Druckartikel: Beweislast ist erdrückend

Beweislast ist erdrückend


Autor: Udo Güldner

Bamberg, Montag, 19. März 2018

Gleich fünf Angeklagte müssen sich seit Montag vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Bamberg wegen bandenmäßigem Drogenhandel verantworten.
Die Richter am Landgericht können im aktuellen Fall auf eine "sehr gute Beweislage" bauen. Foto: Merzbach


Über eine Stunde verlas Staatsanwalt Stephan Schäl die 39 Fälle, die Mohammed K. (alle Namen von der Redaktion geändert) und seinen Mitangeklagten im bisher umfangreichsten Verfahren in Bamberg zur Last gelegt werden. Vor allem Haschisch und Marihuana in nicht geringen Mengen sollen die angeklagten vier Syrer und der Libyer in die Region Bamberg gebracht und hier verkauft haben.
Der 29-jährige Syrer, der in Ebrach wohnte, soll der "Kopf der Bande" gewesen sein, die im
Zeitraum zwischen August 2016 bis Mai 2017 Betäubungsmittel in "guter Qualität" an die Regnitz verbrachte. Insgesamt ist nach "sehr akribischen Ermittlungen" einer Sondereinheit der Kriminalpolizei in Bayreuth von 39 Fällen die Rede, die über 46 Kilogramm Haschisch, rund zwei Kilogramm Marihuana, sowie 27 Gramm Kokain und 199 Ecstasy-Tabletten betreffen.
Neben Mohammed K. saß Enis F. (33), dessen Vater bei der syrischen Polizei gearbeitet hatte. Er gab an, zu Beginn der Proteste gegen den Diktator Assad wegen einiger Internetvideos für drei Monate inhaftiert gewesen und gefoltert worden zu sein. Drei der Syrer hatten sich in Damaskus mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Nur einer, Baschar W., war als Einzelhändler unternehmerisch tätig gewesen. Die vier Syrer waren im Laufe des Jahres 2015 über die Balkanroute nach Deutschland gelangt. Der Libyer, ein gelernter Friseur mit eigenem Salon in Bengasi, über das Mittelmeer und Italien. Sie alle waren vor Krieg und Verfolgung geflohen, wollten nicht zum Militärdienst eingezogen werden.
Einige hatten schon in ihrer alten Heimat Haschisch oder Marihuana konsumiert, andere kamen erst in Deutschland in Kontakt mit den Betäubungsmitteln. Mohammed K. beteuerte, die Drogen nur genommen zu haben, "um zu vergessen, was ich im Krieg erlebt habe". Sie alle finanzierten die eigene Sucht aus dem verbotenen Handel mit den Cannabis-Produkten. Baschar W. gab denn auch zu, "ein Problem mit Drogen" zu haben. In der Untersuchungshaft, in der alle seit Juni 2017 sitzen, verteilt auf die Justizvollzugsanstalten Kronach, Nürnberg, Bamberg und Schweinfurt, hat der jüngste des Quintetts, Ibrar L. (27), inzwischen mit einer Suchttherapie begonnen. Er wolle davon loskommen, "die deutsche Sprache lernen, eine Ausbildung machen, einen Beruf ergreifen und ein ganz normales Leben führen". Noch unklar ist Rolle des fünften Angeklagten, eines Palästinensers, der in Libyen gelebt, aber einen ägyptischen Pass hatte. Ob er zur Bande gehörte oder "nur" so mit Haschisch und Marihuana gehandelt oder Beihilfe dazu geleistet hatte, werden die kommenden Zeugenaussagen erhellen.


Immer das gleiche Muster

Die Drogengeschäfte liefen immer nach dem gleichen Strickmuster ab. Einer oder zwei der Angeklagten oder ein von ihnen beauftragter Kurier fuhren mit dem Zug oder dem Fernbus nach Berlin oder Stuttgart zu syrischen oder albanischen Großhändlern. Einen Führerschein, geschweige denn ein eigenes Auto, hatte keiner. Sie brachten mit jeder Fahrt zwischen 300 und 1500 Gramm des begehrten Rauschgiftes nach Bamberg. Hier "bunkerten" sie die Drogen, wie es Staatsanwalt Stephan Schäl formulierte, in der Wohnung eines Landsmannes in der Nähe des Hauptbahnhofes. Aus dieser wurden das Haschisch bzw. das Marihuana dann weiterverteilt oder auch gleich abverkauft. Sobald ihnen ein Fahrer zur Verfügung stand, erhöhten sich die Mengen auf bis zu 3000 Gramm pro Lieferung.
Ins Netz gingen alle Angeklagten bei gezielten Zugriffsmaßnahmen auf dem Rückweg von Berlin oder Stuttgart nach Bamberg. Die einen auf einer Autobahn-Raststätte an der A 9 nahe Bayreuth, die anderen im ICE zwischen Ansbach und Nürnberg.
Aus dem von allen Angeklagten eingeräumten Eigenkonsum versuchte einer der Verteidiger, Rechtsanwalt Christian Barthelmes aus Bamberg, für seinen Mandanten juristischen Nutzen zu ziehen. Er argumentierte, dieser habe von "täglich sechs bis sieben Gramm" gesprochen, wodurch einige der Fälle die nicht geringe Menge von 7,5 Gramm THC-Wirkstoff unterschritten. Das hätte eine deutlich geringere Strafe zur Folge. Ähnlich äußerte sich ein zweiter
Angeklagter, der angeblich mehr als zwölf Joints am Tag gerauscht haben wollte. Vom "Reich der Phantasie" sprach Richter Manfred Schmidt, und "dass man nicht alles glauben könne", was einem Angeklagte sagten. "Wir hatten auch schon Verfahren, in denen Leute angaben, täglich fünf Gramm Crystal Meth zu nehmen."


Angebot der Staatsanwaltschaft

Am nächsten Verhandlungstag werden die Angeklagten sich zur Sache äußern und wohl auf ein Angebot der Staatsanwaltschaft eingehen. Die hatte in einem Rechtsgespräch gegen ein vollumfängliches Geständnis "mildere" Strafen in Aussicht gestellt. Immerhin sind fünf Jahre hinter Gittern das Mindeste, was bandenmäßige Drogenhändler zu gewärtigen haben. Die Vorstellungen des Anklagevertreters bewegten sich bei sieben bis neun Jahren für den Bandenchef, sowie bei vier bis sechs Jahren für die anderen Mitglieder. Im Gegenzug dürfte es nicht die geplanten sieben Verhandlungstage und zahlreichen Zeugen brauchen, um den Prozess zu Ende zu bringen.
Nach Beratungen der Angeklagten mit ihren Pflichtverteidigern zeichnen sich Geständnisse ab. Auch weil Richter Schmidt von einer "sehr guten Beweislage" sprach, die auf umfangreicher Überwachung der "erstaunlich offenen Gespräche" mittels Mobiltelefonen beruhe. "Wie deutlich da über die Straftaten gesprochen oder gechattet wurde, werden die Verteidiger mit einigem Schrecken gesehen haben." Außerdem könnten die Reisewege durch Flixbus-Daten nachvollzogen werden.