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Bevölkerung profitiert von Flüchtlingshilfe


Autor: Anette Schreiber

Reckendorf, Dienstag, 18. Sept. 2018

Einen wichtigen Impuls sieht Reckendorfs Bürgermeister in der ursprünglich für Flüchtlinge gedachten Kleiderkammer: Einheimische nutzen sie mit.
Christel Gruber in ihrem Element: in der  Reckendorfer KleiderkammerFoto: Ronald Rinklef


Reckendorf gehörte zu den ersten Gemeinde im Landkreis, die 2015 Flüchtlinge aufnahmen. Schon im Vorfeld befasste man sich hier mit dem Thema und ein Helferkreis formierte sich. Aus diesem heraus wurden verschiedene Hilfsangebote entwickelt. Eine Kleiderkammer gehörte dazu. Zuerst war sie in der Alten Schule untergebracht, dann wurde die Einrichtung immer größer und zog dann östlich der Bahnlinie in Räume, in denen vormals für Puma Schuhe produziert worden waren.

Christel Gruber und Franz-Hermann Kuhn gehören zum Asylhilfekreis und engagieren sich dabei auch in der Kleiderkammer. Mittlerweile sind es etliche tausend Artikel, so Christel Gruber, die kostenfrei abgegeben werden. Jeden dritten Mittwoch im Monat ist Ausgabe, in der Zeit von 16 bis 18 Uhr.

Es hat sich herumgesprochen, dass es hier schöne Sachen gibt, wie die 65-Jährige berichtet. Sie ist gebürtige Reckendorferin und kennt somit einen Großteil der rund 2000 Menschen zählenden Bevölkerung hier. Aus dieser wurde die Fragen an sie herangetragen, ob man sich auch was aus der Kleiderkammer nehmen dürfe.

Alle Bedürftigen dürfen

Man darf. Alle Bedürftigen dürfen. Und die gibt es eben auch in der angestammten Bevölkerung, wie das Kleiderkammer-Team nun weiß. Freilich ist die Scheu zu fragen bei den Einheimischen nahezu ebenso groß, wie die psychologische Hürde vor dem ersten Besuch hoch.

Die Kleiderkammer kann relativ unauffällig aufgesucht werden, es bekommt also nicht jeder mit. Christel Kuhn garantiert nicht nur absolute Diskretion, sie vereinbart auch individuell Termine.

In der Zwischenzeit sind es etwa 15 Einheimische, also aus Reckendorf und Umgebung, die regelmäßig vom Angebot der Kleiderkammer Gebrauch machen. Der Großteil sind Frauen im Alter zwischen 30 und 40. Studentinnen, Frauen, die von Hartz IV leben müssen, Frauen mit mehreren Kindern, oder auch Großeltern.

Das Gros wird fündig. Vor allem im großen Kleidersortiment, weil dieses doch hauptsächlich Sachen für Jüngere enthält, Kleidung bis etwa Konfektionsgröße 42 bei Frauen und 52 bei Männern.

Gute Sachen, wie Kuhn und Gruber betonen. Viele spenden Gebrauchtes, manche Sachen sind sogar ganz neu und der Rest neuwertig. Bürger aus der Gemeinde und Umgebung bringen Sachen, aber auch Geschäfte.

"Manche Spender freilich verwechseln die Kleiderkammer mit der Altkleidersammlung oder gar Müll und geben kaputte Sachen ab", erbost sich Christel Gruber. Man sollte nur das bringen, was man auch selbst nehmen bzw. anziehen würde. Oft muss jedoch gründlich (aus-) sortiert werden. Fünf bis sechs Stunden pro Woche ist die 65-Jährige in der Kleiderkammer am Werkeln. Einen Berechtigungsschein oder etwas in der Art braucht es nicht, um in der Kleiderkammer Dinge mitnehemen zu können. . Gruber, Kuhn und die hier Tätigen kennen die Leute und helfen so auch ohne große Erklärungen.

Neben Bekleidung gibt es in der Zeitzenhofer Straße Nummer 4 auch Schuhe, Kleinmöbel, Geschirr, Bettwäsche, Kindersachen und Fahrräder. Sowie Kinderwägen. Töpfe und Löffel. "Davon bräuchten wir dringend mehr", hebt Christel Gruber hervor "und Babysachen". Wer helfen möchte, aber auch Bedürftige aus der Region, die einen Termin möchten, erreichen Christel Kuhn unter 09544/ 890 und Franz-Hermann Kuhn unter 09544/1747.

Erfolgsmodell

Reckendorfs Bürgermeister Deinlein (SPD) sieht in der Kleiderkammer ein Erfolgsmodell und freut sich, dass sie auch von Einheimischen angenommen wird. "Es ist wichtig, dass es so ist", findet er. Die Kleiderkammer sei etwas, "wo wir von der Flüchtlingshilfe profitieren, das hat einen Impuls gesetzt".

Eine, die konkret von der Kleiderkammer profitiert, ist eine 74-Jährige, die anonym bleiben möchte. Sie und ihr Mann verfügen nur über eine kleine Rente. Das Paar hat aber doch etliche Enkel und Urenkel. Ohne die Kleiderkammer könnte man denen nie eine kleine Freude bereiteten.

Es habe wohl schon einige Überwindung gekostet und sie habe überlegt, bis sie sich traute, Christel Gruber zu fragen; ob sie auch die Kleiderkammer nutzen könnte. Die habe gleich signalisiert, dass dies überhaupt kein Problem darstelle. "Ich finde das sehr gut für die Allgemeinheit", lässt die Nutzerin nun wissen.

Eben weil völlige Diskretion gewährt werde, könne sie die Angebote nutzen. Sie findet die Auswahl groß und gut. Wenn etwas nicht passt, kann man es wie im Laden problemlos umtauschen. Die 74-Jährige kann sich gut vorstellen, dass es mehreren Menschen auch in anderen Gemeinden ähnlich geht wie ihr und fände es deshalb nicht schlecht, wenn es weitere Kleiderkammern geben würde. "Ich denke, da gibt es schon Bedarf."