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Baumwipfelpfad bei Ebrach: ein unvergleichliches Erlebnis


Autor: Anette Schreiber

Ebrach, Mittwoch, 11. November 2015

Zwar wird die Einrichtung erst im März eröffnet, Unvergleichliches erlebte jedoch eine Promi-Besucher-Gruppe schon jetzt.
Blick von schräg oben in den kelchförmigen Aussichtsturm am Ebracher Baumwipfelpfad. Foto: Matthias Hoch


Das Grauen verbindet. Stephan Thierfelder wird schon übel, wenn er vom Sofa aus im Fernsehen Menschen in luftiger Höhe beobachten muss. Einen Sprungturm im Schwimmbad kennt er nur vom Ansehen und der Hochsitz zur Jagd ist das Höchste, was er freiwillig erklimmt. Wir verstehen uns. "Da geh' ich nie hoch", steht für mich fest, seit den ersten Überlegungen zu einem Baumwipfelpfad. Nun steht der Pfad, soll im März eröffnet werden. Pfad-Leiterin Miriam Langenbucher hat ein illustres Grüppchen zur Erstbegehung eingeladen.

Da geh' ich nicht hoch! Der einen Kilometer lange Pfad in über zehn Metern Höhe, der Aussichtsturm in der Mitte mit 40 (!) Metern - unmöglich!

Thierfelder ist Regionaler Projektleiter der Bayerischen Forstverwaltung und damit zuständig für das Nachhaltigkeitszentrum, im Handthal. Das soll ein Tandem mit dem Pfad bilden. So musste er sich von Berufs wegen überwinden und hat bereits ein paar Pfade "bezwungen". Im Nationalpark Bayerischer Wald etwa. Aber nur mit zwei Pausen und weil seine Frau ihn motivierte. "Solange ich Bäume neben mir habe geht's, mit dem Fotografieren lenke ich mich ab."

Thierfelder ist gespannt, wie's hier für ihn wird, wo der Pfad an der Außenseite des Turms entlang führt. 2012 waren die Projekt-Partner per Hubsteiger auf 40 Meter hoch gehievt worden, um einen Eindruck der Wirkung zu vermitteln. Der Termin war mir erspart geblieben. Jetzt sollte es doch genügen, einen Fotografen mit Foto und Videokamera hoch zu bitten und das Ganze selbst sicher vom Boden aus zu beobachten. Zwei unserer Fotografen sagten ab: Höhenangst. Matthias Hoch freut sich drauf. Aber ich, ich geh' da nicht hoch!

"Wir warten am Eingang", teilt der Fotograf mit. Treffpunkt verlegt also. Thierfelder und ich sputen uns. Den Anschluss nicht verpassen. Pfadleiterin Langenbucher, Landrat Johann Kalb und diverse Bürgermeister und weitere Prominenz stehen bereits droben auf den Holzplanken. Und jetzt? Thierfelder hat keine Probleme, nimmt seine Nikon in Betrieb.


Einen Punkt fixieren

Mist. Ein paar Meter gehen schon. Nur nicht nach unten sehen. Tief schnaufen. "Einen fernen Punkt am Horizont fixieren", hat Thierfelder empfohlen verraten. Kein Punkt, nur Horizont, wurscht: dunkle, kahle Bäume, gerahmt vom hölzernen Geländer. Zum Glück mit Stahlgitternetzen dran, wenn auch vorerst nur mit Kabelbindern.
Da geh' ich nicht hoch! Jetzt zurück? Eher nicht, die Rücken vor mir geben Sicherheit. Die besonderen Lernplattformen interessieren mich gerade nicht, zumal noch weite Löcher klaffen. Den begeistert drauf los plaudernden Pulk um mich herum zieht's zum Turm.



Da geh' ich nicht hoch! Ein bisschen vielleicht. Oh Gott, keine Bäume mehr neben mir. Thierfelder entflohen. "Einen Bonbon gegen Höhenangst?" Der Ebracher Verwaltungschef erkennt die Lage. Walter Hanslok lenkt mich mit einer Geschichte ab. Die letzten drei der neun Windungen nach oben. Ich dürfe mich ruhig einhängen. Wie hoch wir jetzt wohl sind. "Über 30 Meter." Huch. "Auf den letzten zwei Etagen merkt man deutlich, dass da nix ist, dass man überhängt, erklärt Miriam Langenbucher der Prominenz. Überhängen? Nein danke! 30 Höhenmeter Überwindung müssen genügen. Tschüss Thierfelder.

Ich seile mich sachte ab. "Ist nichts für jeden", fühlen die Arbeiter mit, als ich als Erste wieder die Plattform auf etwa 16 Metern erreicht habe. "Neun mal geht's rum", klärt mich Thomas Sänger auf. Mit seinem Kollegen verbaut er 3,5 Kilometer Stahlseil und Netz. Beruhigend. Die neunte Windung hat die Gruppen nun wohl genommen: Jubel total tönt in den Schlund des Kelchs hinunter. "Ach ist das geil!" Unseren Fotografen hat's gepackt.

Derweil aklimatisiere ich mich auf 16 Metern. Werde entspannter, wage erstmals den direkten Blick in den Wald. Eintauchen, Lauschen. Eine innigliche Begegnung. Still ist es. Schön. Direkt. Etwas ganz Besonderes. Die Höhe nicht mehr so bedrohlich. Ja, ich kann in den allgemeinen Jubel der Erstbesteiger einstimmen. Auch wenn ich nicht ganz droben war. "Aber bei der Eröffnung", spornt ein überglücklicher Thierfelder an.