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Breitengüßbachs Schüler zeigen Flagge


Autor: Isabelle Epplé

Breitengüßbach, Mittwoch, 15. März 2017

Am 10. März hissten Kinder und Jugendliche vor dem Breitengüßbacher Rathaus die Tibetflagge und zeigten damit ihre Solidarität mit den Tibetern.
Unter der Assistenz von 170 Schülerinnen und Schülern der Grund- und Mittelschule Breitengüßbach wurde vor dem Rathaus die tibetische Flagge gehisst.  Foto: Barbara Herbst


Zum Glück ist es ein bisschen windig an diesem grauen Morgen in Breitengüßbach. Bestes Flaggen-Flatter-Wetter! In Mützen, Schals und warme Jacken eingepackt warten 170 Mädchen und Jungen mit ihrer Schulleiterin Sibylle Kretzschmar vor dem Rathaus darauf, dass sie die tibetische Flagge hissen dürfen. "Denn heute ist doch Tibet-Tag", meint Schülerin Lilian.


Wie man sich auf Tibetisch begrüßt

Wolfgang Grader schwänzt heute extra die Schule und ist nach Breitengüßbach gekommen, um Lilian und ihren Mitschülern ein bisschen was über Tibet zu erzählen. Er ist Schulleiter in Unterfranken und Politiker - und er ist der Vorsitzender der Tibet Initiative Deutschland e.V., weiß also gut Bescheid über das kleine asiatische Land. "Spricht jemand von euch tibetisch?", fragt er gutgelaunt in die Runde. Ein paar Kinder machen große Augen, irgendwo wird gekichert. "Wer möchte es denn lernen?" Ein Junge mit braunen Locken und schwarzer Jacke meldet sich und kommt nach vorne. Er heißt Joël und Wolfgang Grader begrüßt ihn. Auf Tibetisch natürlich. Es klingt so ähnlich wie "taschidelleck". Joël spricht es nach. "Du hast gerade ,Hallo‘ auf Tibetisch gesagt", erklärt Grader.


Gewaltfreier Widerstand endete in einem Blutbad

Das probieren alle aus, und überall auf dem Rathausvorplatz hört man ein munteres "taschidelleck". "Ich freue mich sehr, dass ihr heute alle da seid", sagt der Tibet-Experte. "Es kommt sehr selten vor, dass so viele junge Leute dabei sind, wenn am 10. März die Tibet-Flagge gehisst wird."
Aber warum eigentlich? Tibet, erklären Wolfgang Grader und Sibylle Kretzschmar den Schülern, wird von den Chinesen besetzt. Schon seit Jahrhunderten ist das Verhältnis beider Länder sehr angespannt, weil die Chinesen schon seit etwa 800 Jahren versucht haben, das Sagen in Tibet zu bekommen. 1950 marschierten dann chinesische Truppen in das kleine Land ein und besetzen es seitdem.


Sagen, was man denkt? Das kann gefährlich werden

Etwas gegen die Politik der Chinesen zu sagen, ist für Tibeter gefährlich, berichtet Grader, der schon oft in dem Land zu Besuch war. "Freie Meinungsäußerungen können einen ins Gefängnis bringen. Und es ist sogar verboten, ein Bild vom Dalai Lama zu besitzen. Der Dalai Lama ist das geistliche Oberhaupt der Tibeter.
Doch am 10. März 1959 lehnten sich viele Tibeter gegen die chinesischen Truppen auf. In der tibetischen Hauptstadt Lhasa kam es zu schweren Unruhen. Dabei wurden Tausende Tibeter getötet. Am Jahrestag des Aufstands hissen Menschen auf der ganzen Welt die Tibet-Flagge, um ihre Solidarität mit den Tibetern zu demonstrieren.
"Wir möchten, dass es wieder gerechter wird in Tibet. Das möchten wir heute zeigen", erklärt Linus. "Heute früh haben wir die Flagge in der Klasse bekommen und sie ausgemalt. Vorher hatte ich die noch nie gesehen." Das wird einigen Breitengüßbachern wohl ähnlich gehen. "Drei Tage lassen wir sie hängen", kündigt Zweiter Bürgermeister Hubert Dorsch (CSU) an, der vom Engagement Wolfgang Graders beeindruckt ist, und sich "gerne überreden" ließ, mit der Tibetflagge ein Zeichen zu setzen. "Es ist mal was Neues und man kann einfach mal an die Gerechtigkeit denken."


Sieben Jahre in Tibet

Bei der symbolischen Aktion soll es aber nicht bleiben: "Wir werden fachübergreifend das Thema Tibet behandeln", erklärt Schulleiterin Sibylle Kretzschmar. "Das heißt, in Geografie lernen die Schüler etwas über Tibet, wir sprechen über den Buddhismus und schauen, welche Tiere dort leben." Kretzschmar hat sogar einen eigenen Lehrplan rund um das Thema Tibet entwickelt, den sie auch anderen Schulen zur Verfügung stellen möchte.
Die Schulleiterin war ungefähr so alt wie ihre Schüler heute, als sie zum ersten Mal etwas über Tibet erfuhr: "Ich habe mit 13 das geniale Buch von Heinrich Harrer gelesen." Es heißt "Sieben Jahre in Tibet" und ist mit Brad Pitt unter demselben Titel verfilmt worden. Harrer lebte als Übersetzer, Fotograf und später als Lehrer am tibetischen Königshof und wurde ein enger Freund des 14. Dalai Lama. Wegen des Konflikts zwischen Chinesen und Tibetern wagte er 1951 eine abenteuerreiche Flucht nach Indien. Seine Erlebnisse schrieb er anschließend auf (siehe unten).
Aber können junge Menschen heute und hier, in Franken, etwas von den Tibetern lernen? Kretzschmar nickt: "Ich denke besonders an die Politik des Dalai Lama: an den gewaltfreien Widerstand, die Politik der Güte, des Verstehens."


"Tolle neue Erfahrung"

Zurück in der Schule, blieb Tibet das Thema des Tages. "Eine tolle neue Erfahrung", urteilten die Kinder und Jugendlichen und schrieben unter dem Motto "So war der Tag für mich" ihre Erfahrungen für die KLARTEXT!-Redaktion auf: "Ich finde es sehr spannend und freue mich auf mehr." - "Ich fand es cool und es war eine gute Erfahrung!"- "Mir hat alles gut gefallen, aber am besten hat mir das Flagge aufhängen und das Mandala ausmalen gefallen."