Druckartikel: Bamberger Schauspieler ist Qualtingers "Herr Karl"

Bamberger Schauspieler ist Qualtingers "Herr Karl"


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Donnerstag, 10. April 2014

"Der Herr Karl" von Helmut Qualtinger und Carl Merz aus dem Jahr 1961 ist ein Klassiker des bösen Wiens der Sechziger. Der Bamberger Schauspieler Matthias Tuzar las den Monolog in der Buchhandlung Collibri.
Matthias Tuzar ("Herr Karl") Fotos: Rudolf Görtler


Die Kardinalfrage an diesem Mittwochabend war natürlich: Wie schafft es der spindeldürre Matthias Tuzar, in die Rolle des "Herrn Karl" zu schlüpfen, die doch für alle Zeiten mit dem beleibten Kabarett-Genie Helmut Qualtinger verknüpft bleibt?

Er schafft es bravourös. Dabei helfen dem 28-jährigen Schauspieler am E.T.A.-Hoffmann-Theater naturgemäß seine Herkunft aus Wien, sein Studium am Konservatorium dortselbst und die virtuose Beherrschung des Dialekt-Singsangs seiner Heimatstadt. Eingefädelt hatte die szenische Lesung des Klassikers von Helmut Qualtinger und Carl Merz aus dem Jahr 1961 ein Bamberger "Club Austria" mit dem Sprecher Wolfgang Grader. Und offenbar gruselt und freut zugleich nicht nur exilierte Österreicher der schmierige Herr Karl, der in seinem Monolog nicht nur sich selbst als Prototyp des Mitläufers entlarvt, sondern gleich den Opfermythos einer ganzen Nation.

Denn die Collibri-Buchhandlung war brechend voll, ganz außergewöhnlich für eine literarische Lesung, zumal eines doch recht bejahrten Stücks, das Leuten jünger als 50 kaum mehr etwas sagt.

Dabei ist die Mentalität dieser Kunstfigur immer aktuell, vom Autorenduo seinerzeit nur genial-bösartig den Österreichern hingerieben. Die glaubten damals, 25 Jahre nach Kriegsende, wohl selbst zu großen Teilen daran, dass sie die ersten Opfer des Nationalsozialismus waren. Vergessen die Jubelorgien 1938 auf dem Wiener Heldenplatz, verdrängt die widerliche Verfolgung der Juden.

Mieser kleiner Spießer

Auch der Herr Karl hat an dieser "Hetz" teilgenommen und wundert sich, dass der überlebende Herr Tennenbaum ihn nach dem Krieg nicht mehr grüßt. Bis 34 war Herr Karl Sozialist, dann lief er zu den Nazis über, war Blockwart, betrog, bereicherte und drückte sich und diente sich selbstverständlich Russen und Amerikanern an, bis er als Angestellter im Delikatessenladen landet und den Cognac seiner Chefin säuft. Ein mieser kleiner Spießer, ein autoritärer Charakter wie aus dem Soziologie-Lehrbuch - nach oben buckeln, nach unten treten. Dazu passt besonders sein Verhältnis zu den Frauen: lüstern und scheinheilig: "Frauen und auch Weiber haben mich enttäuscht mein Leben lang."

Tuzar hatte mit schief sitzender Krawatte, Hausmeisterkittel und wenigen Requisiten das Outfit seines Vorbilds gewählt. Ansonsten ist Qualtinger Qualtinger und Tuzar Tuzar, worauf Grader schon einleitend bestand. Schön wäre gewesen, wenn der Schauspieler den Text komplett memoriert hätte. Aber auch so spielte er den Wiener Sozialcharakter sehr überzeugend, wozu vor allem die herrliche Sprache beiträgt. Der Zuhörer konnte zum Schluss also keineswegs wie der Herr Karl sagen: "I wor a Opfer."