Burgwindheims Schule wurde zur Manege
Autor: Anette Schreiber
Burgwindheim, Donnerstag, 12. Februar 2015
Für eine Woche hat sich die Schule in einen Zirkus verwandelt. Freitagabend treten die Schüler auf.
Marvin steht auf Kommando Kopf. Die ganze Grundschule sowieso. Statt Rektorin Hannelore Noppenberger haben André Lauenburger und seine Familie das Sagen. Das heißt, in dieser Woche dürfen alle 47 Kinder selbst entscheiden, ob sie während der Schulzeit den Clown geben, Hula Hoop Reifen kreisen lassen, auf dem Seil balancieren, Pyramiden bilden, Teller kreisen lassen oder Diabolos durch die Luft wirbeln. Nach Noten fragt keiner, die ganze Schule ist zur Zirkusmanege geworden und die Lehrer finden das gut so.
Nicht nur das. Rektorin Noppenberger hat das ganze Spektakulum sogar noch "angezettelt". Kein ausgedehnter Faschingsscherz, sondern wohl überlegtes Pädagogik-Programm. Nur eben einmal ganz anders. Nach ihren überaus positiven Erfahrungen mit einem Projekt mit Zirkus Giovanni vor fünf Jahren wollte die Rektorin wieder eines realisieren. Diesmal aber so, dass ihre Schüler vor Ort üben und beim Auftritt zeigen können, was sie so alles drauf haben, jenseits der konventionellen Fächer. Im unterfränkischen Zirkus Lauenburger hatte die Rektorin den idealen Partner gefunden: Denn Lauenburgers kommen seit sechs Jahren in Schulen.
Keine Busfahrten nötig
Damit erübrigen sich die täglichen Busfahrten zu den Proben nach Bamberg. Außerdem bringt Zirkus Lauenburger neben dem 300-Personenzelt auch noch Tiere mit nach Burgwindheim. Kein Wunder, dass nicht nur die Rektorin, sondern auch die Vollzeit-Lehrerinnen Larissa Ecklich und Rita Zeck begeistert waren. Zumal Rita Zeck an einer anderen Schule bereits Erfahrungen mit Lauenburgers hatte. Überaus positive, wie sie anmerkt.
Was hat Zirkus mit Schule zu tun? "Sehr viel," unterstreicht Rektorin Noppenberger. Es geht ums Lernen. Was genau, wird schnell klar, wenn man den verschiedenen Gruppen zusieht, in denen Zirkus-Direktor Andre Lauenburger, seine Frau Nadine und die beiden Söhne Manoel (16) und Marius (18) an neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten feilen. Erst mal geht es um scheinbar Einfaches. Durchhaltevermögen zum Beispiel.
Jeder konnte sich zu Beginn entscheiden, in welchem Bereich er oder sie auftreten wollte. "Kinder entscheiden sich oft falsch, weil etwas ganz einfach aussieht," ist André Lauenburgers Erfahrung. Um dann bei der "falschen" Gruppe zu bleiben, muss man schon Ausdauer beim Üben beweisen. "Wir sind da knallhart," betont der 40-Jährige. Es gehe schließlich darum, eine Eigenschaft zu erproben und zu lernen, die wichtig ist, ergänzt die Rektorin.
Hauptsache es geht weiter
Pyramiden fallen zusammen, Clowns verpassen ihren Einsatz, Artistinnen gleiten vom Seil, Diabolos landen im Nichts und Hoola-Hoop-Reifen sacken - ohne erst zu kreiseln - zu Boden. Alles kein Problem, Hauptsache es geht weiter.
Und es geht weiter: Rektorin und Lehrerinnen haben am ersten Tag der Zirkuswoche viele Dinge selbst ausprobiert und waren in etlichem gleich besser als ihre Schüler. Nach zwei Tagen Zirkus-Training hat sich das Blatt gewendet. Viel Geschick wird sichtbar,viel Lob ausgesprochen. Mauerblümchen blühen auf, etliche Stars nach Noten müssen außerhalb der Schulfächer erst einmal das Lernen lernen. "Die tun sich oft härter, wenn sie kämpfen müssen, als die anderen," fasst Rektorin Noppenberger zusammen.
Und es wird knallhart gelernt. "Zuhören Leute, hört mir zu, alle hören mir zu, hört mal zu!" Immer wieder fordert Manoel die angehenden lustigen Clowns zu intensiver Konzentration auf. Kurz, prägnant und kompromisslos die Ansagen. Wie bei allen Lauenburgers. Damit Zirkus funktioniert, bedarf es Disziplin, wie in der Schule, wie im Leben. Selbst der vierjährige Marvin setzt sich bei den teils erheblich älteren Grundschülern ganz selbstverständlich durch. Die Rektorin und ihre Kolleginnen nehmen's mit anerkennendem Schmunzeln zur Kenntnis.
Ebenso wie die teils verblüffenden Fortschritte derjenigen, die im regulären Unterrichtsbetrieb nicht so zu glänzen vermögen. Den Erst- bis Viertklässlern, die hier alle gemeinsam agieren macht"s allen großen Spaß.
Mehr als der normale Unterricht lässt sich der neunjährige Leon entlocken. Eine Achtjährige verrät stolz, dass sie sogar ihrer Logopädin schon erzählt habe, was sie am Balancierseil könne.
Mit dem Lehrplan vereinbar
Alles mit dem Lehrplan vereinbar, beruhigt die Rektorin. Denn der enthalte schließlich ja auch Dinge wie Akrobatik. Ihre eigene Chefin wiederum, Schulamtsdirektorin Barbara Pflaum, findet die Zirkuswoche an sich "wirklich gut investierte Zeit." Es gehe um Erfolgserlebnisse außerhalb der Schule. Es sei beeindruckend, was sich die Kinder nach so einer Woche zutrauen.
Was genau, das ist diesen Freitag um 18.30 Uhr im Zirkuszelt auf dem Burgwindheimer Festplatz zu sehen. Im rund 90-minütigen Programm zeigen Zirkusprofis gemeinsam mit den Nachwuchs-Künstlern der Burgwindheimer Grundschule, was sie so alles drauf haben. Man freut sich auf Zirkus-Fans aller Art aus nah und fern zum Auftakt der Saison. Still, aufmerksam und wahrscheinlich oftmals staunend und voller Bewunderung werden Rektorin Noppenberger und ihre beiden Kolleginnen die Vorstellung ihrer Schüler verfolgen. Erst nach den Ferien geht der ganz normale Schul-Zirkus für sie wieder weiter.