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Bluttat in Schlüsselfeld: Sohn gesteht


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Donnerstag, 14. Februar 2013

Timo G. (27) aus Schlüsselfeld hat vor Gericht sein Geständnis wiederholt. Warum er seinen Vater mit 58 Messerstichen umgebracht hat, darüber schwieg der psychisch kranke Beschuldigte am ersten Verhandlungstag.
Vor den Fotografen und Kameraleuten, die ihn zu Beginn des Verfahrens vor der Zweiten Strafkammer als Schwurgericht erwarteten, verbarg Timo G. sein Gesicht unter einer Kapuze und hinter einem Blatt Papier. Foto: Michael Gründel


Ungewöhnlich viele Zuhörer wohnen dem Verfahren bei, das am Donnerstag vor der Zweiten Strafkammer des Schwurgerichts begonnen hat. Es ist auch ein ungewöhnliches Verfahren: kein Strafverfahren, an dessen Ende ein Freispruch oder eine Freiheits- bzw. Geldstrafe steht; sondern ein Sicherungsverfahren gegen eine kranke und mutmaßlich schuldunfähige Person, die deshalb auch nicht als Angeklagter sondern Beschuldigter bezeichnet wird.

Beschuldigter ist Timo G. (27) aus Schlüsselfeld (Landkreis Bamberg). Er hat in der Nacht zum 26. August 2012 seinen Vater getötet. Den Mord hat er begangen, ohne dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden zu können.

Er leidet nach allem, was bisher bekannt ist, an einer paranoiden Schizophrenie, konnte das Unrecht seines Tuns nicht einsehen, als er vor knapp einem halben Jahr mit einem Küchenmesser mindestens 58 Mal auf sein argloses Opfer einstach.

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Vater im Bett überrascht

Sein 56-jähriger Vater lag zur Tatzeit gegen 3 Uhr im Bett und wurde offenbar vom Angriff überrascht. Die Obduktion der Leiche ergab keine Hinweise darauf, dass der Vater sich nennenswert gewehrt hat. Drei Rechtsmediziner aus Würzburg, die das Gericht als Sachverständige beigezogen hat, schließen dies aus der Position der Stiche am Oberkörper des Opfers: Alle liegen dicht nebeneinander, am Rücken eben so wie am Brustkorb und am Hals.

Zum Bild der Verletzungen passt die Angabe des Täters bei der Polizei, wonach er einmal inne gehalten und den Vater umgedreht hat, ehe er erneut auf ihn einstach.

Möglicherweise schlief er auch, als sein bewaffneter Sohn zu ihm ans Bett trat. Ob der 56-Jährige wach war oder nicht, das lasse sich im Nachhinein nicht mehr klären, betonten die Sachverständigen aus Würzburg übereinstimmend.

Von "viel mehr Verletzungen, als man braucht, um einen Menschen zu töten", sprach der rechtsmedizinische Sachverständige Thomas Tatschner. Wie er erklärte, ist das Verletzungsbild in diesem Fall typisch für psychisch kranke Täter oder eine Beziehungstat, in der sich angestauter Frust Bahn gebrochen habe.


Verteidiger verlas Geständnis

Timo G. wiederholte zu Prozessbeginn das Geständnis, das er schon in der Tatnacht über den Polizei-Notruf abgegeben hatte. Durch seinen Pflichtverteidiger Thomas Drehsen ließ er zu Prozessbeginn erklären: "Ich räume ein, dass ich meinen Vater getötet habe."

Über das, was genau passiert ist und vor allem, warum es passiert ist, machte der 27-Jährige keine Angaben. Der Antragsschrift zufolge waren Wahnvorstellungen und Haßgefühle gegenüber seinem Vater die Auslöser.


Bedauern über die Tat

Auf die Frage von Vorsitzendem Richter Manfred Schmidt, wie er heute zur Tat stehe, sagte Timo G. wörtlich: "Ich bedaure es zutiefst. Ich vermiss' meinen Vater."

Der Vater war seine Bezugsperson, auch schon vor dem Tod seiner Mutter im November 2011. Sie sei alkoholkrank gewesen, berichtete der 27-Jährige dem Schwurgericht.

Sein Leben muss bis 2007 recht normal und geradlinig verlaufen sein: Schule, mittlere Reife, Ausbildung, Weiterbeschäftigung im Lehrbetrieb. Dann, vor etwa sechs Jahren, wurde bei ihm zum ersten Mal eine Psychose diagnostiziert.

Es folgte der erste längere Klinikaufenthalt. Er erlitt trotz der verschriebenen Medikamente einen Rückfall. Schon Mitte 2008, mit erst 23 Jahren, wurde Timo G. verrentet. Später lebte er eine Zeit lang in Bamberg in einer betreuten Wohngruppe. 2010 zog er aus, um einen gemeinsamen Hausstand mit seiner Verlobten zu gründen. Als die junge Frau im Herbst desselben Jahres starb, kehrte er in die elterliche Wohnung zurück.


Viele Rapsongs geschrieben

In seinem Alltag spielten fortan der Fußball - sein Vater war auch sein Trainer in Wachenroth - und vor allem die Musik eine wichtige Rolle: An die 100 Rap-Songs von ihm stehen unter dem Künstlernamen "Exxxel" auf der Internet-Plattform "youtube".

Der Sachbearbeiter des Mordfalls bei der Kriminalpolizei Bamberg nannte die Videos von G. "fast professionell". Ein Lied hat er für seinen Vater geschrieben. Es heißt "Danke, Papa!"

Der Kriminalbeamte berichtete als Zeuge von seiner ersten Begegnung mit G. am Morgen nach der Bluttat. Zunächst sei dieser nicht ansprechbar gewesen. Dann habe er - auffallend langsam - erneut ein Geständnis abgelegt. Über das Motiv habe er nicht viel gesagt; sinngemäß ihm aber zu verstehen gegeben, dass er seinen Vater habe "töten müssen".

Die weiteren polizeilichen Ermittlungen brachten zu Tage, dass G. in den Stunden vor der Tat Freunden gegenüber angedeutet hat, er werde seinen Vater umbringen. Das habe aber niemand ernst genommen. Die Personen in seinem Umfeld hätten damals allerdings bemerkt, dass er sich veränderte und "auf einen Schub zusteuert", so der Zeuge von der Kripo.

Von ihm erfuhren die Prozessbeteiligten ansatzweise ein mögliches Tatmotiv. In der Vernehmung äußerte G. demnach, er habe sich vom Vater nicht richtig unterstützt gefühlt, insbesondere in puncto Musik.

Am Tag vor dem Mord hätte er zudem geglaubt, der Vater habe ihn vergiftet. Er habe einen ständigen Würgereiz gehabt.

Timo G. war Anfang 2012 zum letzten Mal für längere Zeit in der Bamberger Nervenklinik. Nach der Entlassung reduzierte er eigenmächtig seine Medikamente. Erst habe er die Dosis reduziert, später "gedacht, es geht auch ohne". Fast im selben Atemzug berichtete er vor Gericht: "Dann ist es zur Tat gekommen."


Medikamente nicht genommen

Gefragt, warum er die Tabletten wegließ, lautete seine Antwort, er habe einen klaren Kopf behalten wollen. Rückblickend räumte der 27-Jährige ein, es sei ihm ohne die Medikamente schlechter gegangen.

Das Sicherungsverfahren wird am Freitag mit weiteren Zeugen fortgesetzt. Anschließend will das Schwurgericht zwei weitere Sachverständige zur Schuldfähigkeit des Schlüsselfelders und seiner Krankheit anhören.

Mit dem Urteil ist aller Voraussicht nach im Lauf des Tages zu rechnen.