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Bankräuber von Burgwindheim: Ein Leben mit Narben


Autor: Anna Lienhardt

Burgwindheim, Dienstag, 03. Juni 2014

Wegen eines Rechtsfehlers war es im Verfahren gegen einen 24-Jährigen zur Revision gekommen. Nun wurde er erneut verurteilt. Der Bankräuber wird mit den auf seiner Flucht erlittenen Verletzungen sein Leben lang zu kämpfen haben.
Viel mehr als ein zerquetscher Metallhaufen blieb vom Renault Twingo nach der Fluchtfahrt des Mannes nicht übrig. Foto: Andreas Dorsch/Archiv


Es ist die Geschichte eines Straftäters, der seit seinem 17. Lebensjahr wegen etlicher Diebstahlsdelikte fast durchgehend im Gefängnis saß. "Er hat seine Jugend in der Haft verbracht", sagte Vorsitzender Richter Uwe Bauer.

Es ist auch die Geschichte eines jungen Mannes, der selbst nach dem Absitzen seiner Strafe noch gefangen sein wird - gefangen in einem schwer verunstalteten Körper. 70 Prozent verbrannte Hautoberfläche, 47 Prozent sind Verbrennungen dritten Grades, der Rest zweiten Grades. 100 Prozent Behinderung.

Der junge Mann ist gerade einmal 24. Anhand seines Äußeren ist das Alter nicht zu schätzen, denn Gesichtszüge sind keine zu erkennen. Florian N. (Name von der Redaktion geändert) ist von Brandnarben gezeichnet. Die müssen aufwendig versorgt werden, auch in Haft, auch in den nächsten vier Jahren und neun Monaten. Für diesen Zeitraum muss der Bamberger hinter Gitter, wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Diebstahl, Urkundenfälschung und vorsätzlicher Gefährdung im Straßenverkehr.

Eine Tat, eine Strafe

Bereits im August 2013 war der junge Mann vom Bamberger Landgericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, dieses erste Urteil wurde jedoch aus rechtlichen Gründen vom Bundesgerichtshof aufgehoben. "Die Feststellung zur Tat wurde nicht beanstandet, die rechtliche Beurteilung allerdings schon", erklärte Staatsanwalt Thomas Förster. Letztendlich sei es um die Formulierung gegangen: Es handle sich nicht um drei verschiedene Straftaten und eine dafür verhängte Gesamtfreiheitsstrafe. "Das Ganze muss als eine Tat gesehen werden und dafür erhält der Täter eine Strafe", erläuterte Förster.

Dementsprechend sprach die Erste Strafkammer das neue Urteil im Sinne des Bundesgerichtshofes. Ein Urteil, das deutlich höher hätte ausfallen können, nämlich bis zu knapp zehn Jahren, wie Richter Bauer in der Urteilsbegründung erklärte. Doch man habe die Folgen der Verbrennungen berücksichtigt, mit denen der Täter den Rest seines Lebens klar kommen muss. Oder, wie es dessen Verteidiger Andreas Schwarzer formulierte: "Der Angeklagte wurde bereits mehr bestraft, als ihn das Gefängnis je bestrafen kann."

Bestraft damit, dass nicht nur 70 Prozent seiner Körperoberfläche verbrannt sind, sondern auch die Wirbelsäule gerichtet werden musste, Finger "eingesteift" wurden und der junge Mann voraussichtlich in den kommenden fünf Jahren relativ häufig operiert werden müsse. Das führte Sachverständiger Doktor Reiner Sievers aus, der Arzt für plastisch rekonstruktive Chirurgie ist. Doch was war passiert, dass Florian N. zu einem Patienten von Sievers wurde, der sich um dessen Verbrennungen kümmerte?

Fluchtauto ging in Flammen auf

Die Verletzungen hatte sich der junge Täter auf seiner Flucht vor der Polizei zugezogen: Am 31. August 2013, einen Tag nach seiner Entlassung aus der Jugendhaft, überfiel er die Raiffeisenbank in Burgwindheim (Landkreis Bamberg). Mit schwarzer Strumpfmaske und täuschend echt aussehender "Softair"-Pistole forderte er von den Bankangestellten Bargeld.

Weil er nervös wurde und nicht auf den Aufschluss weiterer Geldfächer warten wollte, flüchtete er mit nur 800 Euro in seinem Auto, einem Renault "Twingo", das er am Tag zuvor noch gekauft hatte. Für die Tat hatte er den Kleinwagen mit gestohlenen Kennzeichen ausgestattet. Auf der Flucht vor der Polizei raste der junge Täter nach einer Verfolgungsjagd schließlich mit über 100 Stundenkilometern in eine Baustelle auf der Bundesstraße 505, erlaubt waren gerade einmal 30. Er krachte mit einem Sattelzug zusammen, wobei der Tank des "Twingo" aufgerissen wurde und sich das Benzin entzündete, weil das Metall über die Fahrbahn schrammte und sich Funken bildeten.

Im Auto in den Flammen gefangen: Der junge Bankräuber. "Es ist nicht selbstverständlich, dass er das überlebt hat", sagte der Sachverständige Reiner Sievers. Er gab einen Einblick, wie das Leben mit Narben für den 24-jährigen Bamberger nun aussieht. Unzählige Operationen, häufige Krankengymnastik, Ergotherapie, Einschränkungen der Beweglichkeit und Schmerzen, sobald die Pflege der verbrannten Narben auch nur kurzzeitig vernachlässigt wird.

Die Narben müssten sorgfältig behandelt werden, könnten aber trotzdem immer wieder aufreißen, wie Sievers erläuterte. "Er bleibt den Rest seines Lebens in diesem Narbenkörper gefangen." In einem Bescheid des Versorgungsamtes der Regierung von Oberbayern, das der Verteidiger von Florian N. dem Gericht vorlegte, stand es schwarz auf weiß: 100 Prozent behindert.

Richter: "Straftat würdigen"

Dennoch: "Wir müssen die Straftat würdigen, die kann man nicht einfach vergessen", sagte Richter Bauer. Florian N. sei kein unbeschriebenes Blatt, immer wieder durch Diebstähle aufgefallen. "Als er aus dem Gefängnis kam, hat er nicht etwa eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz gesucht. Sondern sich ein Auto besorgt und eine Bank überfallen. Er war nicht auf dem Weg zur Besserung, sondern zu einer neuen Straftat."