Druckartikel: Bosch muss kurzfristiger planen

Bosch muss kurzfristiger planen


Autor: Matthias Litzlfelder

Bamberg, Donnerstag, 11. Oktober 2012

Sonderschichten beim Benzin-Einspritzventil, Kurzarbeit bei der Common-Rail-Düse - die Aufträge im Leitwerk Bamberg waren zuletzt ungleich verteilt. Und sie schwanken mehr und mehr. Für Freude bei Oberfrankens größtem Industrie-Arbeitgeber sorgt ein europäischer Management-Preis.
Tobias Schmitt, Bosch-Mitarbeiter im ersten   Ausbildungsjahr, betrachtet im Bamberger Ausbildungszentrum die Arbeitsweise einer Fräsmaschine. Er ist einer von rund 300 Azubis am Standort. Foto: Michael Gründel


Was in einem halben Jahr oder gar in einem Jahr sein wird, darauf mochten sich die Verantwortlichen bei Bosch in Bamberg noch nie festlegen. Aber mittlerweile hat sich der Planungshorizont am größten Standort in Bayern extrem verengt - von Monaten auf Wochen. "Wir wissen nicht, was im November ist", sagt Hans Hoffmann, der kaufmännische Werkleiter. Es sei unheimlich kurzfristig, wie die Kunden agierten. "In Wochenfrist werden Aufträge abgefragt oder wieder storniert."
Auf die Schnelllebigkeit in der Branche hat der weltgrößte Automobilzulieferer zuletzt wieder spürbar reagieren müssen. Im September wurde in Bamberg Kurzarbeit eingeführt, sechs Tage ruhte die Fertigung in einem Teil des Werks. 980 Mitarbeiter waren davon betroffen. Am Standort arbeiten insgesamt 7300 Menschen.

Im Oktober keine Kurzarbeit


Im Oktober muss Bosch laut Hoffmann die Kurzarbeit nicht anwenden. Sein Kollege in der Geschäftsführung, der technische Werkleiter Franz Hauber, geht von einer "verhaltenen Entwicklung mit gewissen Schwankungen" aus. Der Rest des Jahres werde stabil bleiben. "Wir können derzeit über Zeitkonten etwas atmen", beschreibt Hauber eine in Bamberg längst etablierte Methode flexibler Arbeitszeit. Bei Bedarf würden einige Abteilungen zudem ein bisschen eher in die Weihnachtsferien geschickt.
Ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk gab es für das gesamte Werk schon in dieser Woche.

Es wurde in Brüssel Gesamtsieger im Wettbewerb der europäischen Stiftung für exzellentes Management (EFQM). Die Bamberger überzeugten die internationale Jury dabei vor allem in zwei Kategorien. Zum einen wurde den Führungskräften bescheinigt, mit "Vision, Inspiration und Integrität" agiert zu haben. Zum anderen lobte die Jury die Leistung der Mitarbeiter.
Der Wettbewerb, an dem jährlich europäische Organisationen - vom großen Klinikkonzern bis zum BMW-Werk - teilnehmen, hat laut Hauber im Konzern einen hohen Stellenwert: "Das ist kein Erfolg von Minuten, sondern jahrelange Arbeit." Die Auszeichnung basiere auf zwei Managementleistungen: Alle Mitarbeiter wüssten dauerhaft, was ihr konkreter Beitrag zur Gesamtstrategie des Werkes sei. Hinzu komme, dass sich die Bamberger Bosch-Beschäftigten stark mit den Werten des Unternehmens identifizierten. Das ist laut EFQM nicht alltäglich.
Hauber, der seit drei Jahren für die Technik des gesamten Werkes zuständig ist, verlässt Bamberg zum Jahresende in Richtung Indien. Dort wird er für Bosch als Geschäftsleiter die indischen Standorte im Hinblick auf Fertigung und Qualität betreuen. Sein Nachfolger als technischer Werkleiter in Bamberg wird Bernd Gschaider, der bisher am Standort die Diesel-Sparte verantwortete.

Batterie-Muster


Aus dem Bamberger Blickfeld wird Hauber nicht verschwinden. Bamberg ist Leitwerk in der Kfz-Technik für 20 Standorte in elf Ländern, darunter sind auch zwei Werke in Indien. Die neuesten Produkte laufen zunächst in Bamberg an, werden dort verbessert und später an andere Standorte übertragen.
Noch weit von der Serienfertigung in großer Stückzahl entfernt ist ein Neuling in Bamberg: die Batterie. War der Elektromotor im vergangenen Jahr noch kein Thema für die Bamberger, so hat er jetzt zumindest einen ersten Fuß in der Tür. Rund zehn Millionen Euro investierte Bosch vor einigen Monaten für sein sogenanntes Zelltechnikum in Bamberg. Seitdem werden im Hauptwerk Zellen gefertigt, die zu 400-Volt-Lithium-Ionen-Batterien zusammengefügt werden. Rund 120 Mitarbeiter sind damit beschäftigt.
"Das sind Muster, die wir an die Entwicklungsabteilungen unserer Kunden liefern", erklärt Hau ber. Bamberg fertige im Jahr nur "wenige Tausend, um selbst die Fertigungsprozesse zu lernen". Es sei ein Produkt, das "sicher noch einige Veränderungen erleben wird", meint Hau ber. In nächster Zeit spiele diese Art von Produktion noch kaum eine Rolle. Der technische Werkleiter rechnet erst in zehn Jahren mit einer Großserie der Batterien.
Längst in Serie ist dagegen das Benzin-Hochdruck-Einspritzventil (HDEV), von dem in Bamberg die fünfte Generation vom Band läuft. Die Komponente für den Otto-Motor ist laut Werkleitung weiterhin das gefragteste Produkt aus Bamberg. "Hier sind immer wieder Sonderschichten nötig", berichtet Hoffmann. Dagegen stottert der Diesel-Bereich etwas. Vor allem die Bamberger Common-Rail-Düse, die nicht nur für die am Standort gefertigten Injektoren, sondern auch für die anderer Werke produziert wird, hat Absatzprobleme.

Südwesteuropa schwächelt


Schuld ist laut Hoffmann und Hauber die Entwicklung auf dem Automarkt in Südwesteuropa. Es gebe bei den Kunden - nahezu alle namhaften Autohersteller - Nachfrageschwächen, vor allem in Italien und Spanien, aber auch in Frankreich. "Alles Märkte mit einem Dieselanteil deutlich über 50 Prozent", beschreibt Hauber die Situation.
Da hilft es auch nicht, dass der US-Markt im Moment wieder wächst. Dort fahren laut Bosch gerade einmal zwei Prozent der Autos mit Diesel-Technik.
Dennoch schauen die Bamberger Werkleiter gelassen in die Zukunft. "Die Absatzprobleme sind auf ein Segment beschränkt", sagt Hans Hoffmann. "Mir ist nicht bange für die nächsten Monate."