Druckartikel: Bamberg: Nagel Transthermos plant große Veränderung am Standort - Belegschaft "zum Streik bereit"

Bamberg: Nagel Transthermos plant große Veränderung am Standort - Belegschaft "zum Streik bereit"


Autor: Ralf Welz, Daniel Krüger, Isabel Schaffner

Bamberg, Montag, 31. Juli 2023

Der Bamberger Standort von Nagel Transthermos soll komplett umstrukturiert werden - Verdi spricht von einer "Schließung". Nun hat die Gewerkschaft auch Streiks in Aussicht gestellt, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten.
Nagel Transthermos: Die Mitarbeiter in Bamberg müssen um ihre Arbeitsplätze bangen.


  • Bamberg: Logistik-Riese Nagel Transthermos will Standort "neue Funktion" geben
  • "Entscheidung kommt völlig überraschend": Gewerkschaft kritisiert Geschäftsführung
  • "Als Außenlager weiterbetrieben": Unternehmen dementiert Schließung
  • "Nicht kampflos aufgeben": 75 Beschäftigte bangen um Job - Verdi fassungslos

In Bamberg plant der Logistik-Riese Nagel Transthermos große Veränderungen. Aus Sicht der Gewerkschaft Verdi entsprechen die Pläne einer "Schließung" des Standorts in der Rheinstraße 9. Die 75 hiesigen Mitarbeitenden des Tiefkühl-Spezialisten seien am Dienstag (13. Juni 2023) von der Geschäftsleitung über die im März 2024 stattfindende Umstrukturierung informiert worden. Das Mutterunternehmen Nagel-Group widerspricht. "Der Standort Bamberg wird nicht geschlossen", teilte ein Sprecher bereits am 14. Juni 2023 inFranken.de mit, "ab dem ersten Quartal 2024 wird er im Netzwerk der Nagel-Group eine neue Funktion erhalten." Verdi stellt nun auch Streiks in Aussicht und will den Standort nicht "kampflos" aufgeben. 

Update vom 31.07.2023: Bamberg "lukrativster Standort" des Logistik-Riesen - Unternehmen will Drehkreuz trotzdem verlagern

Der Ärger um die Neuausrichtung des Nagel-Transthermos-Standorts in Bamberg geht in die nächste Runde. Wie Verdi in einer Pressemitteilung erklärt, beginnen demnach ab September Sozialtarifverhandlungen mit dem Logistik-Riesen. Die Gewerkschaft spricht in Bezug auf die Pläne weiterhin davon, das Unternehmen wolle "den lukrativsten Standort der Nagel Transthermos GmbH Co. KG in Bamberg schließen".

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Von hier aus werden seit 2016 Supermarktketten wie Edeka und Lidl, aber unter anderem auch kleine Bäckereien, mit Tiefkühl-Lebensmitteln beliefert. Doch die Nagel-Gruppe errichtet im Zuge einer Strategieänderung ein nach eigenen Angaben "höchstmodernes Multi-Temp-Logistikzentrum" in Nürnberg, das künftig als entscheidendes Drehkreuz für die Lebensmittellogistik in der Region dienen soll. "Der Standort Bamberg wird nicht geschlossen, ab dem ersten Quartal 2024 wird er im Netzwerk der Nagel-Group eine neue Funktion erhalten", heißt es weiterhin auf Anfrage von inFranken.de.

Der Logistik-Riese verweist hierbei auf eine Erklärung aus dem Juni 2023 gegenüber unserer Redaktion, wonach der Standort Bamberg künftig "als Außenlager der Niederlassung Nürnberg weiterbetrieben" werden soll. Wie viele Stellen in Bamberg erhalten bleiben sollen, dazu gibt es von Nagel Transthermos keine konkreten Zahlen. "Einen Großteil der Belegschaft möchte die Nagel-Group gerne weiter beschäftigen – vor allem in Nürnberg wird Personal aufgebaut. Hierzu ist die Nagel-Group mit der Arbeitnehmervertretung und mit den Mitarbeitenden in Gesprächen", erläutert ein Sprecher gegenüber inFranken.de

Was passiert mit den Bamberger Nagel-Beschäftigten? Unternehmen äußert sich - Verdi kündigt Kampf um Jobs an 

"Mit den Mitarbeitenden wird individuell über eine Weiterbeschäftigung bei der Nagel-Group gesprochen, verschiedene Einsatzmöglichkeiten sind denkbar. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir den Ergebnissen aus diesen Gesprächen nicht vorgreifen möchten", heißt es weiter. Wie Verdi erklärt, habe die Gewerkschaft zu der Angelegenheit Ende Juni eine Mitgliederversammlung durchgeführt

"Neben einer ehrenamtlichen ver.di Verhandlungskommission wurden auch die streikfähigen Themen für einen Sozialtarifvertrag beschlossen", heißt es in der Pressemitteilung. Dazu zählten "eine Mindestabfindung für alle Beschäftigten, eine Transfergesellschaft für betriebsbedingt entlassene Mitarbeiter*innen, Anreizsysteme für betriebsinterne Wechsel und spezielle Lösungen für rentennahe Beschäftigte". 
 
"Unser wichtigstes Ziel bleibt der größtmögliche Erhalt von Arbeitsplätzen in Bamberg", so die Gewerkschaft. Die Sozialtarifverhandlungen starten demzufolge am 12. September 2023. Eine weitere Verhandlungsrunde sei für den 18. September 2023 angesetzt. "Die Belegschaft steht voll und ganz hinter den Forderungen und ist auch zum Streik bereit", wird der Verhandlungsführer David Merck zitiert. "Kampflos geben wir den Standort in Bamberg auf keinen Fall auf", heißt es abschließend. 

Erstmeldung vom 14.06.2023: Standort von Nagel Transthermos in Bamberg erhält "neue Funktion" - Verdi zeigt sich verwundert

Nagel Transthermos ist eine Firmentochter der Nagel-Group mit Sitz im nordrhein-westfälischen Versmold. Die Spedition zählt zu den führenden Akteuren in der deutschen Lebensmittellogistik. Das europaweit tätige Unternehmen verfügt laut eigenen Angaben gegenwärtig über 130 Standorte und beschäftigt insgesamt rund 11.000 Menschen. Der Firmenwebseite zufolge sind um die 7000 Lkw als Kühltransporter im Einsatz.

"Mit der Übernahme von Nagel Transthermos im Jahr 2016 übernahmen wir auch die Spitzenposition im Tiefkühlbereich", heißt es auf der Internetseite der Nagel-Group. Am Standort in Bamberg erfolgt Anfang kommenden Jahres nun aber eine umfassende Neuausrichtung - zur Verwunderung von Verdi. "Die Entscheidung kommt völlig überraschend, noch vor zwei Monaten wurde eine Schließung von der Geschäftsführung ausgeschlossen", berichtet die Gewerkschaft in einer am Mittwoch (14. Juni 2023) veröffentlichten Pressemitteilung.

Genau von einer solchen ist in der von Verdi am Mittwochmorgen veröffentlichten Pressemitteilung jetzt aber die Rede. "Die Nagel-Group will einen der lukrativsten Standorte der Nagel Transthermos GmbH & Co. KG schließen", heißt es darin wörtlich. Von der Domstadt aus werden demnach Supermarktketten wie Edeka und Lidl bis hin zu kleinen Bäckereien in der Region, Ostdeutschland und der Oberpfalz beliefert. "Die Beschäftigten sind fassungslos", erklärt Verdi jetzt mit Blick auf die jüngste Entwicklung vor Ort. "Jahre lang haben sie ihr Bestes gegeben. Immer wieder wurde bestätigt, der Umsatz und die Gewinnmargen am Standort sind hervorragend." 

Standort Bamberg wird Außenlager der Niederlassung Nürnberg - was wird aus den 75 Mitarbeitern?

Die Nagel-Group berichtet in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber inFranken.de jedoch, dass der Standort in Bamberg nicht geschlossen, sondern vielmehr eine "neue Funktion" erhalten werde. Demzufolge ist das Areal seit 2016 ein Speditions- und Lagerstandort im Tiefkühlnetzwerk der Nagel-Group. Aus Bamberg werde Tiefkühl-Ware in der Region distribuiert und zudem die Waren der Kunden aus der Region in ganz Europa über das Nagel-Netzwerk verfügbar gemacht. "Künftig wird der Standort Bamberg als Außenlager der Niederlassung Nürnberg weiter betrieben", kündigt der Sprecher an.

In Nürnberg errichtet die Nagel-Group laut Eigenaussage "ein höchstmodernes Multi-Temp-Logistikzentrum" als wichtiges Drehkreuz für Lebensmittellogistik in der Region. Circa 60 Millionen Euro investiere die Nagel-Group in die Erweiterung in Nürnberg. Dort entstehe ein neues Hochregallager. Zudem werde das Logistikzentrum mit moderner Kühltechnik ausgestattet und energieeffizient betrieben. "Der Standort Bamberg wird als Frische-Logistiklager in dieses neue Logistikkonzept für die Region integriert", erklärt der Firmensprecher.

Laut übereinstimmenden Angaben von Nagel-Group und Verdi sind in Bamberg derzeit rund 75 Mitarbeiter des Logistikunternehmens tätig. "Einen Großteil möchte die Nagel-Group gerne weiter beschäftigen - vor allem in Nürnberg wird Personal aufgebaut werden", hält der Unternehmenssprecher gegenüber inFranken.de fest. Hierzu sei man mit der Arbeitnehmervertretung und mit den Beschäftigten in Gesprächen. Verdi betont derweil, dass es für die Bamberger Angestellten keine firmeninterne alternative Beschäftigung gebe, "da der nächste Standort in Nürnberg, mit einfach 80 Kilometern, für viele zu weit entfernt" sei.

Verdi will Bamberger Standort retten und betriebsbedingte Kündigungen verhindern

Kampflos aufgeben wollen die Arbeitnehmervertreter aber offenkundig nicht. Laut Eigenaussage will Verdi die Geschäftsführung des Unternehmens zu Sozialtarifverhandlungen auffordern. "Oberstes Ziel ist, den Standort zu retten und betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern", wird David Merck, Fachbereichsleiter Postdienste und Logistik in Bayern, in der Mitteilung der Gewerkschaft zitiert. Für kommenden Freitag (16. Juni 2023) ist am Nagel-Standort in der Rheinstraße zudem eine Betriebsversammlung geplant. In diesem Rahmen wollen die Beschäftigten gemeinsam mit Verdi diskutieren, wie der Standort in der bisherigen Form womöglich doch noch erhalten bleiben kann.

Der Lebensmittellogistiker hebt in seinem Statement ebenfalls das Thema Kommunikation hervor. "Die Nagel-Group ist seit jeher in einem guten Austausch mit den Betriebsräten und informiert diese zu neuen Entwicklungen des Unternehmens - auch den Standort Bamberg betreffend." Das Unternehmen investiere seit etwa zwei Jahren "massiv in das eigene Standort-Netzwerk" und habe dafür "das größte Modernisierungsprogramm der Firmengeschichte" aufgelegt.

Bis 2030 werde die Nagel-Group bis zu einer Milliarde Euro investieren. "Dabei wird das eigene Standort-Netzwerk strategisch ausgerichtet, um den Kundenanforderungen bestmöglich gerecht zu werden, und zukunftsfähig ausgebaut", erklärt der Pressesprecher. Für die zahlreichen Beschäftigten am Bamberger Standort von Nagel Transthermos dürften derweil unruhige Zeiten angebrochen sein.

Der Autozulieferer Magna will indessen augenfällig sein Werk in Dorfprozelten (Kreis Miltenberg) schließen.  Weitere Nachrichten aus Bamberg und Umgebung findest du in unserem Lokalressort.