Druckartikel: Berliner Künstler stellt in Bamberg gleich zweimal aus

Berliner Künstler stellt in Bamberg gleich zweimal aus


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Dienstag, 30. August 2016

"Vice Versa" hat Jakob Mattner seine Arbeiten überschrieben, die im Kesselhaus und in der Galerie Kunst im Gang zu sehen sind.
Jakob Mattner erklärt im Halbdunkel des Kesselhauses seine "Helios-Negative".  Fotos: Barbara Herbst


Der Dämmerung eignet etwas Beruhigendes und Bedrohliches zugleich. Sagt man nicht von einer Person oder Sache, sie stehe im Dunkel oder ihr hafte etwas Zwielichtiges an? In Halbdunkel getaucht ist auch das Kesselhaus, aufwändig präpariert von Mitgliedern des Bamberger Kunstvereins. Der wollte zusammen mit der Villa Concordia den Arbeiten Jakob Mattners ein angemessenes Ambiente schaffen - nicht nur im Kesselhaus, sondern auch in der Galerie Kunst im Gang von Dietlinde Schunk-Assenmacher, dort allerdings im Tageslicht.


Genau kalkuliert

Gleich zweimal sind die Werke des 70-jährigen Berliner Künstlers also zurzeit in der Stadt präsent. Er selbst war es auch, 2012/13 als Stipendiat der Villa Concordia im Bereich bildende Kunst. Jakob Mattner studierte Bildhauerei; seine Künstlerbiografie umfasst eine Unmenge von Einzel- und Gruppenausstellungen.
Wie die Bamberger Doppelausstellung zeigt - man ist geneigt zu sagen widerspiegelt -, hat er sich als Lebensthema Licht und alle damit verbundenen Konnotationen gewählt. Das Wort "Spiel" in Verbindung mit der genau kalkulierten Wirkung seiner Kunst lehnt Mattner jedoch, zu Recht, ab. Denn nicht "verspielt" sind seine Lichtinstallationen, Gouachen und "entmaterialisierten Plastiken", sondern durchdacht, stets mit einem Konzept im Hintergrund, so auch einen bedeutenden Einfluss verarbeitend, den russischen revolutionären Konstruktivismus der 1920er Jahre.
So wie für die Lichtinstallation im Kesselhaus, für die er alubeschichtete Folien im Keller montierte, durch einen Ventilator in Bewegung versetzt, die so Lichtreflexe nach oben senden, ein Nachhall des Brenners, der durch eine mächtige Kohlenschütte befeuert wurde. Licht - Schatten - Dunkelheit - Sehen - Spiegeln - Beziehungen zwischen Organischem und Anorganischem, zwischen Kunst und Wissenschaft: So könnte man das Schaffen Mattners in etwa umgrenzen. Für die Serie "Der ferne Klang", in Bamberg vollständig zu sehen, hat er ganz frühe Datenträger, mit denen Musikautomaten gesteuert wurden, in Schellack auf Japan- oder Siampapier gemalt. Es ergeben sich darüber hinaus Assoziationen an Akustisches ("Der ferne Klang" heißt eine Oper Franz Schrekers von 1912), andererseits erinnern die Bilder an Fotos von Mondfinsternissen, von Planeten, die durch Trabanten teilweise verdeckt werden.


Netzhaut und Sonnenflecken

Zwei Gouachen thematisieren die Dialektik von Organischem und Anorganischem: "Retina" und "Sunspot" zeigen eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen Netzhaut-Verletzungen und Sonnenflecken - so wie "Der blinde Fleck" auf die Physiologie des Sehens verwies. Mit Astrophysikern am Potsdamer Leibniz-Institut tauschte Mattner sich aus - und sie erkannten eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen sichtbar gemachten Magnetfeldern und seinen "Zerrieselungsstrukturen". Glasskulpturen, von denen eine hoch an der Wand im Kesselhaus hängt, sind ein weiterer Schwerpunkt seines Œuvres. Rund 50 "Helios-Negative" - Helios war der Sonnengott der griechischen Mythologie - sind Hinterglasmalerei, in der Hell als Dunkel erscheint und umgekehrt.


Landschaftsbilder

Die "Spiegelungen" in der Galerie dagegen, Gouachen auf Japanpapier, sind keine Spiegelungen im geometrischen Sinn. Angeregt vom Blick aus dem Concordia-Atelier auf die schnell fließende Regnitz, schuf Mattner Schwarzweißbilder, die an Flussauen erinnern oder zerfranste Sinuskurven. Am Eingang des Kesselhauses hängt eine Zeichnung, mit der er zeigen will, "wie die Bilder die Kamera sehen", eine Rückkopplung, vice versa.

Vice Versa: Orte und Zeiten

Die Doppelausstellung "Vice Versa" von Jakob Mattner ist bis 2. Oktober zu sehen im Kunstraum Kesselhaus (Untere Sandstr. 42a), Titel "Lichtarbeiten", Fr. 15-18, Sa./So. 11-18 Uhr, und nach Vereinbarung (Telefon 0951/68171), und bis 18. September in der Galerie Kunst im Gang (Im Bauernfeld 18), Titel "Spiegelungen", Sa./So. 15-18 Uhr, und nach Vereinbarung (Telefon 0951/3918499)