Chefarzt-Verteidigung: gegen Zeugen und Gutachter
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Montag, 10. August 2015
Am 16. Verhandlungstag stellte der Anwalt von Heinz W. wieder einen Antrag - erneut gegen einen Sachverständigen. Außerdem unterstellte die Verteidigung des ehemaligen Gefäßchirurgen dem Vater der Hauptzeugin eine mögliche Falschaussage.
Fast wartet man schon darauf: Welchen Antrag werden die Anwälte des Angeklagten heute stellen? Wozu werden sie oder Doktor W. diesmal eine Erklärung abgeben? Seit April steht der ehemalige Chefarzt vor dem Bamberger Landgericht, etliche Anträge hat die Verteidigung des 49-Jährigen seitdem gestellt.
Da ging es um Befangenheitsanträge gegen die Zweite Strafkammer, den Vorsitzenden Richter, die beiden Schöffen oder Gutachter. Rechtsmediziner Dieter Patzelt aus Würzburg etwa erwischte es am Montag erneut, wieder stellte W.s Verteidigung einen Antrag "wegen Besorgnis der Befangenheit".
Rechtsanwalt Dieter Widmann bezeichnete den medizinischen Gutachter als unprofessionell und voreingenommen. "Es geht hier auch um eine nicht vorhandene wissenschaftliche Kompetenz", so Widmann. Doktor W.
Vorheriger Antrag abgelehnt
Erst vor zwei Monaten hatte das Gericht einen Befangenheitsantrag gegen diesen Gutachter abgelehnt. Bereits damals hatte der Angeklagte dem Sachverständigen mangelndes Fachwissen im Bereich Gefäßerkrankungen vorgeworfen. Außerdem habe Patzelt dem ehemaligen Chefarzt allzu rasch sexuelle Motive angelastet, anstatt zu prüfen, ob Heinz W. Bilder zu medizinischen Dokumentationszwecken gemacht haben könnte, so die Verteidigung.
Dem 49-jährigen ehemaligen Leiter in der Gefäßchirurgie der Sozialstiftung Bamberg wird Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Er soll sich an Patientinnen und Mitarbeiterinnen des Klinikums vergangen haben, nachdem er sie mit einem Betäubungsmittel ruhiggestellt haben soll. Ohne ihr Wissen hat er laut Anklageschrift den Schambereich einiger Opfer fotografiert, Handlungen vorgenommen und dies teilweise gefilmt. Heinz W. selbst besteht seit dem ersten Verhandlungstag darauf, dass er ausschließlich aus medizinischen Gründen gehandelt haben will. Die Videoaufnahmen und Fotos hätten unter anderem der Dokumentation von Krankheitsverläufen gedient.
Vergangenes Jahr hatte sich eine Medizinstudentin nach der Untersuchung durch Doktor W. benommen gefühlt und über Erinnerungslückten geklagt. Die damals 26-Jährige habe sich von ihrem Vater, selbst Arzt, Blut abnehmen lassen. In diesem sei später ein Betäubungsmittel nachgewiesen worden.
So berichtete eine Polizistin aus Coburg vor Gericht aus den Gesprächen mit der Hauptzeugin. Die Beamtin war die erste, die mit der damals 26-Jährigen Kontakt gehabt hatte. Diese sei anfangs "etwas ängstlich gewesen, ob man ihr glauben würde". Durch das Untersuchungsergebnis habe sich die junge Frau bestärkt gefühlt, "der Sache nachzugehen", so die Beamtin.
Doch nicht nur die Aussagekraft der Blutwerte stellte Heinz W.s Verteidigung in Frage. Die Anwälte halten den Vater der Hauptzeugin generell für unglaubwürdig. "Die Aussage zum Thema Blutentnahme weist alle Anzeichen einer Falschaussage auf", sagte Dieter Widmann. Die Verteidigung erwäge deswegen, Strafanzeige gegen den Mediziner zu stellen.
Der Arzt sei nicht in der Lage gewesen, "zu einem außerordentlichen Geschehen in seinem Leben detaillierte Auskunft zu geben", merkt Widmann an. So gebe es Unklarheiten darüber, was den genauen Ort der Blutentnahme angeht. Ferner habe der Zeuge nicht genau gewusst, mit welchem Auto seine Tochter gefahren sei oder an welchem Arm er ihr Blut abgenommen habe.
Ermittlungen der Polizei
Gestern ging es vor allem um die Ermittlungen der Polizei, sechs Beamte waren als Zeugen geladen. Sie gaben Auskünfte darüber, wie die Vernehmungen von zwölf vermeintlichen Opfern abgelaufen sind und dass Frauen generell auf Wunsch von einer weiblichen Beamtin vernommen werden könnten, sofern sie danach fragen würden.
Außerdem beschrieben die Beamten die Durchsuchungen im Klinkum Bamberg und im Privatanwesen des Heinz W. Der hatte selbst Hinweise gegeben, wo sich etwa die sogenannen Butt Plugs ("Analstöpsel") in seinem Büro befanden, merkte ein Beamter an. Sie hätten sich "in einem verschlossenen Versandkarton von Dildoking" befunden, "zwei Dreier-Packs, eine Packung war aufgerissen".
Der Angeklagte hatte im Laufe des Verfahrens erklärt, dass er die Analstöpsel als technische Hilfsmittel bei einer medizinischen Untersuchung eingesetzt habe.
Am Dienstag (11.8.15) ab 9 Uhr geht der Prozess weiter.