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Chefarzt-Prozess: Plädoyers noch nicht in Sicht


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Mittwoch, 06. Juli 2016

Bis 21. September ist der Indizienprozess gegen Heinz W. inzwischen terminiert. Ob die elf angesetzten Tage reichen, bleibt abzuwarten.
Das Bild von einem früheren Verhandlungstag zeigt Heinz W. und seine drei Verteidiger. Foto: FT-Archiv


Für die fünf Mitglieder der Zweiten Strafkammer um Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt ist die Beweisaufnahme so gut wie beendet. Auch bei den Anklage- und Nebenklägervertretern im Bamberger "Chefarzt-Prozess" scheinen nach 60 Verhandlungstagen keine Fragen mehr offen zu sein.

Entsprechend kurz war der Sitzungstag am Mittwoch: Schmidt ließ noch Kopien verschiedener Unterlagen an die Prozessbeteiligten verteilen. Dann schaute man sich - erneut hinter verschlossenen Türen - weitere Bilder aus den Prozessakten an.


Am 15. Juli geht es weiter

Dennoch sind noch keine Plädoyers zu erwarten, wenn das Verfahren am 15. Juli weitergeht. Der angeklagte ehemalige Bamberger Chefarzt Heinz W. (50) und seine drei Anwälte bereiten bereits weitere Anträge vor. Ihren Angaben zufolge ist damit zu rechnen, dass sie die Anhörung zusätzlicher Sachverständiger fordern werden.


W. selbst will an einem der nächsten Verhandlungstage verschiedene "Sacherklärungen" vortragen, unter anderem zum psychiatrischen Gutachten und zu dem des chirurgischen Sachverständigen.

Elf zusätzliche Termine bis 21. September hat der Vorsitzende Richter inzwischen vorsorglich angesetzt. Schon jetzt geht der Indizienprozess gegen den 50-jährigen Mediziner in die Bamberger Justizgeschichte ein: Nie zuvor fand im Landgericht am Wilhelmsplatz ein Verfahren statt, das so lange gedauert hat wie dieses.


Fotos aus dem Internet

Bei den Fotos, die am Mittwoch in Sitzungssaal 0.107 unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf die Wand projiziert worden sind, handelte es sich einmal nicht um Aufnahmen weiblicher Genitalien, wie sie Heinz W. von ahnungslosen Patientinnen und Mitarbeiterinnen im Bamberger Klinikum angefertigt haben soll. Diesmal ging es um pornografisches Material aus dem Besitz des Angeklagten.

Gezeigt wurden vielmehr einschlägige Bilder aus dem Internet, die die Polizei im Sommer 2014 bei W. beschlagnahmt hat. Das sagte auf Frage des FT Rechtsanwalt Dieter Widmann, einer der Verteidiger.

Glaubt man Rechtsanwalt Jürgen Scholl, der die Kronzeugin als Nebenklägerin vertritt, dann sprechen die von W. heruntergeladenen Aufnahmen Bände: Es sollen etliche Bilder darunter sein, auf denen Behandlungszimmer zu sehen sind und ähnliche Handlungen, wie jene, um die es im Bamberger "Chefarzt"-Prozess geht.

Die Staatsanwaltschaft wirft W. vor, er habe in der von ihm geleiteten Klinik für Gefäßchirurgie zwölf Frauen sexuell missbraucht. Durch das Einführen von Fingern und Gegenständen soll der Mediziner mehrfach auch den Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt haben. Seine mutmaßlichen Opfer hatte W. der Anklage zufolge durch eine Medikamentengabe widerstandsunfähig gemacht.


Berufsordnung für Ärzte

Bei der rechtlichen Würdigung dessen, was dem 50-Jährigen vorgeworfen wird, dürfte auch die Berufsordnung der Bayerischen Ärztekammer eine Rolle spielen. Kopien dieses Regelwerks gehörten zu den Unterlagen, die der Vorsitzende Richter am Mittwoch an alle Prozessbeteiligten aushändigen ließ.

Darin sind zum Beispiel die Aufklärungs- und Dokumentationspflichten eines Arztes geregelt. Gegen diese Pflichten hat W. der Beweisaufnahme zufolge massiv verstoßen. Für Nebenklägervertreter Scholl steht fest: "Wäre die Berufsordnung eingehalten worden, würden wir dieses Verfahren nicht führen."