Beten und Frieren am Karfreitagsbittgang in Bamberg
Autor: Philipp Demling
Bamberg, Freitag, 03. April 2015
Am Karfreitag haben sich um fünf Uhr morgens rund 1400 Gläubige zum traditionellen Bittgang versammelt. Der Weg führte von der Oberen Pfarre über die Altenburg nach Sankt Getreu.
Karfreitag, fünf Uhr morgens in Bamberg. Die Stadt ist wie ausgestorben. Kein Wunder: Es ist stockdunkel, kalt und ein gesetzlicher Feiertag, an dem Tanzveranstaltungen verboten sind.
Nur an der Oberen Pfarre ist viel los. Wer nicht mehr im Bett liegt, ist hier, scheint es. Die große Menschenmenge, bestehend aus geschätzt rund 1400 Gläubigen, hat sich zum traditionellen Karfreitagsbittgang versammelt. Die wenigen Autofahrer, die am Kaulberg unterwegs sind, brauchen viel Geduld. Denn auch die Straße ist voller Menschen. Schließlich ergreift Erzbischof Ludwig Schick das Wort: Er betet vor, die Gläubigen beten nach.
Mit dem Rosenkranz und "Gegrüßet seist Du, Maria" setzt sich die Gruppe in Bewegung. An ihrer Spitze trägt Robert Dennefeld das hölzerne Kreuz. Auf die Initiative seiner Vorfahren ist der Bamberger Karfreitagskreuzweg Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Sie taten sich mit anderen frommen Stadtbürgern zusammen und marschierten betend durch das Berggebiet. Weil der Karfreitag damals noch ein Werktag war, mussten die Bittgänger schon um fünf Uhr morgens losziehen, um anschließend rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.
Heute haben die allermeisten Gläubigen aus Bamberg und Umgebung am Karfreitag keine beruflichen Verpflichtungen. Trotzdem machen sie sich zur selben frühen Stunde auf den Weg zur Sankt-Getreu-Kirche wie einst diejenigen, denen sie nacheifern. Unterwegs machen die Bittgänger mehrfach Station - zunächst am Karmeliterkloster und zwei Mal in der Altenburger Straße.
An jeder Station steht ein Kreuz mit dem sterbenden Jesus. Vor den hölzernen Darstellungen des leidenden Gottessohns spricht Erzbischof Schick zusammen mit zwei Priestern an seiner Seite jeweils die Gebete.
Weg auf Altenburg beschwerlich
Der Weg auf die Altenburg ist wie immer beschwerlich. Viele Teilnehmer des Bittgangs geraten ins Schnaufen. Doch das gehört dazu: Schließlich versuchen die Gläubigen, den Leidensweg Jesu nachzuempfinden, der am Karfreitag mit einer Dornenkrone unter dem Gespött der Leute sein Kreuz schleppen musste, an dem er später qualvoll starb.
Kurz nach sechs Uhr erreicht die Gruppe Bambergs höchste Erhebung mit der Altenburg. Auch wenn die Temperaturen im Vergleich zu den Vortagen recht mild sind, frieren die Zehen. Die Bittgänger scharen sich an der Kreuzigungsgruppe um den Erzbischof.
Beim Abstieg von der Festung über den Rinnersteig ist es plötzlich hell. Erstaunlich, wie schnell das gegangen ist. Nächstes Etappenziel bei bewölktem Himmel ist die Marienkapelle am Rothof, wo Schick die Fürbitten sprechen wird. Wieder geht es auf einen Hügel.
Der lehmige, rutschige Aufstieg bereitet vielen Schwierigkeiten. In den Fürbitten geht es auch um die aktuelle weltpolitische Lage: Der Erzbischof bittet den Allmächtigen um Hilfe gegen Krieg, Terror, Christenverfolgung, Hungersnöte. Um Hilfe für die weltweit 50 Millionen Flüchtlinge und die Gesellschaften, die sie aufnehmen sollen.
Für Menschen, die Verantwortung in der Welt tragen. Für die Bewahrung des Glaubens und der religiösen Erziehung. Für den Schutz der Umwelt und die Bewahrung der göttlichen Schöpfung. Für Bamberg und sein Umland.
Die letzte Etappe des Bittgangs führt bergab und endet am Missionskreuz gegenüber der Nervenklinik Sankt Getreu. Dort betet Schick zum Abschluss des Kreuzwegs erneut vor und lädt die Gläubigen zur Missionsandacht in die Sankt-Getreu-Kirche ein.
Die ganze Familie läuft mit
Donald Jahn geht schon seit zehn Jahren regelmäßig zum Karfreitagsbittgang und hat Frau und Kinder dabei. Er lebt mit seiner Familie in Gaustadt, wo er sich auch in der Kirchengemeinde engagiert. "Der Karfreitagsbittgang ist ein Opfer, das man einmal im Jahr bringen kann", sagt Jahn, der die fünf Monate alte Tochter Theresa im Kinderwagen quer durch das Berggebiet geschoben hat. Am anstrengendsten war es am Rothof, sagt er. Doch diese Mühsal nimmt der Familienvater gerne auf sich. "Es ist immer wieder eine Freude, diese Gemeinschaft zu erleben", sagt Jahn, der jetzt die sechsjährige Sophia auf den Schultern trägt.
Seine Frau Barbara Blecha pflichtet bei: "Es ist einfach eine Tradition. Und die Große ist jetzt in einem Alter, in dem man es ausprobieren kann." Sophia hat es gefallen. Jetzt freut sie sich auf das Frühstück bei der Oma.