Bamberger begeistert von Kasernen-Wohnungen
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Dienstag, 16. Dezember 2014
300 Menschen sind dem Angebot der "Bima" zu einer Rundtour auf dem Kasernengelände gefolgt. Besonders die Wohnungen haben es den Neugierigen angetan. Die meisten verstehen nicht, dass über einen Abriss spekuliert wird.
Das ältere Pärchen hat sich zu Fuß auf den Rückweg zur Wassermannstraße in Bamberg-Ost gemacht, wo die beiden seit vielen Jahren wohnen. Sie sind sichtlich beeindruckt von dem, was sie dies- und jenseits des Berliner Rings gesehen haben. "Vor allem die Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen sind ein Traum. So schöne Wohnungen haben sie für uns nicht gebaut", schwärmt die Dame.
Es war eine ungewöhnliche Rundreise, die an die 300 Menschen am Dienstag unternahmen. Binnen zwei Stunden erkundeten sie mit Bus und zu Fuß das parkartige Gelände, das sie über Jahre hinweg meist nur aus der Perspektive hinter dem Zaun erlebt hatten. Natürlich standen die umstrittenen Wohnungen der Pines- und der Flynn-Area auf dem Programm. Aber auch das Offizierscasino, Reithalle und Kommandeursgebäude in der Lagardekaserne, die große Sporthalle am Berliner Ring und die Weitläufigkeit des Geländes haben beeindruckt.
Dass die Bamberger gerne einmal einen Blick hinter die Absperranlagen werfen würden - das überrascht nicht angesichts der öffentlichen Debatte, die die Neugestaltung eines ganzen Stadtteils ausgelöst hat. Doch mit einem solchen Ansturm hatte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) nicht gerechnet. Schon lange vor elf Uhr stehen an einem trüben Dezembervormittag die ersten Neugierigen am Tor an der Zollnerstraße. Als pünktlich die Busse um die Ecke kurven, steigt die Spannung. "Wir sind mit 15 bis 20 Mitarbeitern vor Ort und versuchen, Sie so gut wie möglich zu informieren", sagt der auffällig gut gelaunte Jörg Musial, Verkaufsleiter der Bima. Nur zwei Wochen zuvor, am 4. Dezember, hatte die Bundesbehörde die Kaserne von den US-Amerikanern übernommen.
Besucher sind verblüfft
Erster Stopp Lindenallee. Wenige Meter entfernt liegen die Gebäude der Flynn-Area, deren langfristiger Erhalt viele im Rathaus für nicht machbar halten. Die ca. 50 Busfahrgäste betreten über wenige Stufen ein typisches dreigeschossiges Gebäude der US-Housing-Area. Sechs große 90- und 110-Quadratmeter-Wohnungen stehen in diesem Haus leer. Die Verblüffung der Besucher ist spürbar: überall Parkettböden, Einbauküchen, die kaum Gebrauchsspuren zeigen, weiße Wände, die teils neu gestrichen zu sein scheinen; dazu ein riesiges Wohnzimmer, große Bäder und große Fenster, die freilich noch vergittert sind. Das alles beeindruckt die meisten Besucher schwer, die offenbar triste Einheitsappartements erwartet hatten. "Ich bin total begeistert über den Erhaltungsgrad dieser Wohnungen", sagt eine Frau aus Hirschaid. Sie sucht eine bezahlbare Wohnung und weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es für eine junge Familie ist, in Bamberg fündig zu werden. "Aber hier könnte man ja sofort einziehen."
Hier - oder anderswo. Spätestens beim Besuch in der Pines-Area wird klar, dass Grundriss und Bauart der Wohnungen in den Warner-Barracks meist gleichartig sind, ebenso wie der Zustand. Auch die 60 Ein-Zimmer-Appartements gleich neben dem Offizierscasino würden einem Studenten-Wohnheim alle Ehre machen, "Alles picobello", sagt Peter Makowsky aus der Gartenstadt. Er wünscht sich eine soziale Ausrichtung des neuen Stadtteils. Der 56-jährige Jürgen Gürtler aus Kramersfeld ist an diesem Dienstag um eine Erkenntnis reicher geworden: "Das ist alles viel zu schade zum Abreißen."
Kommentar des Autors: Der Druck ist selbst verschuldet
Äußerlich mag das Kasernengelände wie eine Geisterstadt wirken. Doch hinter den Kulissen tobt ein beispielloser Machtkampf. Es geht um die Frage, wie viele Wohnungen aus dem US-Bestand erhalten werden können, darum, wie teuer Wohnen in Bamberg auch in Zukunft sein soll - und es geht um viele Millionen Euro, die die Stadt nicht ausgeben möchte, weil sie sie bereits verbraten hat.
Dass eine Bundesbehörde 300 Leute in Bussen durch die Kaserne kutschiert, ist ja kein Zufall. Während viele Bamberger nicht verstehen können, dass Wohnungen überflüssig sein sollen, die zum Teil attraktiver sind als jene, die sie selbst bewohnen, gibt es in jeder Stadt natürlich auch Kreise, die kein Interesse an sinkenden Miet- und Kaufpreisen haben.
Deshalb sind gerade die "einfachen Bamberger" und nicht etwa die Stadträte die natürlichen Verbündeten der "Bima" im Kampf um den Erhalt von möglichst vielen Wohnungen und möglichst hohe Einnahmen für den Bund. Konversionsregel: Je mehr Wohnungen erhalten bleiben, desto teurer wird Kauf für die Kommunen.
Wohin die Reise geht, wird der Stadtrat schon bald entscheiden: Man muss hoffen, dass er unterscheiden kann zwischen den Interessen weniger und dem Wohl aller Bürger einer Stadt, die trotz hoher Attraktivität bei der Einwohnerzahl seit Jahrzehnten nur wenig reißt. Mitleid ist in dieser Zwickmühle nicht angebracht. Der Druck, dem die Entscheidungsträger ausgesetzt sind, ist zu einem Gutteil selbst verschuldet. Bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums hat die Stadtspitze unter OB Starke kläglich versagt.
