Druckartikel: "Benachteiligung der Frauen ist Realität"

"Benachteiligung der Frauen ist Realität"


Autor: Michael Memmel

Bamberg, Mittwoch, 08. März 2017

Begegnen sich die Geschlechter im Jahr 2017 auf Augenhöhe? Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bamberg, Gabriele Kepic, ist skeptisch.
Gabriele Kepic ist Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bamberg. Foto: Stadt Bamberg


Von 1292 Beschäftigten und Beamten bei der Stadt Bamberg (ohne EBB) sind aktuell 667 weiblich und 625 männlich. Trotzdem oder gerade deshalb hat die 43-jährige Kepic jede Menge zu tun, wie sie im Interview zum Frauentag am 8. März erzählt.

Wie beurteilen Sie aktuell, die Position der Frauen in der Gesellschaft?
Gabriele Kepic: Ich denke, dass Frauen in den letzten Jahrzehnten viel erreicht haben: Sie besetzen Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft, sie sind als Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen oder Künstlerinnen erfolgreich. Und doch können wir noch lange nicht davon reden, dass Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen herrscht. Theoretisch stehen Frauen alle Möglichkeiten der persönlichen und beruflichen Selbstverwirklichung offen. Tatsächlich aber sind Frauen mehr oder weniger noch immer vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt. Das betrifft zum einen das Arbeitsleben, aber auch die traurige Tatsache, dass Gewalt gegenüber Frauen nach wie vor tägliche Realität ist.

Was beschäftigt Sie am meisten in Ihrer Rolle als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bamberg?
Als Gleichstellungsbeauftragte liegt mir die berufliche Gleichstellung von Männern und Frauen besonders am Herzen, denn Frauen haben im Arbeitsleben oft genug das Nachsehen gegenüber ihren männlichen Kollegen, wenn es um den nächsten Karriereschritt oder um die Besetzung von Spitzenpositionen geht. Dass Frauen nach wie vor schlechter bezahlt werden als Männer, gehört ebenfalls zu den großen Ungerechtigkeiten in unserer Arbeitswelt, weshalb wir uns aktiv an den Aktionen rund um den "Equal Pay Day" in Bamberg beteiligen. Innerhalb der Organisation Stadt Bamberg nehme ich meine Rolle als Querschnittsaufgabe wahr, die in sämtliche Bereiche der Verwaltung ausstrahlt. Konkret bringe ich mich unter anderem bei Personalauswahlverfahren, beim Thema "Frauen und Führung" ein oder stehe als Ansprechpartnerin für die Beschäftigten zur Verfügung.
Als weitere wichtige Aufgabe sehe ich die Bekämpfung von geschlechtsbezogener Gewalt an, die bezüglich der Situation von Frauen auf der Flucht vor Krieg oder Verfolgung nochmal eine größere Dimension bekommt. Insgesamt setze ich auf Öffentlichkeitsarbeit, um den Prozess, eine echte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu erreichen, weiter voranzutreiben.

Womit wäre den Frauen in Deutschland am meisten geholfen?
Die Voraussetzung für echte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern wäre eine gerechtere Verteilung von Berufs- und Familienpflichten. Ziel muss es sein, dass Frauen alle Möglichkeiten offenstehen, die unsere Gesellschaft zu bieten hat, und dass sie - wie auch die Männer - all ihre Pläne verwirklichen können. Und dazu gehören für die meisten sowohl Beruf wie Familie beziehungsweise Kinder. Deshalb brauchen wir nach wie vor größeres Verständnis für die Belange junger Frauen und junger Eltern. Angefangen von mehr und flexibleren Betreuungsangeboten für Kinder bis zu Möglichkeiten, Arbeitszeit ohne zu große finanzielle und Karriereverluste zu reduzieren.
Daneben verdienen Frauen Gleichberechtigung und Respekt in jeder Beziehung. Dies gilt insbesondere auch in der Partnerschaft. Die "Häusliche Gewalt" muss weiter aus der "Tabu-Ecke" geholt werden nach dem Motto "Hinschauen nicht wegschauen!".

Was wünschen Sie sich privat am Weltfrauentag?
Ganz persönlich ist es mir weniger wichtig, anlässlich des Internationalen Frauentages eine Blume überreicht zu bekommen. Vielmehr sollte der Tag eine Plattform eröffnen, um die volle Verwirklichung der im Grundgesetz garantierten Gleichberechtigung einzufordern. Die Themen, die der 8. März in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt, sind nicht "nur" Frauenfragen. Die Forderungen, die Frauen aufstellen, sind zentral für unsere Gesellschaft und für unsere Zukunft. Das sollte in den Köpfen aller Menschen ankommen!

Die Fragen stellte Michael Memmel