Canalissimo: "Keine Zugeständnisse gemacht"
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 02. August 2019
Die Wahrscheinlichkeit, dass es 2020 noch einmal ein "Canalissimo" gibt, geht gegen Null. Warum die Stadt dennoch auf eine Neuauflage hofft.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es 2020 noch einmal ein "Canalissimo" gibt, geht gegen Null. Warum die Stadt dennoch auf eine Neuauflage hofft.Dem früheren Bamberger Bürgermeister Rudolf Grafberger (CSU) wird der Satz zugeschrieben, dass ein Kompromiss nur dann ein guter Kompromiss ist, wenn beide Seiten unzufrieden sind. Sollte diese Sentenz der Wahrheit entsprechen, dann müsste das am letzten Sonntag zu Ende gegangene Kulturfest Canalissimo eigentlich ein Riesenerfolg gewesen sein.
Doch hört man die Stimmen vieler Besucher und den Veranstalter, dann ist das glatte Gegenteil der Fall. Fünf Tage nach dem Ende des Fests spricht der Inhaber der Eventagentur Live promotions Tom Land von einem fünfstelligen Verlust, den er und die 30 Standbetreiber eingefahren hätten. Das Fest, das nach seinen Angaben 6200 Menschen besucht haben, werde zu 99 Prozent nicht mehr stattfinden. Auch menschlich gibt sich Land enttäuscht: "Ich mag nicht mehr. Canalissimo ist zu Tode reguliert worden."
Der 46-jährige fährt schwere Geschütze auf. Die Mediation sei gescheitert. Und auch die Stadt habe mit aller Gewalt versucht, das Fest zu verhindern, indem sie den kostenintensiven Zählmechanismus verlangt und die Besucherzahl auf 1800 festgesetzt habe. Land spricht von Ungleichbehandlung gegenüber anderen Festen, die vor vergleichbaren Auflagen verschont würden. "Null Verständnis" hat er für das Verhalten der Anwohner: "Sie sind uns keinen Millimeter entgegengekommen."
Es ist eine ähnliche Formulierung, die im Gespräch mit dieser Zeitung Wolfgang Kerling, Sprecher der Anwohnergemeinschaft, in den Mund nimmt. Der frühere Mitarbeiter des Amts für ländliche Entwicklung wohnt seit 43 Jahren am Kanal, und klagt, dass die Mediation den 36 Anwohnern bis auf Kleinigkeiten wie Ersatzparkplätze im Haingebiet nichts gebracht habe. Weder sei das Fest auf drei Tage verkürzt worden, noch habe man den Vorschlag einer Spende ernsthaft in Erwägung gezogen: "Canalissimo ist ein auf Gewinn ausgerichtetes Event und ist mit der Distriktskerwa eines Bürgervereins nicht zu vergleichen. Hier wird auf unserem Buckel Geld verdient."
Doch freilich: Kerling verhehlt nicht, dass die Vorgabe von maximal 1800 Festbesuchern, den "Druck" auf die unmittelbar an die Festmeile gelegenen Parterre-Wohnungen verringert habe. Dennoch seien die Belastungen noch extrem: "Das Fest dauert inklusive Auf- und Abbaus sieben Tage. Wir können unsere Häuser die meiste Zeit nicht mit dem Auto erreichen. Für uns ist das ein enteignungsgleicher Eingriff, der uns hier aufgebrummt wird."
Die Stadt Bamberg lässt sich von dem Geschützdonner am Kanal nicht irritieren. "Canalissimo ist vom Kerngedanken her, als Fest mit venezianischem Flair, als Kulturfest am Kanal, ein wunderbares Fest, das erhaltenswert ist", beschreibt Sprecherin Ulrike Siebenhaar die Ziele. Und auch Ordnungsreferent Ralf Haupt setzt darauf, dass an einem "runden Tisch" doch noch eine Lösung für 2020 zu finden sein wird.
Wie könnte die aussehen? Laut Haupt will die Stadt am Zählsystem festhalten. Diese Vorgabe habe sich bewährt; über die vom Veranstalter genannte Zahl von 1800 könne man reden. "Sie war offenbar zu niedrig angesetzt", sagt Siebenhaar.