Bambergs Liebesschlösser sehen alt aus
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 07. Juni 2013
Alte Liebe rostet nicht, weiß der Volksmund. Alte Liebesschlösser schon, zeigt sich an der Bamberger Kettenbrücke. Der Stadtrat ließ trotz beschleunigter Korrosionsprozesse Gnade vor Recht ergehen. Der Bolzenschneider tritt nicht in Aktion. Vorerst zumindest.
Als die Kettenbrücke noch im Bau befindlich war, da haben sich die Kosten beinahe stündlich vermehrt. Vielleicht ist das der Grund, weshalb man die Vermehrung der Liebesschlösser im Baubetrieb der Stadt umso argwöhnischer betrachtet.
Wie Baureferent Michael Ilk neulich im Stadtrat mitteilte, soll sogar der Versuch unternommen worden sein, die Unmenge der Liebesschlösser numerisch zu erfassen, die über der Regnitz in den Seilen hängen. Allerdings war das Unternehmen nicht von Erfolg gekrönt. Bei etwa 1000 der baumelnden Treueschwüre hat der städtische Zählbeamte entnervt aufgegeben.
Am Urteil der Experten über die Risiken und Nebenwirkung der neumodischen Beziehungssitte hätte die exakte Zahl aber ohnedies wenig geändert. Aus Sicht der Bauverwaltung schaden die Schlösser der teueren Brücke und hier besonders den Edelstahlseilen und den Pfostenprofilen.
Auch wenn es die vielen Verliebten, die auf der Brücke den Bund ewiger Treue schwören, in ihrer Verzückung vielleicht nicht so gerne hören: Wer an der Kettenbrücke nach zwei Wintern exakt hinsieht, erkennt den natürlichen Feind der Liebesschlösser. Es ist nicht die Stadtverwaltung. Es ist der Rost, man könnte auch Zahn der Zeit dazu sagen. Ein Naturgesetz, das in diesem Fall durch elektrochemische Korrosion noch beschleunigt wird. Denn wenn zwei Metalle aneinanderstoßen, löst sich das unedlere auf. Messing und Nickel beginnen im Eiltempo zu rosten, während die Edelstahlseile mit braunen Schlieren davonkommen.
Wenn es nur der Rost wäre! Auch der Lack scheint auf der Kettenbrücke schneller abzublättern als anderswo. "Oft werden die Schlösser oft mit Wucht an die Pfosten geschoben", klagt der Baureferent.
Was also tun? Wie kann man das Problem lösen, ohne den Schlössern mit dem Bolzenschneider auf die Bügel zu rücken und einen Aufstand der Liebespaare zu riskieren? Drei Wege zeigte der Baubetrieb auf: So könnte man den Korrosionsschutz am Brückenstahl sanieren - ein aufwändiger Prozess, bei dem die Seile gereinigt, die Geländerpfosten angeschliffen und neu lackiert werden müssten. Immerhin hat der Herstellerfirma bereits die Gewährleistung gekündigt. Zuvor müsste aber der Zierrat Stück für Stück ausgefädelt werden. Eine Strafarbeit, die bei 15 bis 20 Seilen auch nicht ganz billig wäre: 8700 Euro würde es kosten, die Brücke auf diese Weise wieder rostfrei zu bekommen. Schließlich: Auch Gummipuffer könnten dazu beitragen, den Konflikt zu entschärfen. Doch auch Anstoßhemmer haben ihre schwachen Seiten: "Sie sehen weder gut aus, noch sind sie leicht sauber zu halten", meinte der Baureferent.
Reinigen, Ausfädeln oder Gummipuffer? Es gibt noch eine vierte, salomonische Lösung für die Kettenbrücke: Abwarten, Tee trinken und die Lage am Fluss beobachten. Wörtlich sagte Ilk: "Wir schlagen Ihnen vor, nichts zu tun." Ein Jahr vor der Kommunalwahl ließ sich der Bausenat gerne auf diesen Kompromiss ein. Liebespaare haben also noch eine Gnadenfrist.
Peter Röckelein (CSU) war der einzige Stadtrat, der sich zu einer Bemerkung hinreißen ließ: " Die Brücke wird länger halten als viele Beziehungen, die sich hier verewigt haben. Das sind das keine schweren Schäden."
