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Chefarzt in Bamberg vor Gericht - das war der erste Verhandlungstag


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Dienstag, 07. April 2015

Am ersten Verhandlungstag gegen Heinz W. ging es vor dem Landgericht Bamberg noch nicht um die Tatvorwürfe. Der ehemalige Leiter der Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Phlebologie am Klinikum Bamberg trat sehr selbstbewusst auf.
Heinz W. verlässt hinter Rechtsanwalt Dieter Widmann und in Begleitung eines Vorführbeamten den Lift im Bamberger Justizgebäude. Foto: Matthias Hoch


Der erste Verhandlungstag im Strafprozess gegen den ehemaligen Bamberger Chefarzt Heinz W. dauerte nur zwei Stunden. Zu den gravierenden Vorwürfen - Vergewaltigung in zehn Fällen und mehr - äußerte sich der 49 Jahre alte Mediziner noch nicht. Das wollen er und seine drei Verteidiger nächste Woche tun. Am Dienstag geht das Verfahren am Bamberger Landgericht weiter.

W. schilderte zum Prozessauftakt ausführlich und selbstbewusst seinen beruflichen Werdegang (nach Fallschirmspringer- und Einzelkämpfer-Ausbildung bei der Bundeswehr) und seine beachtliche Karriere als Arzt, Wissenschaftler und international gefragter Referent.

Er hat nach eigenen Worten "immer unkonventionelle Wege gesehen und vorgestellt, um Patienten zu helfen".

Es schien, als spiele er auf die Untersuchungen, Bild- und Filmaufnahmen von 13 Frauen an, um die es in dem Strafprozess geht, und als wolle er sagen, dass es sich um neue Methoden eines erfolgreichen Arztes handele, die von den Ermittlern falsch interpretiert würden.

Seit der Festnahme stets Unschuld beteuert

Eine Äußerung seines Verteidigers Professor Klaus Bernsmann, Inhaber des Lehrstuhls für Straf- und Strafprozessrecht an der Ruhr-Universität Bochum, schien in dieselbe Richtung zu zielen: Medizinisch bedingte Handlungen seien oft nicht von außen als solche zu erkennen. W. hat seit seiner Festnahme im August 2014 stets seine Unschuld beteuert.

Die Staatsanwaltschaft legt dem gebürtigen Lichtenfelser Vergewaltigung in zehn Fällen sowie sexuelle Nötigung in fünf Fällen, jeweils in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, zur Last.

Die Straftaten beging W. laut Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb zwischen 26. September 2008 und 28. Juli 2014. Zehn der 13 mutmaßlichen Opfer zwischen 17 und 28 Jahren waren Patientinnen des Bamberger Klinikums, wo W. seit dem Jahr 2005 die Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Phlebologie leitete.

Als Vorwand für die intimen Untersuchungen diente ihm eine angeblich nicht existente Studie über Beckenvenenthrombose. Dafür soll er die Frauen gewonnen haben.

Mit Medikament willenlos gemacht

Was diese laut Anklageschrift nicht wussten: W. verabreichte ihnen jeweils ein Medikament, das sie vorübergehend willenlos machte. Diesen Zustand soll der Arzt ausgenützt haben, um sich mit Sexspielzeug, gynäkologischen Geräten und seinen Händen an ihnen zu vergehen. Sein Tatmotiv war angeblich die Befriedigung eigener sexueller Fantasien.

Um nicht gestört zu werden, habe er die späteren Opfer außerhalb der regulären Sprechzeiten einbestellt. Von den Untersuchungen gibt es eine Fülle von Fotos und Videos, die sich als Beweismittel bei den Akten befinden.

Aufnahmen gibt es auch vom einzigen Vorfall, der nicht im Klinikum passiert ist, sondern in einem Bochumer Hotel. Beim Opfer handelt es sich um das damals 18-jährige Patenkind der Familie W. Die junge Frau ist eine der zwölf Nebenklägerinnen.

Verteidiger Bernsmann hatte eingangs von einer öffentlichen Vorverurteilung und begonnenen "Vernichtung" W.s gesprochen. Seine Kritik galt vor allem den Ermittlungsbehörden, den Medien und der Sozialstiftung Bamberg; letztere, weil sie als frühere Arbeitgeberin W.s allen mutmaßlichen Opfern eine "Entschädigung" gezahlt hat.

Dem verheirateten Gefäßchirurgen und zweifachen Vater droht im Fall eines Schuldspruchs neben einer mehrjährigen Freiheitsstrafe auch ein Berufsverbot.