mir ein Angebot gemacht", sagt Michel. Ab Herbst wird der Gitarrenspezialist im Treppendorfer Musikhaus in einer führenden Position anfangen.

Durch die Erfahrungen in all den Jahren ist Michel zu einem Profi im Instrumenten-Business geworden. Er kennt viele Hersteller, Zwischenhändler, er kennt die Produkte und er weiß, wie Musiker ticken. Auch in der Technik und im Instrumentenbau ist er ein echter Fachmann.

"Ich als alter Gitarren-Freak freue mich natürlich über die Möglichkeit, mit 6000 Gitarren auf Lager arbeiten zu können. Das ist schon eine ganz andere Liga, in der ich ab sofort tätig sein darf." Und er freut sich darauf, endlich einmal, seit 16 Jahren, ein geregeltes Leben zu führen. Ohne den permanenten Druck.

Zwar sei das Musikhaus über Jahre ein Konkurrent auf dem harten Markt gewesen, aber er habe dem Thomann immer schon Respekt gezollt: "Ich kann nur den Hut ziehen, was in Treppendorf geschaffen wurde. Ich kenne ja das Business. Das ist eine riesige Leistung."

Für seine vielen Stammkunden sei er natürlich im neuen Job immer noch da. "Ich werde mich nicht in irgend einem Büro verkriechen. Ich bin mit Leib und Seele Verkäufer. Und das werde ich auch bleiben." Ganz wie in seinem Jugendzimmer damals ist es immer noch sein Traum, Gitarren zu verkaufen, Anfänger genauso wie Rockstars zu beraten. Dann eben ohne den eigenen Laden.