Bambergerinnen zeigen Solidarität an den Nähmaschinen
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Dienstag, 31. März 2020
Mundschutz ist in aller Munde - die klassische OP-Maske wird zum gesundheitssichernden Alltagsaccessoire. Den steigenden Bedarf stillen ehrenamtliche Näherinnen, Initiativen und auch Firmen.
In Zeiten der Krise sind auch Nähkenntnisse gefragter denn je. In Stadt und Landkreis Bamberg werden an heimischen Nähmaschinen und in Firmen Schutzmasken im Akkord produziert. Es geht dabei vor allem um sogenannte Mund-Nasen-Schutz-Masken, die mehr dem Fremd- als dem Eigenschutz dienen. Aber wie es ein Leser unserer Zeitung kürzlich formuliert hat: "Wenn wir alle solche Masken aufhätten, wären wir Corona vielleicht schneller wieder los."
Zehn junge Frauen, die sonst auf 450-Euro-Basis im Nähzentrum Bamberg Stoffe, Nähmaschinen und -utensilien verkaufen, nähen in diesen Tagen ehrenamtlich 500 Atemschutzmasken für die Apotheke am Kranen. Dort werden diese auf Spendenbasis an Kunden verteilt. Alexander Holzschuh, der Inhaber des Nähzentrums in der Brennerstraße, hat den Näherinnen die Stoffe kostenlos zur Verfügung gestellt, die Masken fertigen diese dann zuhause. "Wir haben gute Stoffe aus Deutschland verwendet, die beim Waschen nicht eingehen und auch ihre Farbe nicht so schnell verlieren", sagt Eva-Maria Günthner, die zu den Initiatorinnen der "Wir nähen für Bamberg"-Aktion gehört. Aufgrund der Materialqualität und einer Arbeitszeit von zehn bis 20 Minuten pro Maske, sollten nach Möglichkeit "schon mindestens fünf Euro" gespendet werden. Vom eingenommenen Geld könnten dann neue Stoffe für weitere Masken gekauft werden.
"Das ist eine tolle Möglichkeit, den Menschen zu helfen - die Initiative ging von den Mädels aus", sagt Chef Holzschuh. Sein Unternehmen könne er aber nicht auf Maskenproduktion umstellen: "Wir haben leider keine Näherei, sondern sind ein Handelsbetrieb." Und der steckt wie viele andere derzeit in einer schwierigen Situation.
Auch an den Bamberger Berufsfachschulen Mariahilf entwickelten Lehrkräfte ein eigenes Schutzmasken-Modell. Dieses habe den Vorteil, "dass man in die innere Tasche eine Einlage geben kann, um einen zusätzlichen Schutz zu schaffen". In kurzer Zeit wurden dort 30 Masken genäht. Diese werden nun in der Strullendorfer Arztpraxis verkauft, der Reinerlös komme einer sozialen Einrichtung zu Gute. Und bei Facebook haben sich ganze Gruppen ("Behelfsmundbedeckung für Bamberg") gegründet, in denen vor allem Frauen anbieten, entsprechende Masken zu nähen, teils zum Unkostenpreis, teils gegen Spenden für einen guten Zweck. Viele fragen dort an, wo sie Mund-Nasen-Schutz für Praxen oder privaten Bedarf bekommen können.
Mittlerweile gibt es auch schon Unternehmen, die ihre komplette Produktion umgestellt haben. In der Not erfinderisch wurde zum Beispiel Matthias Ficker, dessen Unternehmen "Kaulberg" eigentlich für hochwertige Unterwäsche und Bademoden steht. Doch gerade als die neue Kollektion ausgeliefert war, mussten auch die zehn Kaulberg-Läden schließen. "Uns war klar, dass sich hier die nächsten Wochen und Monate nichts tut."
"Um die Firma zu retten"
Damit zumindest die in Seigendorf ansässige Näherei wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte, prüften Matthias Ficker und sein in der Firma mitarbeitender Sohn Amadeus Wozniak die Möglichkeit einer Produktionsumstellung auf Mundschutzmasken. "Ich musste so entscheiden, um die Firma zu retten." Durch eine langjährige Geschäftsverbindung konnte ein großer Posten Spezialstoff aus dem Krankenhaussektor gesichert werden, das hochresistente Material könne bei 95 Grad und mehr gewaschen werden. "Wir produzieren nun seit Donnerstag", sagt Ficker. Online verkauft Kaulberg zehn Stück für 89 Euro. "Es haben schon viele Praxen und auch Kliniken bei uns angefragt. Was diese Woche fertig wird, ist schon alles verkauft." Derzeit überlegt Ficker, eine weitere Produktionslinie in Nachtschicht einzuführen.
Auch Ele Langlouis wird ihre Produktion verdoppeln. Nachdem sie in der ersten Woche 200 Mund-Nasen-Schutzmasken genäht hatte, kam nun der Auftrag einer Gesundheitseinrichtung über 400 Stück herein. "Das läuft alles über Mundpropaganda", sagt Langlouis, die sonst auf Kunsthandwerkermärkten selbstgenähte Kinderkleidung anbietet. Aber ein Markt nach dem anderen wird derzeit abgesagt. "Von meinem Bruder, der Arzt ist, wusste ich, dass überall händeringend nach solchen Mundschutzen gesucht wird." Seitdem näht sie jeden Tag 50 Masken, an Abnehmern herrscht kein Mangel.