Beweist Video Security-Gewalt im Ankerzentrum Bamberg? Firma weist Vorwürfe zurück
Autor: Sebastian Martin
Bamberg, Mittwoch, 24. Juni 2020
Immer wieder werden Gewaltvorwürfe gegen den Sicherheitsdienst des Ankerzentrums in Bamberg laut. Doch Ermittler sahen bisher keine objektiven Indizien für eine Anklage. Dagegen legt ein Betroffener Verfassungsbeschwerde ein. Zusätzlich taucht nun ein Video auf. Die Sicherheitsfirma weist Gewaltvorwürfe von sich.
Es ist ein verwackeltes Video, angefertigt haben soll es ein Bewohner der Ankereinrichtung Oberfranken (AEO) im Februar 2019. Es zeigt wohl mehrere Security-Mitarbeiter, die einen Bewohner zu Boden drücken. In einem Moment sieht es so aus, als ob einer der Männer, die schwarze Jacken mit der Aufschrift "Security" tragen, den am Boden liegenden mit dem Fuß tritt. Für den bayerischen Flüchtlingsrat ist das eindeutig zu erkennen: "Einer der Wachmänner scheint kurz mit dem Bewohner zu sprechen, dann wendet er sich ab. Unvermittelt tritt er wenige Sekunden danach jedoch mit dem Knie Richtung Kopf des am Boden liegenden Bewohners", heißt es in einer am Dienstag, 23. Juni, verschickten Mitteilung.
Der Flüchtlingsrat hat das Video am Montag, 22. Juni, der Staatsanwaltschaft Bamberg übergeben und Anzeige gegen einen Mitarbeiter der Firma Fair Guards Security erstattet. Die Behörde ermittelt inzwischen, wie Staatsanwalt André Libischer gegenüber unserer Zeitung mitteilt, "gegen einen namentlich bekannten Mitarbeiter der Firma Fair Guards Security wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil eines damaligen Bewohners der Einrichtung".
Gewaltvorwürfe gegen die Security in der derzeit mit knapp über 1000 Flüchtlingen belegten Unterkunft hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Ein solcher Vorwurf vom September 2017 hatte auch zu Ermittlungen gegen Sicherheitsmitarbeiter geführt, die allerdings eingestellt wurden - zu Unrecht aus Sicht des Flüchtlingsrats, der den betroffenen Flüchtling Sidi F. (Namen geändert) unterstützt.
Damals im September 2017 sollen der senegalesische Asylsuchende F. und ein weiterer Bewohner von Sicherheitsmitarbeitern angegriffen und schwer misshandelt worden sein. Im Kern ging es um drei Security-Leute, gegen die wegen gefährlicher Körperverletzung und zunächst auch wegen versuchter Tötung ab Oktober 2017 ermittelt worden war. Den Mitarbeitern wurde vorgeworfen, einem und eventuell einem weiteren Bewohner gegen Kopf und Körper getreten zu haben.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren allerdings im Sommer 2018 ein, mit der Begründung, dass gegen die Beschuldigten "aufgrund der durchgeführten umfangreichen Ermittlungen ein Tatnachweis für ein strafbares Verhalten nicht mit einer für eine Anklageerhebung hinreichenden Sicherheit zu führen war". Die Aussagen der Beteiligten waren demnach zu widersprüchlich. Der geschilderte Ablauf und mögliche Verletzungen sollen nicht belegbar gewesen sein. "Alle objektiven Indizien sprechen gegen die Schilderung des Anzeigenerstatters", erklärt auch der Sprecher des Oberlandesgerichts Bernd Weigel auf Nachfrage. Das Gericht hatte sich im Rahmen eines von Sidi F. angestrebten Klageerzwingungsverfahrens ebenfalls mit dem Fall zu befassen. Das OLG folgte dem Ergebnis der Staatsanwaltschaft - eine Verurteilung erschien unwahrscheinlich.
Es fehlten aus Sicht der Justiz die objektiven Beweise für die schwerwiegenden Vorwürfe. Sidi F. und sein Anwalt Benjamin Derin aus Berlin wollen sich damit jedoch nicht zufrieden geben. Laut dem Flüchtlingsrat hat F. im Februar 2020 bereits Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung eingereicht. Das Bundesverfassungsgericht prüft diese derzeit noch. "Es entsteht hier der Eindruck, dass die Behörden an einer Aufklärung kein Interesse haben und den Verletzten schlicht nicht glauben wollen", so der Anwalt laut Mitteilung.
Sidi F. und seine Mitstreiter sehen sehr wohl "umfassendes belastendes Beweismaterial gegen die Wachdienstmitarbeiter" und sie sehen Versäumnisse der Ermittler. So habe die Polizei die beiden Bewohner nach dem Vorfall nicht als Opfer, sondern als Beschuldigte vernommen. Erst als nach drei Wochen Sicherheitsleute eines Subunternehmens Anzeige erstatteten, sei ermittelt worden. Verletzungen sollen aber nicht dokumentiert worden sein, "für Übersetzung wurde nicht gesorgt". Auch als das mutmaßliche Opfer acht Tage später beim Arzt der Einrichtung war, der lediglich Sodbrennen und Magenprobleme feststellte, habe es an Übersetzung gemangelt.