Bamberger Wohngruppe droht die Obdachlosigkeit
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Montag, 05. August 2013
Seit 2009 fanden junge Leute, die bei der Wohnungssuche leer ausgingen, über den Verein für Jugendhilfe mehr als ein Zuhause. Jetzt aber droht der Bamberger Wohngruppe die Obdachlosigkeit. Ohne neue Räumlichkeiten steht die Maßnahme Ende des Jahres vor dem Aus.
"Privatgrundstück - Betreten auf eigene Gefahr", steht an der Zimmertür von Marcel S. und Anthony H.: Der 20-Jährige leert gerade den Wäscheständer für die nächste Ladung aus der Waschmaschine. "Wir haben Streichhölzer gezogen, das ist das Ergebnis", erklärt Anthony mit breitem Grinsen. Einkaufen, Kochen, Abwaschen - gemeinsam erledigen die Jugendlichen alle alltäglichen Pflichten.
Fürs Putzen gibt's einen eigenen Wochenplan, der im Gang zwischen dem Bad und Chris' Zimmer hängt. Chris ist noch unterwegs und kommt erst abends in die Wohngruppe des Vereins für Jugendhilfe (VfJ) zurück, die für ihn, Marcel und Anthony zum Zuhause wurde: Ein Angebot für junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren, "die von Wohnungslosigkeit akut bedroht oder ohne feste Unterkunft sind", wie es im Konzept des VfJ heißt.
Hilfe auf dem Weg in ein eigenständiges Leben
Seit vier Jahren gibt es die Wohngruppe in der Luitpoldstraße 30 - gleich angrenzend an die Büroräume des Vereins für Jugendhilfe. Eine Pädagogin begleitet die WGler auf dem Weg in ein eigenständiges Leben. "Zwölf von 16 jungen Leuten, die unser Angebot im Lauf der Jahre nutzten, konnten nach neun Monaten eine eigene Wohnung beziehen", sagt Sigrid Dörner.
So setzten sich die Verantwortlichen das Ziel, ihren Schützlingen in dieser Zeitspanne die erforderliche Starthilfe zu geben: vom schulischen Bereich über lebenspraktische Fragen bis hin zur finanziellen und beruflichen Situation - in enger Zusammenarbeit mit dem Jobcenter. "Wie hätten sich alle wohl ohne unsere Maßnahme entwickelt? Wäre mancher vielleicht sogar straffällig geworden?", fragt sich die Vereinsvorsitzende gerade angesichts des Damoklesschwertes, das seit der Kündigung über dem Projekt schwebt.
Straffällig wäre Astrid S. sicher nicht geworden, die in der WG auf einen Kaffee vorbeischaut. Vielleicht hätte sie ohne Hilfe von Inga Kanaska, die die Wohngruppe leitet, bis heute aber keine feste Bleibe. Die Diplompädagogin empfängt die 22-Jährige. Wieder sitzen beide zusammen, wie so viele Male, als Astrid noch in der WG lebte. "Mit 17 bin ich von zu Hause aus- und mit meinem Exfreund zusammengezogen", berichtet die Auszubildende.
Jahre später die Trennung, nach der die junge Frau eine andere günstige Wohnung vergeblich suchte. "Bis ich die Wohngruppe fand, in der ich als chaotischer Mensch auch lernte, einen eigenen Haushalt zu führen", meint die Fränkin, die im kommenden Jahr als Fleischereifachverkäuferin übernommen wird.
Chancenlose Wohnungssuche
"Ja, man lernt hier, sein Leben zu organisieren", sagt Anthony, der sich zu Astrid setzte. Dabei wirkt der 20-Jährige, der 2014 sein Fachabitur macht, besonnener als viele Gleichaltrige. Über seine Familie möchte Anthony nicht sprechen, der mit sieben Jahren ins Heiligenstadter "Kinderhaus Seigelstein" kam und bis zu seiner Volljährigkeit in einer Bamberger Caritas-Jugendhilfe-Wohngruppe lebte. Danach fand der Fachoberschüler- wie Astrid - keine Wohnung und zog in die Luitpoldstraße 30. Jetzt kann er sich aufs Lernen konzentrieren. "Nach dem Fachabitur möchte ich ja noch das allgemeine Abitur machen, um mehr Studienmöglichkeiten zu haben."
Groß ist die Nachfrage nach Angeboten wie der Wohngruppe in der Luitpoldstraße. "Die angespannte Wohnungsmarktsituation macht sich gerade bei jungen Leuten bemerkbar", sagt Sigrid Dörner. Viele Bewerber musste der Verein in den vergangenen Jahren abweisen, der Bewohner auch nach strengen Kriterien auswählt: Von vornherein ausgeschlossen sind beispielsweise Jugendliche mit psychischen Erkrankungen, akuter Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.
Auch im Landkreis
Die Suche des Vereins nach neuen Räumlichkeiten beschränkt sich nicht aufs Stadtgebiet. In Frage käme auch ein Umzug in den Landkreis, sofern eine Bus- oder Bahnverbindung nach Bamberg besteht. Dennoch waren alle Bemühungen bislang vergeblich: "Wir brauchen ja mindestens drei Büroräume und mindestens vier WG-Zimmer neben Küche und Bad", sagt Sigrid Dörner.
So möchte die Vereinsvorsitzende die Kapazitäten bei der Gelegenheit auf fünf Bewohner ausweiten. "Vielleicht finden wir auch Räume in verschiedenen Objekten, nur sollten WG und Büro nicht allzu weit voneinander entfernt sein." Vermieter, die das Jugendhilfeprojekt unterstützen möchten, können sich beim Verein für Jugendhilfe unter der Nummer 0951/27984 melden, beziehungsweise unter der Mailadresse info@jugendhilfe-bamberg.de. "Unsere ganze Hoffnung richtet sich darauf. Schließlich möchten wir die WG nicht aufgeben, was die Alternative wäre."