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Bleibt es bei 2200 Flüchtlingen in Bamberg?


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Mittwoch, 16. Sept. 2015

Emilia Müller eröffnete am Mittwoch das "Balkanzentrum" in Bamberg und verteilte Lob an Behörden und Bürger. Dass die 70.000-Einwohner-Stadt weitere 5000 Flüchtlinge aufnehmen muss, hat sie weder bestätigt noch dementiert.
"A nice place..." Den derzeit 150 Flüchtlingen im "Balkanzentrum" scheint die Unterbringung in den ehemaligen US-Wohnungen zu behagen.   Fotos: Ronald Rinklef


Was auf ihn zukommt und dass er sehr wahrscheinlich wieder heimkehren muss, weiß Dritan Zejno nicht. In Bamberg fühlt er sich erst einmal wohl. Der 45-jährige Albaner verließ sein Heimatland, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Jetzt ist er einer von derzeit 150 Bewohnern des neuen Rückführungszentrums an der Pödeldorfer Straße.

Menschen aus Balkanländern wie Serbien und Bosnien leben hier; Familien mit kleinen Kindern bevölkern das grüne Viertel der ehemaligen Pines-Housing-Area, seit am Montag die ersten Busse aus Forchheim eintrafen. Es geht ihnen offenkundig gut, wie man den Äußerungen und Gesten entnehmen kann, mit denen sie beim Besuch von Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bemerkbar machten. "A nice place" sagt ein junger Mann, andere winken vom voll besetzten Balkon der Medienschar zu, die im Schlepptau der Ministerin durch das Viertel läuft.



Hört man die CSU-Politikerin, dann ist die zweite bayerische Rückführungseinrichtung für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive "eine Erfolgsgeschichte", die anderen zeigt, wie "man es machen muss". Innerhalb weniger Wochen gelang es den beteiligten Institutionen, zehn Wohnblocks einer still gelegten Kaserne in einen abgeschlossenen Bereich umzuwandeln, in bis zu 1500 Menschen leben sollen und Ausländerbehörden, Gesundheitsamt und das Bundesamt für Migration in bisher nicht gekannter Weise zusammenarbeiten. Die Zeit, bis ein Asylantrag bearbeitet ist, soll durch die räumliche Bündelung drastisch schrumpfen. Von nur noch "zwei bis drei Tagen" sprach ein Vertreter des Bundesamtes.

Schnelle Abschiebung von Wirtschaftsflüchtlingen auf der einen Seite und Aufnahme von Menschen, die von Bürgerkrieg und politischer Verfolgung bedroht sind: Vor den Medien erläuterte die Ministerin das Konzept, das im Freistaat Priorität genießt. Sie sprach davon, dass nur so die Balance gehalten und die Akzeptanz in der Bevölkerung gewahrt werden könne.
 


Sozialer Sprengstoff?

Balance war auch das Wort, das Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) in den Mund nahm, als er vor der Unterbringung von weiteren 5000 Flüchtlingen über das Rückführungszentrum hinaus warnte. Dies werde eine Stadt mit 70 000 Einwohnern überfordern und für sozialen Sprengstoff sorgen. "Wir werden in Kürze 2200 Flüchtlingen in Bamberg haben. Nennen Sie mir eine Stadt, die sich in ähnlicher Weise engagiert." Freilich: Die Ministerin konnte die Sorgen Starkes und mittlerweile vieler Bürger der Region nicht zerstreuen. Im Gegenteil: Sie bestätigte, dass der Bund derzeit alle seine Liegenschaften wegen weiterer möglicher Aufnahmekapazitäten unter die Lupe nimmt. Eine Unterbringung in Zelten werde niemand vertreten können, so lange es leer stehende Gebäude gebe, sagte Müller. Allerdings sei die Entscheidung noch nicht getroffen. "Der Freistaat muss hier eingebunden werden."



Drei Tage nach der Ankunft der ersten Busse befindet sich das Balkanzentrum auf dem Weg zu einem stattlichen Behördenstandort in Bamberg-Ost. Tür an Tür arbeiten hier Sachbearbeiter für die Registrierung, Ärzte des Gesundheitsamtes, Mitarbeiter des Sozialamts, der Ausländerbehörde und des Bundesamts für Migration. Eine Maschinerie, die Anfang nächsten Jahres 200 und mehr Menschen beschäftigen soll. Dann werden bis zu 1500 Flüchtlinge an der Pödeldorfer Straße leben.

Gemessen am Niveau anderer Asylbewerberunterkünfte in Deutschland scheint Bamberg gut abzuschneiden. In jeder Wohnung gibt es ein Bad, eine Dusche und zwei Toiletten. In den großen Zimmern leben nicht mehr als drei Menschen. "Es geht darum, dass die Menschen gut untergebracht und versorgt sind. Es geht um ein rechtsstaatliches Verfahren", sagte Emilia Müller.


 


Kommentar des Autors: Die Stimmung droht zu kippen

Wegen der Vorab-Einteilung der Flüchtlinge in solche mit und ohne Bleibewahrscheinlichkeit war das Balkanzentrum in Bamberg stets umstritten - gerade unter Flüchtlingsfreunden. Doch es scheint seinen Zweck zu erfüllen: Die Bearbeitungszeiten für Asylanträge gehen deutlich zurück - dank der räumlichen Nähe der Behörden und ihrer personellen Aufstockung.

Das ist die gute Nachricht, über die man sich aber nicht besonders freuen kann. Denn sie wird überschattet von der Aussicht auf weitere Zuweisungen von Menschen in Not, die selbst eine hilfsbereite Stadt wie Bamberg überfordern werden. Die Zahlen, die hier im Raum stehen, sprengen nicht nur jede Verhältnismäßigkeit. Sie würden die Stimmung kippen lassen und das Konversionsprojekt in Frage stellen, auf das sich mit Blick auf den knappen Bamberger Wohnungsmarkt so viele Hoffnungen gerichtet haben.

Da ist es gut und richtig, wenn OB Andreas Starke eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge unter den Städten einfordert. Schon jetzt liegt Bamberg, stellt man Einwohner- und Flüchtlingszahl in Relation, bei einem Wert, den die wenigsten Kommunen erreichen dürften.

Aber es steht zu befürchten, dass es die Stadt und womöglich auch das Land Bayern gar nicht mehr in der Hand haben, steuernd einzugreifen. Die durch die Völkerwanderung und jahrelange Versäumnisse ausgelöste Notsituation zwingen die Regierungen zu extremen Handlungen. Die ungelösten Konflikte im Nahen Osten, sie treffen Europa im Herzen.