Bekommt Bamberg einen "Bypass"?
Autor: Michael Wehner
Lichteneiche, Mittwoch, 15. August 2012
Monatelang wurde in Bamberg um "Monstermauern " und andere schmerzhafte Folgen des ab 2017 geplanten Bahnausbaus gestritten. Jetzt erfährt die Debatte eine überraschende Wende: Die Bahn hält eine Ostumfahrung der Stadt für möglich und lässt die Alternative untersuchen.
Später Nachmittag im technischen Rathaus in der Unteren Sandstraße: Michael Ilk lehnt locker am Schreibtisch. Was er gerade erfahren hat, könnte den Streit um ein Großprojekt, das Bamberg seit über einem Jahr in Atem hält, in eine neue Richtung lenken. "Das klingt schon verführerisch", lautet der spontane Kommentar des Baureferenten.
Es war Reiner Gubitz, der die Botschaft überbrachte. "Eine Hürde ist genommen", sagt der für den Ausbau der Bahnstrecke in Bamberg zuständige Planer - eine ganz entscheidende, muss man hinzufügen: Die Ostumfahrung Bambergs entlang der Autobahn war bislang eher als unrealistische Möglichkeit betrachtet worden.
Zwei Monate lang haben Experten untersucht, ob die vielfältigen Funktionen des Bahnhofs Bamberg auch dann aufrecht erhalten werden können, wenn es eine Neubaustrecke gibt, die Bamberg umfährt. Das Ergebnis hat auch Gubitz überrascht. Es sagt, dass die komplexen Beziehungen von 250 Güterzügen und mehreren Dutzend Personenzügen am Tag nicht zwingend an einen viergleisigen Streckenausbau durch die Innenstadt von Bamberg gebunden sind.
Welche Hindernisse gibt es?
Als Folge dieser Erkenntnis wird die Bahn eine so genannte Raumwiderstandsstudie in Auftrag geben. Damit will man prüfen, auf welche Hindernisse eine Ostumfahrung stoßen könnte. Es könnten viele sein: Hier geht es nicht nur um die technische Machbarkeit und die Kosten eines solchen Projekts. Es sind vor allem die Zwangspunkte, die bei der Ostumfahrung eine entscheidende Rolle spielen: Die Frage, etwa, wie mit dem Bannwald umzugehen ist, dem Nadelöhr zwischen Kramersfeld und Lichteneiche und natürlich auch mit dem Flugplatz Bamberg.
Auf den ersten Blick scheint die Alternativstrecke manchen Vorteil zu bieten: Sie würde Bamberg vor einem Ausbau bewahren, den einige schon als Anfang vom Ende des Welterbetitels bezeichnet haben. Vor allem die Bedrohung durch meterhohe Mauern und die befürchtete Teilung Bambergs wären vom Tisch.
Über die Verluste an Landschaft und Lebensqualität, die eine Umgehung fordern würde, kann zum derzeitigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Zwar wird der Hauptsmoorwald schon heute durch die Autobahn zerschnitten, doch der Neubau einer zweigleisigen Bahntrasse verlangt zwingend die Rodung einer 30 Meter breiten Schneise - in einem Bannwald. Nicht nur der Staatsforstbetrieb, auch die Naturschutzverbände dürften wenig erfreut sein, wenn der Hauptsmoorwald weiter an Substanz verliert.
Auf eine ganze Reihe von Schwierigkeiten stößt die Trassenführung im Norden des Verdichtungsraums. Dort wäre sie bei oberirdischer Lage zwingend auf einen wenige Meter breiten Korridor zwischen dem Autobahnkreuz und dem Bamberger Stadtteil Kramersfeld angewiesen. Auch die ersten Häuser des Memmelsdorfer Gemeindeteils Lichteneiche lägen nur einen Steinwurf weit entfernt. Möglicherweise könnte ein Tunnel helfen. . .
So viel steht heute schon fest: Noch vor der Bekanntgabe erster Ergebnisse wird der Plan B die Debatte in Bamberg verändern. Hauptgrund: Käme es zur Ostumfahrung, wäre die Aussicht auf schnellen Lärmschutz, wie ihn viele Anwohner in der Stadt seit Jahren erfolglos fordern, hinfällig. Denn nur bei einer Ausbaustrecke ist der Bauherr verpflichtet, Lärmschutz herzustellen.
Andererseits würden sich die Verkehrsströme deutlich verlagern. Wie die Prüfung der Bahn ergeben hat, werden bei einer Teilung der Strecke nur diejenigen Güterzüge künftig noch durch Bamberg fahren, die Richtung Schweinfurt unterwegs sind oder hier halten - etwa ein Drittel. Zwei Drittel der Züge würden vor den Toren der Stadt auf die Umleitungsstrecke geführt. Die Masse der Verkehrs würde Bamberg damit in weitem Abstand passieren und könnte - auch dies ein Nebeneffekt - sogar schneller fahren als in der Stadt.
Glaubt man der Bahn, ist der ICE-Halt in Bamberg durch diese Überlegungen nicht bedroht. Er soll weiterhin in Bamberg halten, abhängig vom Fahrgastaufkommen. Ob der der Hochgeschwindigkeitszug auf seinem Weg von Berlin nach München hier hält oder nicht, sei eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung, lässt die DB Netz verlauten. Nur bei ausreichender Kundenfrequenz, danach sieht es im Moment allerdings aus, werde der ICE dauerhaft in Bamberg halten.
Der größte Nachteil der Umfahrung: Durch die Entlastung der Innenstadt steigt in gleichem Maße die Belastung der Menschen in Lichteneiche, Kramers-feld und Gundelsheim, die heute schon unter Lärm von Autobahn und Flugplatz leiden. Sie könnten sie sich allerdings auf Lärmschutz freuen. Denn der Neubau einer Bahntrasse hätte für sie die gleichen Folgen wie die Ausbauplanung in Bamberg: Der Gesetzgeber verpflichtet den Bauherren dazu, die Höchstgrenzen bei den Lärmimmissionen einzuhalten.
Wie viel ein solches Projekt kosten würde, weiß im Moment kein Mensch. Reiner Gubitz geht aus seiner Erfahrung als Planer davon aus, dass sich die Kosten bei beiden Varianten in etwa die Waage halten. Bisher wurden stets Summen von deutlich über 300 Millionen Euro für den Bahnausbau genannt. Deutlich teuerer wäre nach Einschätzung der Verantwortlichen eine Untertunnelung der Stadt. Aus diesem Grund lehnt der DB-Konzern eine Tunnelstudie kategorisch ab.
OB Starke ist skeptisch
Bahnplaner Gubitz schätzt, dass die Ergebnisse der Raumwiderstandsstudie Anfang 2013 vorliegen. Dann wird sich wohl auch der Stadtrat überlegen müssen, welche Variante er bevorzugt. Bisher war es vor allem Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD), der einer Ostumfahrung skeptisch gegenüberstand: "Die Gleise im Bamberger Osten könnten Überlegungen erleichtern, den ICE-Halt in Bamberg aufzulösen, wenn die Bahn dies will", fürchtet der OB.
Gesundheit über dem Welterbe
Betroffen wären von einer Umleitungsstrecke auch die Bewohner in Bamberg-Süd, die seit Jahren für einen angemessenen Lärmschutz kämpfen. Darauf könnten sie dann nicht mehr pochen. Allerdings würden sie von sinkendem Zugaufkommen profitieren. Hans Beck, Streiter für Lärmschutz in der Gereuth, will freilich auch für den Fall einer Umleitungsstrecke nicht auf Schutzwände in Bamberg-Süd verzichten. Über den Verlauf der Diskussion in Bamberg ist er nicht glücklich. Der Initiative Bahnsinn wirft er vor, die Folgen des Zuglärms zu verharmlosen: "Man sollte das Welterbe nicht über die Gesundheit der Menschen stellen."
Auch in Kramersfeld stoßen die neuen Trassenpläne auf Ablehnung: "Unser Stadtteil ist durch Flugplatz und Autobahn heute schon mehr belastet als andere. Zu einer Verschlechterung sagen wir nein", erklärt der Vorsitzende des Bürgervereins Hans-Jürgen Bengel.