Druckartikel: Bamberger Islam-Experte findet deutliche Worte

Bamberger Islam-Experte findet deutliche Worte


Autor: Christoph Hägele

Bamberg, Donnerstag, 08. Januar 2015

inFranken.de hat mit Patrick Franke vom Lehrstuhl für Islamwissenschaften in Bamberg gesprochen. Er sagt: "Es reicht nicht zu sagen, dass Anschläge wie der in Paris 'nichts mit dem Islam zu tun haben'. Wenn Menschen im Namen des Islams Gewalttaten begehen, darf das nicht hingenommen werden."
Sinnbild einer Tragödie: Mit Kerzen wird den getöteten Journalisten in Frankreich gedacht. Vorfälle wie die Attacke auf "Charlie Hebdo" schüren auch in Deutschland Ängste vor dem Islam. Foto: dpa


Mit einiger Angstlust arbeiten sich die Deutschen derzeit am Islam und der muslimischen Bevölkerung ab. Wo Tatsachen und Gelassenheit regieren müssten, herrschen in diesen Tagen häufig Ängste und blanke Vorurteile. Patrick Franke ist Inhaber des Lehrstuhls für Islamwissenschaften an der Universität Bamberg. Experten wie er sind in besonderem Maße gefordert, die Diskussion um Muslime in Deutschland auf eine sachliche Grundlage zu stellen.

Muslime bewegen sich auf die deutsche Gesellschaft zu, während die deutsche Gesellschaft Muslimen den Rücken kehrt? Lässt sich die Bertelsmann-Studie auf diesen einfachen Nenner bringen?
Patrick Franke: Ja, die Ergebnisse entsprechen auch meiner eigenen Wahrnehmung. Die Haltung Deutscher gegenüber Muslimen ist kritischer und angstbesetzter geworden. Viele Deutsche haben sich von ihren muslimischen Mitbürgern emotional entfernt.

Woran liegt das?
Viele Deutsche reagieren auf zwei Entwicklungen: Zum einen hat der Siegeszug militanter Islamisten im Irak, in Syrien und Libyen Ängste geschürt. Zum anderen kommen nicht zuletzt deshalb immer mehr muslimische Flüchtlinge zu uns. Viele Deutsche haben Angst, sich Glaubenskriege ins Land zu holen.

Dieses Argument hätte Pegida jetzt ganz ähnlich formuliert.
Mag sein, aber das entwertet diese Erklärung nicht automatisch. Pegida mag unappetitlich sein, aber sie nimmt Ängste auf, die ernstgenommen werden müssen.

Ist in den vergangenen Jahren zu viel beschwichtigt worden?
Es reicht nicht zu sagen, dass Anschläge wie jetzt derjenige in Paris "nichts mit dem Islam zu tun haben". Wenn Menschen im Namen des Islams Gewalttaten begehen, darf das nicht hingenommen werden.

Wen nehmen Sie in die Pflicht?
Die muslimischen Verbände müssen sich noch deutlicher von solchen Gewalttaten distanzieren und auch klarlegen, wie sie Aussagen den Korans, in denen zur Anwendung von Gewalt aufgefordert wird, verstehen. Eine öffentliche Diskussion darüber ist notwendig.

Ist die Integration von Muslimen also krachend gescheitert?
Nein, es gibt große Erfolge und die Verbundenheit vieler Muslime zum deutschen Staatswesen ist ja ein sehr ermutigendes Zeichen.

Wo ist dann genau das Problem?
Das Problem aber sind Gruppen, die einen radikalen Islam predigen und moderne Errungenschaften wie Demokratie, Menschenrechte und Pluralismus bekämpfen. Sie sind in der Minderheit, haben aber langfristig die Kraft, die gesellschaftliche Ordnung zu gefährden.

Wehren sich moderate Muslime genug gegen ihre fanatisierte Glaubensbrüder?
Die moderaten Muslime stehen zum Teil vor ähnlichen Problemen wie wir. Sie wissen nicht, wie sie mit den radikalisierten Muslimen umgehen sollen.

Gibt es örtliche Unterschiede?
Hier in Bamberg haben die moderaten Muslime klar die Oberhand und sind zum größten Teil sehr gut integriert. Das liegt auch an der sehr aufgeschlossenen Ditib-Gemeinde, die sich im interreligiösen Dialog engagiert und gute Beziehungen zur Stadtgesellschaft pflegt. Aber in anderen bayerischen Städten ist der Salafismus stärker verankert. Die salafistischen Muslime wirken auf moderate Muslime ein und versuchen sie von einer Integration in die deutsche Gesellschaft abzuhalten.

Haben Sie aus Ihrer Beschäftigung mit dem Koran den Eindruck gewonnen, dass sich der Islam nicht mit unserem westlichen Lebensstil vereinbaren lässt?
Es gibt nach unserem Verständnis sicherlich einige problematische Punkte. Etwa, wenn es um die Geschlechterverhältnisse geht. Oder die koranischen Aussagen, in denen zu Gewalt gegenüber Andersgläubigen aufgerufen wird. Mohammed war beides: Kriegsherr und Religionsstifter, das schlägt sich im Koran nieder.

Spielt das für die Lebenspraxis von Muslimen überhaupt eine Rolle?
Bei Anhängern des Salafismus und auch bei Konvertiten zum Teil ja. Der kriegerische und anti-moderne Zug dieser Religion macht gerade einen Großteil ihrer Faszination aus.

Muss nicht auch die deutsche Mehrheitsbevölkerung den Muslimen entgegenkommen?
Es ist wichtig, dass Muslime Aufstiegschancen und Partizipationsmöglichkeiten bekommen. Aber ich denke, wir sollten uns in dieser Zeit nicht in Selbstgeißelung ergehen.Wenn Muslime gesellschaftliche Anerkennung für ihre Religion wünschen, müssen sie sich noch klarer von Gewalttaten, die im Namen des Islams begangen werden und wurden, distanzieren.

Das Gespräch führte Christoph Hägele.


Kommentar des Autors: Dokument der Angst

Die Bertelsmann-Stiftung hat ein bemerkenswertes Timing bewiesen. Einen Tag nach dem bestialischen Attentat von Paris und auf dem Scheitelpunkt der Pegida-Aufregung hat das Institut die Einstellungen der Deutschen zu ihren muslimischen Mitbürgern offen gelegt. Die Studie stellt den Deutschen kein gutes Zeugnis aus. Sie ist ein Dokument der Angst, der Ausgrenzung und auch des Rückzugs von der Welt. Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich vom Islam bedroht und hält ihn für unverträglich mit westlichen Übereinkünften.

Das steht im krassen Kontrast zum zweiten Teil der Studie. Schenkt man ihr Glauben, und es gibt keinen sachlichen Grund, dies nicht zu tun, orientiert sich die große Mehrheit der Muslime an den Leitlinien der deutschen Gesellschaft und wertschätzt sowohl Demokratie als auch soziale Vielfalt. Der Islam und Demokratie sind sich spinnefeind und nicht vereinbar? Die Studie enttarnt diese Gleichung als gefährliches Halbwissen.

Dass die Ablehnung der Muslime dort besonders hoch ist, wo kaum Muslime leben, ist ein Paradox, das auch zu den Grundbedingungen des Pegida-Aufschwungs zählt. Der Verdacht liegt nahe, dass der Islam dort zur Chiffre geworden ist für die Zumutungen der Moderne und das ungute Gefühl, die eigene Identität zu verlieren.
Allerdings: Integration ist kein Fetisch und kann nicht von Staats wegen verordnet werden. Nicht jeder muss einen muslimischen Freund haben oder sich am Anblick Kopftuch tragender Frauen erfreuen. Leben und - immer auf dem Boden unserer Werte und Gesetze - leben lassen: Das ist nicht das schlechteste Rezept für eine kulturell und religiös vielfältige Gesellschaft. Angst und die Abwertung anderer ist einem neuerdings für seine Weltoffenheit bewunderten Deutschland dagegen schlicht unwürdig.