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Bambergs Straßenbahn: Runter vom Abstellgleis!


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Donnerstag, 13. August 2015

Nur 25 Jahre lang fuhr Bambergs Straßenbahn. Vergessen ist sie aber nicht, wie nun auch Gerd Müller im Netz mit seiner Homepage belegt. Zahllose Bilder, historische Fakten und Skurrilitäten sammelte er, um ein faszinierendes Geschichtskapitel aufleben zu lassen. Anbei auch Videos zur Tram.
Bambergs Straßenbahn auf einer Aufnahme, die zum Katholikentag 1921 am Grünen Markt entstand. Foto: Archiv


"Tempo" brachte die Eisenbahn ins Leben der Franken. Mit einer berauschenden Geschwindigkeit von 28 km/h (!) schnaufte der "Adler" als erste Lokomotive 1835 von Nürnberg nach Fürth. Gezählt waren die Tage der Postkutsche (ca. 10 km/h), nachdem Dampfrösser die Pferde zu ersetzen begannen. Es dauerte aber noch eine Weile, bis in den Städten im Zuge dessen moderne Zeiten anbrachen. Nach Nürnberg, Würzburg und Schweinfurt bekam Bamberg 1897 eine Straßenbahn. Womit eine kurze, aber legendäre Episode der Stadtgeschichte begann, die ein historisch interessierter Franke wieder aufleben lässt: Gerd Müller, der unter www.strassenbahn-bamberg.de Fotos, Ansichtskarten, Fahrscheine, Dokumente und sogar Videos präsentiert.


Großvater arbeitete als Heizer

Was verbindet einen gebürtigen Lichtenfelser mit der Bamberger Tram, die 1922 schon aufs Abstellgleis kam - nach nur 25 Jahren? "Alles begann mit den Dampflokomotiven, die ich als Bub auf dem Bahnhofsgelände wieder und wieder bestaunte", erinnert sich Müller. Zumal sein Großvater noch als Oberlokomotivheizer arbeitete und Kohlen schaufelte, um den Loks im wahrsten Sinne des Wortes Dampf zu machen. Nein, Eisenbahner wurde der Wahlbamberger nicht, wie alle wissen, die ihn noch als Verwaltungsleiter der Bamberger Volkshochschule kennen lernten. "Aber ich bewahrte mir meine historischen Interessen und Vorlieben für Schienen-Fahrzeuge." Als Müller vor einigen Jahren alte Ansichtskarten zur Bamberger Straßenbahn in die Hand fielen, wollte er somit "mehr über Geschichte und Gschichtla wissen, die sich damit verbanden".



Kutsche auf Gleisen

Wie fortschrittlich war Bambergs elektrische Straßenbahn schon im Vergleich zur ersten Tram der Welt, die ab 1832 durch New York fuhr: eine bessere Kutsche auf Gleisen, von Pferden gezogen. "In Bamberg gab es daraufhin Überlegungen mit dem Ziel, einen von vier Pferden gezogenen Omnibus für den Personennahverkehr einzurichten", so Müller. Indes zerschlug sich das Projekt. Stattdessen wurde am 1. November 1897 unter reger Anteilnahme des Volkes der Betrieb der "Elektrischen" aufgenommen. Dabei hatte es im Vorfeld durchaus Widerstand gegeben. "Man musste an Fassaden Oberleitungen anbringen und Schienen durch schmale Straßen verlegen, weswegen in der Hauptwachstraße Häuser abgerissen wurden." Geschäftsleute liefen wegen "Geschäftsschädigung" beim zuständigen Münchner Ministerium Sturm. Nur war der Fortschritt nicht aufzuhalten. Nachdem alle Weichen gestellt waren, wurden sämtliche Schienen zügig auf einem rund neun Kilometer langen Streckennetz innerhalb von nur sieben Wochen verlegt.

Drei Linien verkehrten Müller zufolge fortan im Zehn-Minuten-Takt. "Linie 1 führte vom Bahnhof über den Grünen Markt, die Obere Brücke und Sandstraße bis zur Einmündung Maienbrunnen an der Schweinfurter Straße und zurück." Eine weitere Linie bediente den Theresienhain, um dann über den Grünen Markt und die Siechenstraße bis zum Friedhof an der Hallstadter Straße zu gelangen. Auch gab's die Möglichkeit, vom Kaulberg aus durch das Brückenrathaus am Grünen Markt vorbei zum Bahnhof zu gelangen, weiter zum Pfisterberg und zur Pödeldorfer Straße Richtung Infanteriekaserne. "Dabei war die erhebliche Steigung des Unteren Kaulbergs für einen Straßenbahnwagen der damaligen Zeit eine wahre Herausforderung - besonders in den Wintermonaten", so Müller. Auch wegen der Engstelle am Pfahlplätzchen fürchteten viele Bamberger um die Verkehrssicherheit. "Unfälle sind aber nicht überliefert."



Keine Fahrpreiserhöhungen

Für 10 Pfennige fuhr man damals mit der Straßenbahn durch Bamberg. Zu einer Zeit, als der Liter Milch um die 20 Pfennig kostete und ein Chemiearbeiter im Monat um die 120 Mark nach Hause brachte. "Für unglaubliche 20 Jahre blieb der Fahrpreis stabil", berichtet Müller. Wobei's für Schüler, Soldaten und städtische Beamte noch Ermäßigung gab. Dann kam nach Kriegsende die Inflation, die sich auch bei den Fahrpreisen bemerkbar machte, die bis Mai 1922 in neun Schritten auf 200 Pfennige verzwanzigfacht wurden.

Retten konnte man die Straßenbahn dennoch nicht, nachdem sie mehr und mehr Verluste einfuhr. Dabei war die Resonanz anfangs noch riesig: "1898 zählte man sage und schreibe 1.128.478 zahlende Fahrgäste." Nur sprangen mehr und mehr Bamberger anschließend wieder ab, sodass schon 1902 Linie 3 eingestellt wurde. Und zwei Jahrzehnte später der gesamte Betrieb - mit dem Vermerk "vorübergehend".


Fahrt mit Elektrokarren

Natürlich hagelte es erneut Proteste, wie schon zur Einführung der Straßenbahn. "So entschloss man sich, ab 1. Dezember 1924 nach langwierigen Verhandlungen einen Buslinienverkehr einzurichten", so Müller. Nach nur zwei Monaten kam diesmal das Aus. Was einige Bamberger nicht auf sich beruhen ließen, die eine bizarre neue Alternative entwickelten: "Franz Josef Metzer, der seinerzeit als ,Billiger Jakob' bekannt war, wollte die Leute fortan mittels eines offenen Elektrokarrens befördern." Vom Magistrat der Stadt wurde sein Wahnsinnsprojekt sogar probeweise genehmigt. "Woraufhin sich Metzner in Leipzig vier Elektrokarren mit Anhängern besorgte, auf denen bis zu zehn Personen Platz fanden. Und tatsächlich kutschierte er auf diese Weise an 22 Betriebstagen rund 20.000 Menschen umher - für ein ,Zehnerla'." Nur rentierten sich auch die bis nach Gaustadt pendelnden Elektrokarren nicht. "Letztendlich musste Metzner einen Minusbetrag von ca. 1000 Mark schlucken und gab auf."

Noch etliche andere Episoden recherchierte Gerd Müller mit Hilfe der Stadtwerke, des Stadtarchivs, des Staatsarchivs und der Staatsbibliothek. "Auch zu anderen bayerischen Straßenbahnen sammelte ich Material, um über den Tellerrand zu blicken." Aber lesen Sie lieber selbst auf Müllers Homepage!