Allerdings hatten der Bruder und der Cousin des Hauptangeklagten die Taten zugegeben. "Diese Geständnisse sind bei Aussage gegen Aussage etwas wert." Ihnen war das Gericht mit zwei Jahren auf Bewährung entgegengekommen. Im Gegenzug dafür, dass sie weiter auf freiem Fuß bleiben dürfen, müssen sie 200 und 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit bei Lifeline Bamberg ableisten. Einer von ihnen hatte als Wiedergutmachung zudem 2000 Euro angeboten, die er sich bei seinen Eltern geliehen hatte. Der andere war fünf Monate in Untersuchungshaft gewesen. Beide müssen sich zudem um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bemühen. Sie dürften nach etlichen abgebrochenen Ausbildungen ihren Eltern nicht weiter auf der Tasche liegen. "Sie haben viel zu viel Zeit und machen dann solche Sachen."
Schwerer Fall von sexueller Nötigung: Haupttäter muss ins Gefängnis
Mit vier Jahren gingen der Vorsitzende Richter Martin Waschner und seine beiden Schöffen bis an die Grenze dessen, was am Amtsgericht überhaupt möglich ist. Für alles jenseits der vier Jahre wäre das Landgericht Bamberg zuständig gewesen. Das Anpinkeln war nach Ansicht des Gerichts nicht nur eine Beleidigung, sondern in der sexuell aufgeheizten Stimmung des Abends und auf Grund der Nacktheit aller Beteiligten eindeutig eine sexuelle Nötigung. Ein schwerer Fall wurde es durch die abgeschlossene Tür, die eine Flucht des Mädchens verhinderte, durch mehrere Täter und durch die drangvolle Enge im Badezimmer.
"Sie hatte keine Chance. Es ging den Angeklagten darum, ihre Macht zu demonstrieren und sich dadurch einen Lustgewinn zu verschaffen", so Richter Waschner, der den drei Angeklagten, deren Familien vor Jahrzehnten aus Syrien und dem Libanon eingewandert waren, zudem "ein problematisches Frauenbild" bescheinigte. Man könne mit Frauen eben nicht alles machen. Sie seien gleichwertige Menschen. Nein heiße Nein. "Wer hier seinen Lebensmittelpunkt hat, der muss sich an diese unsere Grundüberzeugung halten."
Damit ist es für den Hauptangeklagten, der seit 2013 schon mehrfach wegen vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung Bekanntschaft mit dem Jugendrichter gemacht hatte, aber nicht zu Ende. Hatte er die Tat doch während einer laufenden Bewährung begangen. Er wird also wohl auch noch die zwei Jahre verbüßen müssen, die gegen ihn wegen unerlaubten Erwerbs und Handels mit Betäubungsmitteln verhängt worden waren. Wenn es nicht zur Berufung am Landgericht Bamberg kommt.
Ursprünglicher Artikel vom 22. Januar 2020: Schwerer Fall von sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung am Amtsgericht Bamberg
Wiewohl sich das Geschehen im Februar 2019 in einem Schülerwohnheim in einer anderen oberfränkischen Stadt abgespielt hatte. Dort war eine Orgie von fünf Männern und zwei Frauen aus dem Ruder gelaufen und hatte eine traumatisierte Frau zurückgelassen. Zwei der drei Angeklagten, alle aus Bamberg, räumten die Vorwürfe zum Auftakt des Prozesses ein.
Einvernehmlicher Sex führt zu Orgie - doch es werden Grenzen erreicht
Für Defne R. (Name geändert) ist es das erste Mal, dass sie ihr streng gläubiges Elternhaus im nordwestlichen Oberfranken verlässt. Die junge, in Deutschland geborene, Muslima macht eine Ausbildung und wohnt deshalb in einem Apartment in dem Schülerwohnheim. Hier kommt es im Februar letzten Jahres zu einvernehmlichem Sex mit einem der Angeklagten. Dabei dürfen einige andere junge Männer zusehen. Auch eine Smartphone-Kamera nimmt auf.
Am nächsten Tag soll es weitergehen. Diesmal als Orgie mit fünf Männern und zwei Frauen. Defne R. hat ihre Schulfreundin Romina D. mitgebracht. Zuerst bleibt es beim Oralverkehr, doch dann soll es härter werden, mit Spucken und Schlagen. Defne R. ist zwar nicht besonders angetan, doch die aufgeheizte sexuelle Atmosphäre reißt auch sie mit. Die blauen Flecke an den Brüsten und am Gesäß wird man erst später wahrnehmen. Erst als die drei Angeklagten fordern, dass sie auf Defne R. urinieren dürfen, ist es mit der Stimmung vorbei. Derlei möchte sie nicht und sagt das auch.
Schwerer Fall von sexueller Nötigung: Opfer gedemütigt und erniedrigt
Bis hierhin hat das Geschehen hinter verschlossenen Türen noch niemanden in strafrechtlicher Sicht interessiert. Erst jetzt, als das Trio aus Bamberg die Handy-Videos zückt und droht, diese an der Berufsschule zu zeigen, wenn Defne R. nicht weiter mitmache, wird es für Staatsanwältin Franziska Frohberg interessant. Denn dahinter verbirgt sich eine sexuelle Nötigung.
Zu einem besonders schweren Fall wird sie, weil sie von drei Tätern gemeinschaftlich begangen und außerdem das Opfer gedemütigt und erniedrigt wurde. Denn kurz darauf begeben sich die drei Angeklagten mit Defne R. ins Badezimmer und setzen ihre Forderung in die Tat um.
Mitbewohnerin vor Gericht: "Ich hörte drinnen, wie sie weinte und schrie 'Verpisst Euch!'"
Draußen versucht ihre Mitbewohnerin noch hineinzugelangen, um das Ganze zu verhindern. Ein vierter Mann steht davor und lässt sie nicht durch. "Ich hörte drinnen, wie sie weinte und schrie ,Verpisst Euch!'" Der fünfte Mann sitzt teilnahmslos auf der Couch und spielt mit seinem Handy.
Suizidgedanken und Psychiatrie - Opfer von sexueller Nötigung fürchtet Ehrenmord
Während die Täter sich lachend verabschieden, hat sie einen Nervenzusammenbruch und muss in die Psychiatrie gebracht werden, weil sie angesichts ihrer konservativen Eltern mit Suizidgedanken spielt. Wie eine Polizeibeamtin aussagte, war innerhalb der Familie sogar von einem Ehrenmord die Rede.
Die beiden jungen Frauen, damals noch Berufsschülerinnen und deshalb im Wohnheim untergebracht, wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Damit sollte ihre Privatsphäre geschützt werden.
Angeklagte schüchtern Mitbewohnerin ein - einem von ihnen droht lange Freiheitsstrafe
Dabei hatten die drei Angeklagten und ein weiterer Bekannter im April 2019 offenbar versucht, die Mitbewohnerin Defne R.s auf offener Straße einzuschüchtern und von ihrer Aussage abzuhalten.
Beinahe zwei Stunden versuchte vor allem Rechtsanwalt Jochen Kaller, die Aussage der jungen Frau zu erschüttern, bis diese tränenüberströmt den Gerichtssaal verließ. Sein Mandant hat im Vergleich zu den anderen beiden, sein Bruder und sein Cousin, viel zu verlieren. Denn angesichts seiner Vorstrafen und einer laufenden Bewährung darf er nicht damit rechnen, dass ihm das Jugendschöffengericht mit einer Freiheitsstrafe unter zwei Jahren davonkommen lässt.
Außerdem kam im Gerichtssaal der Verdacht auf, es handle sich bei ihm um einen "Loverboy", der Frauen gefügig mache, bis sie ihm hörig seien. Er habe "alleine in Bamberg zwei Mädchen laufen", berichtete eine Zeugin. Auch in einer anderen Stadt habe er "Sex mit seinen Schlampen" (Zitat) gegen geldwerte Leistungen wie einen Haarschnitt getauscht.
Existenz von peinlichen Snapchat-Videos ungeklärt
Ob es die für Defne R. peinlichen Snapchat-Videos auf irgendwelchen Upload-Servern noch gibt, konnte bislang weder von der Kriminalpolizei, noch vom Vorsitzenden Richter Martin Waschner geklärt werden. Auf den Smartphones jedenfalls sind sie nicht mehr zu finden.
Der Prozess wird am 7. Februar um 8.30 Uhr fortgesetzt. Dann ist auch mit einem Urteil zu rechnen.
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