Chefarzt-Prozess: Zeugin will Aussage vor Gericht durchziehen
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Mittwoch, 14. Oktober 2015
Im Bamberger Chefarzt-Prozess sagt am Mittwoch eine junge Frau aus, die vor fünf Jahren Opfer von Heinz W. geworden sein soll. Dessen Verteidiger glauben: Die 23-Jährige ist psychisch so mitgenommen, dass man sie nicht weiter vernehmen könne.
Verteidiger Klaus Bernsmann forderte, dass die Zeugenvernehmung der 23-Jährigen unterbrochen werden soll. Sie habe mehrfach geweint, sei vor allem betroffen durch mediale Berichterstattung und polizeiliche Vernehmung. Sie selbst habe von Folgeschäden gesprochen. "Der Verteidigung liegt an einer möglichst vernehmungstauglichen Zeugin. Das ist derzeit nicht gewährleistet", sagte der Rechtsanwalt von Heinz W. Zudem lägen die Vorgänge fünf Jahre zurück. Des Weiteren möchte die Verteidigung einen Pharmakologen oder Toxikologen zur Hauptverhandlung dazu holen.
Staatsanwaltschaft: Zeugin vernehmungsfähig
Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb stellte jedoch direkt klar: "Eine Unterbrechung der Zeugeneinvernahme weise ich zurück. Die Frage der Vernehmungsfähigkeit kann die Kammer selbst beurteilen." Die Staatsanwaltschaft sehe keine Anhaltspunkte, dass die Vernehmungsfähigkeit der Zeugin nicht gegeben wäre. Sie habe laut ihrer Aussage bereits Jahre vor einer möglichen medialen Beeinflussung ihren Angehörigen von dem Vorfall berichtet. Damals sei schon der Verdacht einer Sexualstraftat aufgekommen, und damals sei schon angedacht gewesen, Anzeige zu erstatten. Sogar einen Rechtsanwalt habe man bereits aufgesucht. "Wie man nun einen Zusammenhang mit der medialen Berichterstattung im Jahre 2015 herstellen will, ist mir schleierhaft", sagte Lieb.Die Zeugin sei für heute geladen, habe sich darauf vorbereitet, und musste bereits letzte Woche wegen der Erkrankung Doktor W. wieder gehen. Die Sachverständigen im Raum könnten ausreichend Auskunft zum Zustand der Zeugin geben.
Rechtsanwalt Martin Reymann-Brauer, der die 23-Jährige sowie fünf weitere Frauen vertritt, fügte hinzu: "Meine Mandantin fühlt sich vernehmungsfähig. Für sie ist es eine große Belastung, heute schon zum zweiten Mal vor Gericht zu erscheinen. Sie hat ein massives Interesse daran, das heute abzuschließen."
Doch Chefarzt-Anwalt Klaus Bernsmann bestand darauf: "Es geht um Wahrnehmungsverzerrungen infolge einer Vernehmung und infolge einer medialen Verarbeitung eines Ereignisses."
Wie Bernsmanns Kollege Dieter Widmann hinzufügte, habe die Zeugin "überhaupt keinen Freiraum" gehabt, "die Wertung selber vorzunehmen".
Oberstaatsanwalt Lieb entgegnete aufgebracht: "Die Wertung hat sie doch schon 2010 abgegeben in Familienkreis! Und sie hat sich geschämt."
Verteidigung fühlt sich in ihrer Arbeit behindert
Die Verteidigung jedenfalls ist der Meinung: Sie werde in ihrer Arbeit behindert, weil sie nicht die Fragen stellen könne, die sie stellen möchte. Doch das Gericht wies den Antrag auf die Unterbrechung der Zeugenvernehmung zurück. Eine Pharmakologe/Anästhesist müsse nicht hinzugezogen werden. Die Zeugin habe großes Interesse, ihre Vernehmung heute abzuschließen, wie Vorsitzender Richter Manfred Schmidt ausführte. Die Kammer gehe davon aus, dass die psychische Verfassung der Zeugin sich an anderen Verhandlungstagen nicht anders darstellen würde als heute.
Derzeit ist die Öffentlichkeit erneut ausgeschlossen.