Druckartikel: Beteiligte an hiesigen VW-Verfahren halten sich bedeckt

Beteiligte an hiesigen VW-Verfahren halten sich bedeckt


Autor: Stefan Fößel

Bamberg, Dienstag, 08. Mai 2018

Es gibt Kanzleien, die Tausende Klagen gegen VW betreuen. Doch dort antwortet man ebenso wenig auf unsere Anfrage wie in den beteiligten Autohäusern.
Julian Stratenschulte, dpa


Es sind eigentlich alles öffentliche Verfahren und doch dringt wenig davon an die Öffentlichkeit. Auch am Landgericht Bamberg, in dessen Zuständigkeitsbereich Stadt und Landkreis Bamberg sowie die Landkreise Forchheim und Haßberge fallen, geht es nahezu wöchentlich um den VW-Skandal. Das sieht man unter anderem an den Sitzungsaushängen der Gerichtssäle.

"Wir hatten hier ab Mai 2016 deutlich mehr als 100 Verfahren", sagt Landgerichtssprecher Nino Goldbeck. "Und es geht immer noch ordentlich was ein." Meist klagen Käufer gegen Autohäuser aus der Region, manche fordern eine Kaufpreisminderung, andere Schadensersatz, Neulieferung oder gar eine Rückabwicklung des Kaufvertrags. Eine von vielen umstrittenen Fragen ist auch, ob ein Software-Update als ausreichende Nachbesserung gilt. Die Zuständigkeit des Landgerichts beginnt bei einem Streitwert von 5000 Euro, darunter wäre das Amtsgericht zuständig - was aber bei dieser Thematik deutlich seltener vorkommt.

Gerade für die Richter bedeutet das laut Goldbeck "eine sehr komplexe Materie". Dicke Aktenbände mit sehr umfassenden Argumentationen würden da produziert. Obwohl bundesweit sehr viele Verfahren anhängig sind, gibt es keine höchstrichterlichen "Grundsatzurteile". "Jedes Verfahren wird für sich bewertet", sagt der Landgerichtssprecher. Freilich hätten die Richter auch die Rechtsprechung anderer Gerichte im Blick, "dafür sorgen schon die beteiligten Anwälte". Beim Landgericht gibt es zwar keine Statistik, wie viele der Klagen erfolgreich waren. In der Mehrzahl der Fälle, die Goldbeck bekannt sind, war dies jedoch nicht der Fall.

Die an den Verfahren Beteiligten zeigen sich der Presse gegenüber wenig auskunftsfreudig. Sechs Autohäuser aus der Region antworten auf unsere Anfragen entweder nicht, wollen nicht in diesem Zusammenhang zitiert werden oder verweisen an den Volkswagen-Konzern. "Insgesamt haben wir Kenntnis von circa 17.000 Einzelklagen in Deutschland", teilt VW-Pressesprecher Nicolai Laude auf unsere Anfrage mit. "Gerichte folgen mehrheitlich der Rechtsauffassung von Volkswagen: Aktuell liegen rund 3.000 Urteile vor. Der Anteil der klageabweisenden erstinstanzlichen Urteile ist seit mehreren Monaten stabil und liegt bei rund 70 Prozent. In allen zehn bisher vorliegenden Entscheidungen in der zweiten Instanz (das heißt Oberlandesgerichte) sind Klagen abgewiesen worden. " Die Erfolgsaussichten scheinen auch nicht ganz unabhängig vom Ort zu sein. So hatten zum Beispiel am Landgericht Braunschweig, das auch für den VW-Konzernstandort Wolfsburg zuständig ist, laut Informationen des Norddeutschen Rundfunks nur vier von 400 Klagen Erfolg.

Wenn VW den Klägern einen außergerichtlichen Vergleich anbietet, dann häufig im Zusammenhang mit einer Verschwiegenheitsverpflichtung. Der Berliner Tagesspiegel berichtet über den Fall von Anath Sieff. Der Berlinerin wollte VW ihren manipulierten Golf für 14.000 Euro wieder abkaufen - wenn sie selbst gegenüber Familienangehörigen darüber geschwiegen hätte. Das lehnte sie ab und gewann in erster Instanz vor dem Landgericht. Allerdings legte der Händler Berufung ein, das Verfahren geht weiter. VW-Sprecher Laude weist darauf hin, dass Volkswagen jeden Fall individuell bewerte: "In bestimmten Fällen, in denen dies sinnvoll erscheint, kommt es vor, dass sich Volkswagen mit dem jeweiligen Kunden auf eine Vergleichslösung einigt". Dass beide Parteien über die Details Stillschweigen bewahren, sei bei Vergleichen absolut üblich.

Und inwieweit unterstützt der VW-Konzern die Händler in den Zivilverfahren? "Vertragshändler sind rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen. Sie werden dementsprechend in ihren rechtlichen Auseinandersetzungen von ihren eigenen, selbst gewählten Rechtsberatern beraten und vertreten", teilt VW dazu mit. Man sei der Auffassung, dass es auch für Klagen gegen Händler keine Rechtsgrundlage gebe. "Daher unterstützen wir die Händler und ihre Rechtsberater bei der Verteidigung gegen solche Klagen und stehen ihnen insbesondere als Ansprechpartner zur Verfügung", erklärt Konzernsprecher Laude.

Eine Rechtsanwaltskanzlei aus dem Schwarzwald betreut auch einige der Bamberger Klagen, auf ihrer Homepage wirbt die Kanzlei: "Wir sind der Marktführer im VW Abgasskandal: Mit über 35.000 Geschädigten und mehr als 5.500 laufenden Klageverfahren vertreten wir die meisten Betroffenen." Ein Geschäftsführer bittet zunächst, ihm unsere Fragen (etwa, wie er diese Masse an Verfahren im gesamten Bundesgebiet bewältigen kann) schriftlich zukommen zu lassen. Leider bleiben trotz Nachfragen auch in diesem Fall die Antworten aus.