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Bamberg: US-Armeeabzug kostet Viele den Job


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Montag, 04. März 2013

Bei der Abwicklung der US-Kaserne geht es nicht nur um Flächen für Investoren. 300 Beschäftigte aller Berufe verlieren 2014 ihren Job - vom Geologen bis zur Verkäuferin. Einigen droht der Sturz in das finanzielle Nichts.
Einer von 300 Kollegen: Betriebsrat Eduard Mayer kämpft für die Beschäftigten des US-Standorts. Im Hintergrund: die neue US-Sporthalle am Berliner Ring.


Als Karin Stiefler das erste Mal von der Schließung der US-Kaserne hörte, war sie geschockt. "Ich liebe meine Arbeit und hätte gerne zehn Jahre länger gearbeitet", sagt die Leiterin einer Abteilung, die sich vor allem um die Mobilität der US-Soldaten kümmert, vom Umzug der Möbel bis zum Transport der GIs. Jetzt steht sie vor der Herausforderung, als 56-jährige wieder Bewerbungen formulieren zu müssen. In einem Beschäftigungsfeld, das schon für Jüngere eng ist. Doch die Erfahrung, glaubt sie, spricht für ihre Kolleginnen und sie: "Wir arbeiten zweisprachig und sind stresserprobt. Unsere Qualifikation ist besser als viele glauben."

Wie Stiefler geht es vielen in Bamberg. Seit bekannt geworden ist, dass die US-Armee zum 30. September 2014 auch die Warner-Barracks in Bambergs Osten mit insgesamt 8500 Menschen aufgibt, erlebten die deutschen Zivilbeschäftigten ein Wechselbad der Gefühle.

Die anfängliche Hoffnung, dass es einen durch Tarifverträge gut abgefederten Übergang geben werde, wich der Ernüchterung, dass nicht nur jüngere Mitarbeiter in ein schwarzes Loch zu fallen drohen. Denn die viel zitierte tariflich abgesicherte Übernahme durch Arbeitgeber der öffentlichen Hand ist ein Gummiparagraph und hat keine bindende Wirkung.

Und es sind viele, die im Herbst nächsten Jahres keine Arbeit mehr haben werden: Elektriker, Fahrer, Küchenhelfer, Schlosser und Schreiner; aber auch Ingenieure, Übersetzer, Grundschullehrer, Maschinenbauer und IT-Spezialisten, um nur einen Teil zu nennen.



Was außerhalb des Kasernenzauns nur wenige wissen: Mehr als 300 deutsche Mitarbeiter der US-Armee sorgen dafür, dass reibungslos funktioniert, was die Bamberger "die Kaserne" nennen. Das 450 Hektar große Areal hat schon viele Preise wegen seiner äußeren und inneren Qualitäten gewonnen. Das Erscheinungsbild lässt wenig Wünsche offen: Keine Löcher klaffen in den Straßen; zwischen den häufig bereits energetisch sanierten Häusern bleibt viel Platz für Bäume und Rasenflächen; die neue Sporthalle mit Fitnessstudio sucht ihresgleichen im Umkreis. Eine Stadt in der Stadt - das ist die Kaserne. Mit eigenem Busverkehr, Baureferat und Umweltamt, mit Schulen und Kindergärten, Kino und Einkaufsmöglichkeiten.

Doch schon im Sommer dieses Jahres wird der dichte Verkehr, der heute noch durch die äußere Zollnerstraße rollt, deutlich abgenommen haben. 1500 Soldaten und rund 2500 Angehörige werden Bamberg dann verlassen, wie Standortkommandeurin Michelle L. Bienias unlängst verkündete. Die letzten Soldaten folgen ein Jahr später.
Auch für die deutschen Mitarbeiter wird dann der letzte Zapfenstreich ertönen. Die Kündigungen, die der Betriebsrat diese Woche erwartet, sind zum 30. September 2014 terminiert. Eduard Mayer ist zufrieden, dass es gelang, den Tag X für alle Kollegen einheitlich auf den spätestmöglichen Termin hinauszuschieben.

Andererseits glaubt der Betriebsratschef nicht daran, dass der noch unter Bundeskanzler Willy Brandt beschlossene Tarifvertrag für Soziale Sicherung (TASS) den Schutz bietet, den sich manche außerhalb der Kaserne einbilden. Im Gegenteil: Die versprochenen Ausgleichzahlungen fließen nur für langjährige Mitarbeiter, die einen neuen Job finden, was in vielen Fällen schwer zu verwirklichen sein wird. Der Grund: Der Altersdurchschnitt der deutschen US-Beschäftigten liegt bei 51 Jahren. "Wir sind zu jung, um in Rente zu gehen, und zu alt, um einen neuen Job zu finden", urteilt Mayer. Auch er hätte mit 56 Jahren im ungünstigsten Fall magere Jahre vor sich, denn gespartes Haus und Lebensversicherung werden auf Hartz IV angerechnet: "Ohne neuen Job, falle ich in ein Loch."

Seit Monaten tourt der Betriebsrat deshalb durch die Rathäuser der Region. Auch bei Firmen putzt Mayer Klinken, um Verständnis für die Lage seiner Kollegen zu wecken und auf ihre häufig sehr gute Qualifikation hinzuweisen. Ein hartes Brot: Er stößt zwar auf Verständnis, doch eine bevorzugte Einstellung der US-Zivilbeschäftigte ist praktisch nirgends zu erwarten. Das Problem: Die Wirtschaft verhält sich bislang noch reserviert; und die öffentliche Hand ist eher dabei, Stellen zu streichen als neue zu schaffen. Allenfalls Leiharbeitsfirmen zeigen bislang Interesse an den Mitarbeitern der US-Kaserne.

Es sind ernüchternde Erfahrung, die manche machen: Wer schnell etwas finden will, dem werden nur befristete und schlecht bezahlte Jobs angeboten. Dazu kommt: Wenn die Mitarbeiter der US-Armee vor dem Ablauf der Kündigungsfrist selbst kündigen, verlieren sie ihr Recht auf Abfindung und andere Privilegien. Mayer warnt davor zu glauben, dass bereits 2015 alles auf die Stadt Bamberg übergehen könnte. "Die Erfahrungen aus Kitzingen und Würzburg zeigen, dass viele Gebäude jahrelang leer stehen."

Zwiespältig sind die Signale, die aus dem Rathaus dringen: So hat Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) zusammen mit der Agentur für Arbeit eine Koordinierungsstelle einrichten lassen, doch Ergebnisse lassen noch auf sich warten. Weil die Stadt eine Übernahmegarantie von US-Mitarbeitern angesichts der eigenen Personalkosten für ausgeschlossen hält, setzt sie in dieser Frage auf die Wirtschaft der Region: "Das Projekt gewinnt langsam an Fahrt", sagt Ulrike Siebenhaar von der Pressestelle.

Doch konkrete Ergebnisse kann weder sie noch Hermann Zeiss von der Agentur für Arbeit benennen. Dort haben mittlerweile 140 Betriebsangehörige das Angebot einer Orientierungsberatung angenommen. Wie hoch die Übernahmechancen von US-Beschäftigten zu Zeiten des viel gerühmten deutschen Jobwunders sind, wagt Hermann Zeis nicht zu sagen. Klar scheint: Für Ingenieure, Techniker und Handwerker sind die Vermittlungsaussichten besser als für Verwaltungsangestellte. Wichtig sei neben der beruflichen Qualifikation die Bereitschaft, sich räumlich zu verändern und "die beruflichen Kompetenzen anzupassen", sagt Zeis.

Doch vielleicht sind die Chancen gerade in Bamberg nicht so schlecht? Matthias Graßmann, Vizepräsident der Handwerkskammer für Oberfranken, jedenfalls sieht den Abzug der US-Armee als Chance für den boomenden Wirtschaftsraum: "Wir haben heute schon in vielen Branchen einen massiven Fachkräftemangel." Graßmann fordert seine Unternehmerkollegen aus dem Handwerk auf, eventuelle Bewerbungen aus der US-Kaserne aufgeschlossen zu prüfen. Gerade Bewerber mit höherem Lebensalter zeichneten sich in der Regel durch besondere Erfahrung aus, sagt Graßmann.

Ob es etwas hilft? In der Schreinerei der Kaserne arbeiten derzeit sieben Mitarbeiter, sechs davon über 50 Jahre alt. Als wir die Werkstatt am Montag besuchten, wurden gerade große Stützbalken von Spielgeräten ausgebessert. Eine Perspektive für die Zeit nach 2014 hat hier noch niemand. Den Mut wollen sie sich aber nicht nehmen lassen.


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