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Chefarzt-Prozess: Heinz W. wettert gegen Google


Autor: Peter Groscurth

Bamberg, Montag, 06. Juli 2015

Im Verfahren gegen Heinz W. läuft heute die Beweisaufnahme vor der Zweiten Kammer des Landgerichts weiter. Unterdessen erwägt der ehemalige Chefarzt eine Klage gegen die bekannte Internet-Suchmaschine.
Heinz W. auf dem Weg in den Sitzungssaal Foto: Matthias Hoch


Seit April muss sich der ehemalige Chefarzt Heinz W. (49) wegen mehrfacher Vergewaltigung und Körperverletzung vor Gericht verantworten. Bei der heutigen Beweisaufnahme geht es laut Gerichtssprecher Leander Brößler unter anderem um die Sachverhalte "Sichtung und Verbleib von Unterlagen aus dem Arbeitszimmer des Angeklagten" sowie "Ausgabe von Midazolam an die Station und die Ambulanz der Gefäßchirurgie", zu denen Zeugen angehört werden.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Gefäßchirurgen vor, zumeist junge, schlanke Patientinnen während Untersuchungen am Unterleib wegen Beckenvenen-Thrombosen ruhiggestellt und sich dann an ihnen vergangen zu haben. Der Gefäßchirurg dagegen beteuert, aus rein medizinischen Gründen gehandelt zu haben. Eine sexuelle Motivation weist er seit Prozessbeginn am 7.

April zurück.

Einer seiner Verteidiger, der Bochumer Rechtsanwalt Klaus Bernsmann, betont, dass sein Mandant Methoden angewandt habe, die die Fachwelt eben noch nicht kenne und "die Laien seltsam vorkommen mögen". Bernsmann übt dabei auch Kritik an der öffentlichen Vorverurteilung: "Die Vernichtung des Dr. W. ist in vollem Gange."

Uns gegenüber kündigt der Rechtsanwalt jetzt an, sogar eine Klage gegen die Internet-Suchmaschine Google zu erwägen. Hintergrund hierfür ist die automatische Vervollständigung von Google-Suchen - auch Autocomplete-Funktion genannt. Gibt man etwa "Chefarzt" in Verbindung mit nur zwei anderen Buchstaben ein, stoßen Google-Nutzer rasch unter den Vorschlägen des Internet-Konzerns auf den vollen Namen des derzeit angeklagten Mediziners. Für Bernsmann verletze das die Anonymität seines Mandanten.

Schon einmal sorgte die Autocomplete-Funktion für großen Wirbel. Die frühere First Lady Bettina Wulff ging juristisch gegen die Suchmaschine vor, da nach Eingabe ihres Namens der Vorschlag "Bettina Wulff Es cort" erschien. Diese und noch weitere Ergänzungen rotlichtiger Natur sorgten für Gerüchte um die Vergangenheit der Gattin des damaligen zehnten Bundespräsidenten Christian Wulff. 2012 ging sie gegen eine weitere Verbreitung dieser Gerüchte vor und erreichte zahlreiche Unterlassungserklärungen von Bloggern und Medien.

Am 15. Januar 2015 erklärten schließlich Wulffs juristische Vertreter, dass sich die Parteien außergerichtlich geeinigt hätten. Google entfernte daraufhin die "persönlichkeitsverletzenden Wortkombinationen" und stellte in einer Stellungnahme fest: "Wir haben unsere Autocomplete-Richtlinien in Bezug auf Beschwerden zu automatischen Vervollständigungen von Personennamen überarbeitet. Auf dieser Grundlage haben wir die fraglichen Ergänzungen entfernt."

Was sagt Google?
Doch was erklären die Google-Verantwortlichen zu den Vorwürfen des Chefarzt-Verteidigers Bernsmann? Wird die Autocomplete-Funktion so verändert, dass auch der Name des früheren Bamberger Mediziners aus den Vorschlägen verschwindet? Wohl nicht. Ein Sprecher des Internet-Riesen antwortet auf eine Anfrage unserer Zeitung: "Autocomplete ist eine Vorschaufunktion im Rahmen der Google-Suche, die Nutzern hilft, schneller das zu finden, was sie suchen.

Die Begriffe werden automatisch erstellt und basieren auf einer Vielzahl von Faktoren, unter anderem der Beliebtheit bestimmter Suchbegriffe im Internet. Unser Algorithmus ist darauf ausgelegt, die Vielfalt der Suchanfragen unserer Nutzer und der Inhalte im Web zu reflektieren." Kein Wort aber dazu, dass der Konzern seine Vorschaufunktion verändern wird. Und Millionen von Internet-Nutzern können weiter auf einfachste Art und Weise den Schutz der Persönlichkeitsrechte umgehen.