Bamberger Facharzttermin-Test: So viel müssen Kassenpatienten länger warten als Private
Autor: Stephan Großmann, Markus Klein
Bamberg, Montag, 25. November 2019
25 Bamberger Fachärzte, 50 Telefonate, zwei Test-Redakteure, eine Frage: Müssen Kassenpatienten in der Domstadt tatsächlich länger auf einen Termin warten als Privatversicherte? Der FT hat den Test gemacht.
Gesunde Menschen haben tausend Probleme, kranke Menschen nur eins. Wieder gesund zu werden. Für manche beginnt nach der Diagnose eine medizinische Odyssee mit ungewissem Ausgang. Für die meisten startet die sogar schon lange vorher damit, ihre Beschwerden überhaupt einem Experten anvertrauen zu können. Wer beim Facharzt vorstellig werden möchte, muss in der Regel Geduld mitbringen. In dem Zusammenhang hält sich hartnäckig die Erzählung, dass Privatversicherte bei der Terminvergabe bevorzugt werden. Aber stimmt das? Wir haben den Test gemacht.
Wer aktuell als gesetzlich versicherter Neupatient in Bamberg eine Untersuchung bei einem Orthopäden, Neurologen, Haut-, Augen- oder HNO-Arzt ausmachen möchte, muss im Durchschnitt 28 Werktage auf einen Termin warten. Die Unterschiede bei den Wartezeiten variieren stark; während es bei Orthopäden vergleichsweise schnell geht (neun Tage), landen die Hautärzte mit einer durchschnittlichen Wartezeit von neun Wochen auf dem unrühmlichen letzten Platz unserer Erhebung. Dabei ist mitnichten sicher, überhaupt dran zu kommen: In 16 Prozent der Fälle schaute der Kassenpatient wegen Aufnahmestopps in die Röhre (der private Tester wurde lediglich von einem Hautarzt abgewiesen).
Dieser Punkt geht also an die Privatpatienten. Aber kommen sie auch wirklich schneller ans Ziel, wie oft vermutet wird? Unser Test ist eindeutig: Tatsächlich müssen privat versicherte Domstädter durchschnittlich sieben Werktage weniger warten als ihre Leidensgenossen mit einer gesetzlichen Krankenversicherung. Im Schnitt bekommen sie nach 21 Tagen einen Termin. Ein besonders bemerkenswerter Fall widerfuhr dem PV-Tester bei einer Augenärztin: Dort wurde aus einem "geht gar nicht mehr" nach dem Hinweis auf die Privatversicherung die Frage, ob es auch "heute Nachmittag noch" klappen könnte.
Weniger als jeder siebte Bamberger ist privat krankenversichert (15,4 Prozent, im Landkreis nur 11,1 Prozent). Aber selbst diejenigen sind vor teils langen Wartezeiten nicht gefeit. Auf einen Termin für ein Hautkrebs-Screening müssen auch sie durchschnittlich 41 Tage warten, für die Untersuchung beim HNO-Arzt sind es mehr als 35 Tage.
Zeitvorteil je nach Fachrichtung
Wie viel schneller Privatversicherte dran kommen, unterscheidet sich je nach Fachgebiet. Die gravierendsten Unterschiede offenbarten sich bei unserem Test bei den Augenärzten: Statt 34 Tage lang wie ein Kassenpatient warten zu müssen, werden Private bereits nach elf Tagen zur Behandlung gebeten. Einmal sogar am selben Tag noch. Kaum eine Bevorzugung erfahren PV hingegen bei Orthopäden und beim HNO-Arzt.
Warum ist das so? Weil Kassen- und Privatpatienten völlig anders abgerechnet werden. Dabei sind Ärzte an gesetzliche Regelungen und die Leistungskataloge Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) und Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gebunden. Erster gilt für kassenärztliche Leistungen und begrenzt die abzurechnenden Leistungen mit einem wöchentlichen Budget. Machen die Ärzte mehr, müssen sie selbst drauf zahlen", erklärt Georg Knoblach, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Bamberg. Und sie machten schon jetzt mehr, laut Knoblach arbeiteten viele Kollegen bis zu 70 Stunden in der Woche. Da kommen Privatpatienten ins Spiel. Privatärztliche Leistungen werden auf Grundlage der GOÄ abgerechnet - mit freierer Preisgestaltung: Die Sätze dürfen bis auf das 2,3-Fache gesteigert werden. Bedeutet: Mehr Geld für die gleiche Leistung.
Am Ende bestimmt ein wirtschaftlicher Faktor darüber, wer zuerst dran kommt. Georg Knoblach sieht sich und seine Berufskollegen allerdings zu unrecht dem Vorwurf ausgesetzt, Privatversicherte aus "reiner Profitgier" zu bevorzugen. Dass Unterschiede gemacht würden, kann er zwar nicht abstreiten. Mit den Ergebnissen des Tests konfrontiert stellt der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbandes Bamberg klar, dass dies ein hausgemachtes Problem des Gesundheitssystems sei. Und die Ärzte es ausbaden müssten.