Bricht Bamberg 2014 den Jahrhundertrekord?
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 07. November 2014
2014 hat gute Chancen als wärmstes Jahr seit Beginn der Temperaturmessung 1879 in Bamberg in die Annalen einzugehen. Dennoch war ein Trend zum Dauergrau nicht zu übersehen. Klimaforscher sehen keinen Widerspruch. Wie haben Sie das Wetter im Jahr 2014 empfunden? Hier können Sie abstimmen.
Eigentlich müsste sich Margarete Konrad in diesem Herbst besonders zufrieden zurücklehnen können. Das zur Neige gehende Jahr 2014 bescherte Bamberg eine der wärmsten Witterungsperioden der letzten Jahrzehnte, möglicherweise gar seit Beginn der Messungen 1879. Doch an der Betreiberin des Bierkellers Wilde Rose ist dieser Superlativ unbemerkt vorübergegangen. Keine Umsatzrekorde, nur wenige Tage mit Massenandrang waren am Stephansberg zu verzeichnen. "Alles eher durchschnittlich", sagt die Wirtin.
Eine Ausnahmejahr ohne Effekt? Ein Wärmererekord, obwohl sich in Bamberg Kellerabende rar machten? Wer die bundesweiten Wettermeldungen liest, fühlt sich möglicherweise wie im falschen Film. Hier häufen sich schon seit Anfang Oktober die Meldungen, wonach schon in wenigen Wochen ein Jahrhundertrekord fällt.
Zum Beispiel Uwe Kirsche, Sprecher der Deutschen Wetterdienstes in Offenbach: "Die ersten zehn Monate des Jahres sind so warm ausgefallen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1881", verkündete er vor wenigen Tagen.
Und in Bamberg? Der landesweite Trend bestätigt sich beim Blick auf die Daten der in der Galgenfuhr beheimateten Wetterwarte. Hier dominiert schon beim Vergleich zu den Referenz-Jahren 1980 bis 2000 die Farbe rot für positive Abweichungen.
Noch drastischer ist das Bild, wenn man die Temperaturen 2014 denen aus den Dekaden 1961 bis 1990 gegenüberstellt: Januar, Februar, März und April, aber auch der Oktober brachten Abweichungen von jeweils über zwei, teils über drei Grad - das sind vor allem in dieser Folge extreme Werte.
Weil die milde Großwetterlage noch länger anhalten soll, lässt sich heute schon eine Prognose wagen: Sollte der Dezember etwa durchschnittlich warm werden (1 Grad), wird 2014 die bisherigen Höchstwerte für die Jahresmitteltemperatur auch in Bamberg knacken - ein Jahrhundertrekord. 1994 waren 10,4 Grad, 2007 10,2 Grad und 1934 10,1 Grad gemessen worden.
Man muss wissen: In der mittlerweile 135-jährigen Historie der Bamberger Wetterwarte sind Werte über 9,5 Grad selten. Meist wurden in der Vergangenheit Temperaturen um acht Grad registriert; (1879) sackte die Mitteltemperatur auf kühle 6,2 Grad, ein aus heutiger Sicht fast schon arktischer Wert.
Der August fiel ins Wasser
Der Blick auf die Bamberger Wetterwerte zeigt auch: Die Sonne machte sich 2014 trotz der Rekordtemperaturen rar. Bislang wurden nur 1534 Stunden gemessen, was vor allem dem aus der Reihe fallenden unterkühlten Ferienmonat August zuzuschreiben ist. Aber auch der September und der Oktober blieben mit 74 und 82 Prozent hinter der Norm zurück.
Rekordwärme trotz einer Vielzahl trüber Tage - wie passt das zusammen? Johannes Lüers, Mikrometeorologe von der Uni Bayreuth, sieht keinen Widerspruch. Der häufig wolkenverhangene Himmel hatte in Bamberg offenkundig auch einen dämpfenden Effekt - klare Nächte mit Abstrahlungskälte waren eher selten.
Dennoch sind die jüngsten Erkenntnisse der Klimaforscher für Bewohner Mitteleuropas wenig beruhigend. Durch das Abschmelzen des Nordpolareises verringert sich der Luftdruckunterschied zwischen nördlichem und mittlerem Atlantik - mit der Folge, dass die Westwinddrift einschläft und Schmuddelwetterlagen wochenlang andauern können.
Auch die milden Temperaturen Anfang des Jahres waren einem solchen meteorologischen Dauerbrenner zu verdanken. Monatelang wehte der Wind aus Süd. Die Folgen: Schneemassen in den Südalpen und ein extrem milder Winter bei uns
Was lehrt uns das Jahr 2014? Gibt es einen Beschleunigungseffekt beim Klimawandel? Meteorologe Dominik Jung von wetter.net ist skeptisch. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass die wenigsten Prognosen zutrafen und Statistiken auch nicht überbewertet werden dürfen. So fürchteten nach dem "Jahrtausendsommer 2003" viele, dass künftig vermehrt heiße Sommer auftreten würden. Das Gegenteil war der Fall: Die meisten Sommer waren seither verregnet. Und auch der Winter war in Mitteleuropa bereits totgeglaubt, als er zum Ende des Jahrzehnts ein Comeback erlebte. "Das kann sich alles schnell umstellen. Und dann erleben wir 2015 ein extrem kaltes Jahr", sagt Jung.
Doch es gibt auch Lob für 2014: "Kein Hagelschlag, keine Überschwemmungen - uns haben die mediterranen Bedingungen heuer sehr geholfen", freut sich Pankraz Deuber. Die Bamberger Gärter - wenigstens sie können sich zufrieden zurücklehnen.
