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Bamberger Rauschgiftexperten warnen vor Verharmlosung


Autor: Günter Flegel

Bamberg, Mittwoch, 17. Dezember 2014

Unser aktuelles Leserthema wird kontrovers diskutiert: Sollen manche Drogen legalisiert werden? Die Rauschgiftexperten der Staatsanwaltschaft in Bamberg warnen vor einer Verharmlosung von Suchtmitteln.
Christopher Rosenbusch (rechts) und Kriminalhauptkommissar Roland Zoeke von der Polizei in Bamberg stehen an einem Tisch mit in der Region beschlagnahmten Drogen-Utensilien. Foto: Matthias Hoch


Unsere Leser wollen mehr über die Drogen-Situation in Franken wissen. Bei der Abstimmung zum ersten Leser-Thema kletterte die Frage, ob Cannabis legalisiert werden sollte, auf den ersten Platz. Das Thema war ein Schwerpunkt in der Samstagsausgabe unserer Zeitung - zahlreiche Reaktionen zeigen, dass die Drogen-Problematik auch Franken beschäftigt; nicht zuletzt Polizei und Staatsanwaltschaft.

Christopher Rosenbusch ist der Leiter des Drogendezernates bei der Staatsanwaltschaft in Bamberg und warnt davor, durch eine "zu einseitige" Diskussion über eine mögliche Freigabe von Cannabis das Problem zu verharmlosen: "Jede Droge ist gefährlich", sagt der promovierte Jurist. Gerade Cannabis sei alles andere als harmlos; nicht nur, aber auch, weil der Wirkstoff in der Droge weitaus gefährlicher sei als etwa Alkohol und heute in sehr viel stärkerer Konzentration als früher auf den Markt komme.

Dazu muss man wissen: Cannabis ist ein Sammelbegriff für Rauschmittel, die aus Hanf gewonnen werden. Dazu gehören Marihuana und Haschisch. Entscheidend für die Wirkung der Droge ist der Gehalt an Tetrahydrocannabinol, kurz THC: Dieser Stoff wirkt auf das Nervensystem, erzeugt den Rauscheffekt und kann psychisch abhängig machen.

"Im Gegensatz zu Alkohol wird THC in den Fettzellen eingelagert und langsam wieder an den Kreislauf abgegeben. Die Wirkungen dauern mithin viel länger an als beim Alkohol und können sich bei erneutem Konsum aufsummieren", sagt Rosenbusch. Dies habe erhebliche Auswirkungen zum Beispiel auf die dauerhafte Fahrtüchtigkeit von Cannabiskonsumenten.

Nach den Beobachtungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft hat der Wirkstoffgehalt von Cannabisprodukten in den letzten Jahren stark zugenommen, sie sind somit noch gefährlicher geworden: War in den 1970er Jahren ein THC-Gehalt in Haschisch oder Marihuana von drei Prozent üblich, so sind laut Rosenbusch nunmehr in Fällen, die die Staatsanwaltschaft in Bamberg bearbeitet, Konzentrationen von bis zu 19 Prozent THC keine Seltenheit mehr.

Die Folgen sind zum Teil erheblich, wie unsere Zeitung am Samstag im Interview mit dem Leiter eines Drogen-Therapiezentrums dargestellt hatte: Cannabis-Konsum in jugendlichem Alter gilt als einer der Auslöser für schwere neurologische Erkrankungen in späteren Lebensphasen.


Intelligenzminderung von jugendlichen Konsumenten

Zu den dauerhaften Folgen des Cannabiskonsums gehört laut Rosenbusch eine Intelligenzminderung von jugendlichen Konsumenten von vier IQ-Punkten, die wissenschaftlich belegt sei. Zahlreiche Verhandlungen an fränkischen Gerichten spiegeln die Folgen des Drogenkonsums wider, sagt der Staatsanwalt. Gesundheitliche Schäden, finanzieller Ruin und zerrüttete Familien seien nicht selten Folgen des Drogenkonsums, die einer Unterscheidung in "weiche" und "harte" Drogen Hohn sprächen.

Der Konsum von Cannabis bringt, wie Rosenbusch erklärt, das "amotivationale Syndrom" mit sich, Antriebslosigkeit: "Regelmäßig berichten Angeklagte über das Schulversagen infolge des Konsums von Haschisch oder Marihuana, die fehlende Berufsausbildung und das soziale und kriminelle Abgleiten."

Zur Diskussion über die Freigabe des Umgangs mit Cannabisprodukten gehört für den Staatsanwalt zudem die Frage nach der Signalwirkung, wenn der Staat - wie es unter anderem der Deutsche Hanfverband fordert - über Fachgeschäfte oder Apotheken als Dealer auftreten soll. "Wenn der Hanfverband die möglichen Steuereinnahmen als Vorteil für den Staat nennt, verschleiert diese Lobby-Vereinigung ... handfeste eigene Profitinteressen auf Kosten der Gesundheit gerade junger Menschen", sagt Rosenbusch.

Ins Reich der Mythen und Legenden verweist der Staatsanwalt die immer wieder zu hörenden Behauptungen, in vielen Ländern sei der legale Erwerb von Cannabis längst möglich, Deutschland hinke da hinterher. "Beispielsweise ist es keineswegs so, dass der Besitz von bis zu fünf Gramm Cannabisprodukten in den Niederlanden legal ist.


Eine Flut neuer Drogen

Der Besitz solcher Mengen wird lediglich bei Erwachsenen nicht verfolgt. Jugendliche müssen auch bei einem Besitz von weniger Rauschgift mit einer Strafverfolgung rechnen."

"Gute Gründe" gibt es laut Rosenbusch dafür, "neue" ebenso wie "alte" Drogen mit einem Tabu zu belegen. Dabei allerdings tut sich die Justiz schwer, mit der Dynamik des Drogenmarktes Schritt zu halten. Der Staatsanwalt erklärt: "Allein im Jahr 2013 wurden 80 neue chemische Suchtmittel auf den Markt geworfen!"

Bevor der Gesetzgeber den Umgang mit diesen Stoffen verbieten könne, müssten sie durch chemisch-toxikologische Untersuchungen identifiziert und "gerichtsfest" gemacht werden. Das betreffe etwa Kräutermischungen und Badesalze ("Legal Highs"). "Tatsächlich fallen viele dieser Suchtstoffe bereits unter die Verbote des Betäubungsmittelgesetzes." Viele, sagt er, aber nicht alle; was sie aber um keinen Deut harmloser mache.