Bambergs OB nahm das Kabinett in die Pflicht
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Dienstag, 09. August 2016
Die Innenstadt drohte im Verkehr zu ersticken. An den Schulen herrschte große Raumnot: Mit immensen Problemen befasste sich 1957 das Kabinett in Bamberg.
Da hatte man sie also alle mal in greifbarer Nähe, um die hohen Herren mit Sorgen und Nöten der Bamberger zu konfrontieren: Am 12. März 1957 versammelte sich im Rokokosaal des Alten Rathauses die gesamte Regierungsmannschaft des Freistaates - vom Landwirtschaftsminister mal abgesehen, der sich entschuldigt hatte. An der Regnitz tagte unter Ministerpräsident Wilhelm Hoegner das Bayerische Kabinett, dem Oberbürgermeister Luitpold Weegmann und Landrat Georg Hart eine ganze Liste bedeutender Zusagen abrangen - vom Straßenbau über die Weichenstellungen zur Ansiedlung neuer Industrie bis hin zur Unterstützung bei der Modernisierung und Erweiterung des Bamberger Hafens.
"Es kommt eh nix Gescheit's raus"
Was hatten Skeptiker vorab schon über die Kabinettssitzung gelästert: "Es kommt eh nix Gescheit's raus", unkten stadtbekannte Fatalisten. Aber nicht alle Bamberger waren damals schon derart politikverdrossen. So drängte sich das Wählervolk an jenem 12. März auf der Oberen Brücke, als die Minister ihren schwarzen Limousinen entstiegen und das Alte Rathaus betraten. Schon die Zufahrtsstraßen, auf denen sich die von München kommende Wagenkolonne Richtung Innenstadt bewegte, säumten zahllose Schaulustige. Es war ein anderes Bamberg, das das Kabinett besuchte: Eine Stadt, in der es noch keine Otto-Friedrich-Universität gab, keine "Sinfonie an der Regnitz", kein Klinikum, keine Fußgängerzone. Ein direkter Autobahnanschluss war in weiter Ferne, ebenso der Bau des Berliner, Münchner und Regensburger Rings. Altbürgermeister Max Reichelt erinnert sich noch gut an die Situation im Zeitalter der beginnenden Massenmobilisierung. "Von heute aus gesehen ist es unglaublich, welche Ausmaße die Verkehrsbelastung erreichte - nehmen wir nur den Bereich zwischen Hallstadter und Nürnberger Straße." Alle Bundesstraßen führten damals noch durch die Stadtmitte. Der FT orakelte: "Ohne großzügige Planungen geht Bamberg im Verkehr unter."
An den Schulen herrschten ebenfalls kaum mehr vorstellbare Verhältnisse. "In vielen Klassenzimmern drängten sich damals 50 oder gar 60 Kinder", berichtet Max Reichelt. Eine Folge des Flüchtlingszustroms, der Bamberg nach dem Krieg zeitweise bis zu 100 000 Einwohner beschert hatte. "Erst die Fertigstellung der Erlöserschule (1958), der Pestalozzi- und Trimbergschule (1959) brachten eine Entlastung."
118 Schulräume fehlten
Ähnlich die Situation im Landkreis, die Landrat Hart dem Kabinett vor Augen führte: 118 Schulräume fehlten - und nahezu die Hälfte der bestehenden Säle stammte noch aus der Zeit vor der Jahrhundertwende. Was Ministerpräsident Hoegner augenscheinlich überzeugte: "Hier muss geholfen werden", war sein Fazit, während Zusagen für die Stadt auch zum gewünschten Oberrealschulneubau (heute CG) parallel dazu ausblieben.Besonders lag Weegmann die wirtschaftliche Entwicklung Bambergs am Herzen. Viel zu eng gesteckt waren damals die Grenzen der Domstadt, in der die heutigen Gewerbegebiete im Wesentlichen noch Gärtnerland, Äcker und Felder waren. Wenigstens den Ulanenexerzierplatz (um die 22 Hektar), der sich damals im Besitz des Bundes befand, wollte sich die Stadt untern Nagel reißen und entsprechend entwickeln. Hoegner sicherte Weegmann in diesem Punkt ebenso seine Unterstützung zu wie beim Thema Umgehungsstraßen - und beim Hafenausbau, auf den man große Hoffnungen setzte.
"Viele Entwicklungen stieß die Sitzung des Kabinetts im Alten Rathaus an, ihre Umsetzung aber gelang mit einer gewissen Zeitverzögerung", meint Max Reichelt. Was die Verkehrssituation betrifft, so sollte die Ostumgehung Bambergs auf der Trasse der 505 ab 1964 eine gewisse Verbesserung bringen. Bis zum Bau des Berliner Rings vergingen jedoch noch drei weitere Jahre und bis zum ersehnten direkten Autobahnanschluss ganze 28 Jahre.
Demgegenüber ging der Ausbau des "Prinz-Ludwig-Hafens" zügig voran: 1962 - also exakt 50 Jahre nach den ersten Einweihungsfeierlichkeiten - wurde Bambergs neuen Staatshafen seiner Bestimmung übergeben. Er verfügte nun auch über einen Anschluss an die Großschiffahrtsstraße Rhein-Main-Donau.
Und die Erschließung neuer Gewerbegebiete, auf die Weegmann so gedrängt hatte? Entwicklungen gab's in gewissen Bereichen wie der Geisfelder und Nürnberger Straße, in deren Umfeld die Robert Bosch GmbH ab 1968 baute. Entscheidende Veränderungen aber ließen noch lange auf sich warten - über die Gebietsreform hinaus. Erst in den Achtzigerjahren gab's mehr Platz für Gewerbe und Industrie: im Norden (Äußere Kronacher Straße/ Fürstenwiesenweg), im Süden (Gutenbergstraße) und im Westen (Laubanger). Das aber erlebte Luitpold Weegmann nicht mehr, der schon 1966 starb - acht Jahre nachdem er aus seinem Amt als Oberbürgermeister ausgeschieden war.