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Bamberger Neonazi-Prozess: Verteidiger fordert Freispruch


Autor: Stefan Fößel

Bamberg, Donnerstag, 13. Dezember 2018

Der Vorwurf der "kriminellen Vereinigung" ist vom Tisch. Entsprechend fielen auch die Plädoyers aus.
Für Jennifer P. fordert der Staatsanwalt nun noch sechs Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Ihre Verteidigung plädiert dagegen auf Freispruch. Foto: Ronald Rinklef/Archiv


Inzwischen hält es auch die Staatsanwaltschaft für nicht nachweisbar, dass der harte Kern der Bamberger "Weisse Wölfe Terrorcrew" eine kriminelle Vereinigung dargestellt hat. Entsprechend hatte sich zuvor bereits Vorsitzender Richter Manfred Schmidt für die Staatsschutzkammer des Landgerichts Bamberg geäußert.

Wegen der weiteren Anklagepunkte, die von der Sachbeschädigung über Sprengstoffdelikte bis hin zur mehrfachen gefährlichen Körperverletzung reichen, plädierte am 15. Verhandlungstag Staatsanwalt André Libischer auf Gesamt-Freiheitsstrafen von sechs Monaten zur Bewährung (Jennifer P.), einem Jahr, neun Monaten zur Bewährung (Peter F.), zwei Jahren, sechs Monaten (Oliver B.) und drei Jahren, neun Monaten (Thorsten P., alle Namen geändert).

Die Verteidiger forderten für die vier Angeklagten im Alter von 24 bis 39 Jahren höchstens Bewährungsstrafen (Oliver B., Peter F.) oder Freispruch (Jennifer P.), die Anwälte von Thorsten P. plädierten auf eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten - darin wäre auch ein altes Urteil mit einbezogen, wo P. bereits zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war.

Das Quartett hatte sich laut Anklage als Mitglieder im Führungszirkel der Sektion Bayern-Franken der "Weisse Wölfe Terrorcrew" (WWT) radikalisiert. In unterschiedlicher Beteiligung sollen sie unter anderem mit Straftaten gegen eine Asylbewerberunterkunft gedroht und verbotene Pyrotechnik im Internet bestellt haben. Ihr Ziel sei es gewesen, politisch linke Menschen und Gruppierungen sowie Ausländer zu bekämpfen. Bald hatte sich im Prozess allerdings abgezeichnet, dass die Beweislage dünn ist.

Keine straffe Hierarchie

Die Ermittlungen seien mit "erheblichem Aufwand" geführt worden, betonte Libischer. 13 Terabyte Daten, 1,3 Millionen Sprachnachrichten und mehr als 500 000 Telekommunikationsverbindungen seien ausgewertet worden. "Der Spruch aus der Weimarer Republik, dass die Justiz auf dem rechten Auge blind sei, ist überholt - das hat dieses Verfahren gezeigt." Die Bildung einer kriminellen Vereinigung habe man den Angeklagten letztlich aber nicht nachweisen können. So habe es offensichtlich keine straffe Hierarchie oder eine strukturierte Vorgehensweise in der Gruppe gegeben, zudem gebe es keinerlei Hinweise auf konkrete Anschlagspläne. "War die WWT nun eine Feier- und Saufgemeinschaft mit gelegentlichen Konzertbesuchen oder eine kriminelle Vereinigung? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen", sagte Libischer.

Von den Verbrechen, die weiterhin im Raum stehen, wiegen die Schlägereien in den frühen Morgenstunden des 15. Mai 2015 wohl am Schwersten. Zunächst flog eine Bierflasche, dann folgten Schläge und Tritte, auch noch gegen am Boden Liegende. Ein geschädigter Polizeibeamter erlitt Schädelprellungen, war einen Monat dienstunfähig und hatte nach dem Vorfall psychische Probleme. Dem einschlägig vorbestraften Thorsten P. wirft Libischer die massivste Tatbeteiligung vor: "Wir können von Glück reden, dass nicht noch größerer körperlicher Schaden entstanden ist. Das war keine Bagatelle."

Der Staatsanwalt machte deutlich, dass sich der lange Weg zum Prozess beim beantragten Strafmaß günstig für die Angeklagten auswirke. Zugleich hatte der mehr als dreijährige Abstand zwischen den Taten und der Verhandlung auch die Beweisaufnahme enorm erschwert, weil sich viele Zeugen nicht mehr an Details erinnern konnten oder wollten. Als entsprechend schwierig erwies es sich auch in der Verhandlung, die verschiedenen Körperverletzungsdelikte den jeweiligen Tätern zuzuordnen - die wie einige der Geschädigten erheblich alkoholisiert waren. "Wann welche exakten Ereignisse stattgefunden haben, lässt sich nicht belegen", sagt Oliver Teichmann, einer der Verteidiger Thorsten P.s. Sein Kollege Dieter Widmann erklärte, sein Mandant habe bei der Polizei ein "übertriebenes Geständnis" abgegeben, um in ein Aussteigerprogramm aufgenommen zu werden.

Jugend- oder Erwachsenenrecht?

Für die Urteilsfindung muss die Kammer unter anderem entscheiden, ob der zur Tatzeit noch nicht ganz 21-Jährige Oliver B. nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird, wie es die Staatsanwaltschaft fordert, oder nach Jugendstrafrecht, wie es sein Verteidiger Michael Hentze nahelegt.

"Wir fühlen uns hier absolut deplatziert", erklärte Rechtsanwalt Jochen Kaller für seine Mandantin Jennifer P. Diese sei mit Vorwürfen überzogen worden, die sie nicht betreffen. Aus seiner Sicht bleibe nur noch übrig, dass P. einem Zeugen das Handy aus der Hand schlagen wollte, damit er nicht die Polizei rufen kann. Was die kriminelle Vereinigung angeht, "hätte man das nie so anklagen dürfen".

Peter F.s Anwalt Thomas Gärtner würdigte F.s umfassende Aussagen, dieser bemühe sich um Schadenswiedergutmachung und habe mit der rechten Szene abgeschlossen. Die von F. in großen Mengen bestellte und gehortete Pyrotechnik habe nichts mit der rechten Gesinnung zu tun und sei auch nicht für Anschläge vorgesehen gewesen. "Er fand es interessant, wenn Dinge in die Luft fliegen und es laut kracht", sagte Gärtner, der für seinen Mandanten eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten forderte.

Das Urteil im Weisse-Wölfe-Prozess wird am heutigen Freitag um 11 Uhr verkündet.