Bamberg: Haschisch wird zum Verhängnis
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Donnerstag, 19. April 2018
Mit Freiheitsstrafen zwischen zweieinhalb und achteinhalb Jahren ging ein umfangreicher Drogen-Prozess vor dem Landgericht Bamberg zu Ende.
Alle fünf Angeklagten, vier syrische und ein libyscher Asylbewerber, wurden für schuldig befunden, zwischen August 2016 und Juni 2017 mehr als 20 Kilogramm Haschisch nach Bamberg gebracht und in der Region verkauft zu haben. Noch einmal die gleiche Menge war in Planung.
"Ich bin nicht nach Deutschland gekommen, um mit Drogen zu handeln. Ich bin nach Deutschland gekommen, um Arbeit zu finden. Aber was soll man machen, wenn man ohne Drogen nicht auskommt?" Es klang verzweifelt, was Ibrahim G. (Name geändert) in seinem Schlusswort in deutscher Sprache sagte. Er erhielt als "Kopf der Bande" die höchste Strafe, immerhin achteinhalb Jahre. Ihn sah Staatsanwalt Stephan Schäl "eindeutig in einer Führungsrolle". Der Argumentation, der 29-jährige Syrer habe sich um die Organisation und Finanzierung des Haschisch-Handels gekümmert, folgten auch die drei hauptamtlichen Richter und ihre beiden ehrenamtlichen Schöffen.
Suchttherapie
Ibrahim G. wird, ebenso wie sein Komplize Fetullah H., der die Haschisch-Platten aus Berlin geholt und dabei die Verhandlungen geführt hatte, zusätzlich in eine Entziehungsanstalt eingewiesen. Dort werden beide eine bis zu zweijährige Suchttherapie durchlaufen, an deren Ende sie nicht mehr zum Joint, zur Tablette oder zum Pülverchen greifen müssen. Schließlich hatten sie, wie ihre Mitangeklagten auch, den "schwunghaften Handel" vor allem auch dazu genutzt, den Stoff für ihren eigenen Konsum zu beschaffen und zu finanzieren."Mein Mandant hat das, was er getan hat, auch sehr gut gemacht," so Rechtsanwalt Maximilian Bär (Nürnberg). Während Fetullah H. wegen seiner guten Deutschkenntnisse sofort mit der Therapie beginnen darf, muss Ibrahim G. erst Sprachkurse absolvieren, da es zumindest in Bayern keine arabischsprachigen Angebote gibt. Sonst gebe es keine Erfolgsaussichten.
Dass es sich um eine Bande handelte, also einen festen, über einen längeren Zeitraum bestehenden Zusammenschluss aus mindestens drei Akteuren, der arbeitsteilig vorging, war bei drei der Angeklagten auch von deren Verteidigern nicht zu bestreiten. Dafür sieht das Strafgesetzbuch mindestens fünf Jahre Haft vor.
Führungsrolle nur zugeschrieben
Vielmehr suchte jeder, die Position seines Mandanten in der Hierarchie möglichst weit unten anzusiedeln, was Rechtsanwalt Christian Barthelmes (Bamberg) trotz eines ausführlichen Plädoyers zugunsten Ibrahim G.s nicht recht gelingen wollte. Er argumentierte, die Führungsrolle werde diesem von den anderen Angeklagten nur zugeschrieben. Als Indiz nannte er die "hektischen und kläglich gescheiterten Versuche" seines Mandanten, nach der Verhaftung des Drogenbeschaffers Fetullah H., selbst Haschisch in Berlin zu organisieren.
Dem standen die überwachten Telefonate, Chats und SMS entgegen, die über Monate hinweg aufgezeichnet worden waren.
Das Banden-Dreieck komplettierte Mohammed L., in dessen Bamberger Wohnung in Bahnhofsnähe die Haschisch-Pakete zwischengelagert und von hier aus weiter verteilt wurden. Nebenbei konnte man sich in den Räumen auch noch eine Tüte anzünden. Seine Angaben während der sechs Verhandlungstage nannte Staatsanwalt Schäl "hanebüchen und unglaubhaft". Vielmehr habe sich hier der zentrale Anlaufpunkt befunden, ohne den die Geschäfte so nicht hätten abgewickelt werden können. "Er war nicht nur Gehilfe, er war Täter und damit Mitglied der Bande." Das konnte auch Rechtsanwalt Stefan Müller (Nürnberg) nicht leugnen und musste mitanhören, wie das Urteil auf fünf Jahre und drei Monate Gefängnis lautete. Wobei allen Verurteilten die zehnmonatige Untersuchungshaft angerechnet wird.
Die Strafkammer unter dem Vorsitz Manfred Schmidts rechnete zugunsten aller Angeklagten, dass sie sich geständig gezeigt hätten, es sich um "weiche Drogen" und nicht um deutlich gefährlichere wie Crystal handelte, dass keiner einschlägig vorbestraft war, und dass es sich "nicht um mafiöse Strukturen" gehandelt habe. Zudem profitierten drei der Angeklagten davon, dass sie bei der Kriminalpolizei in Bayreuth maßgeblich zur Aufklärung anderer Straftaten und der Verhaftung von weiteren Tatverdächtigen beigetragen hatten. Von der Beschlagnahme zehn Kilogramm Marihuana und einigen Festnahmen war im Plädoyer des Anklagevertreters die Rede. Der Haschisch-Komplex ist also gerichtlich noch lange nicht zu Ende.
Umfassende Äußerungen
Für ihre Kooperation mit den Ermittlungsbehörden wurden drei der Angeklagten nach den Vorgaben des Betäubungsmittel-Gesetzes mit der Einordnung ihrer Taten in minderschwere Fälle "belohnt". Fetullah H. hatte dabei eine Art Kronzeugen-Rolle, waren die meisten der angeklagten Fälle doch erst durch seine umfassenden Äußerungen aufgedeckt worden. Zu seinen Gunsten wurde außerdem gewichtet, dass er wegen einer dreimonatigen, äußerst brutalen Folterhaft in einem syrischen Militärgefängnis, die er nur knapp überlebt hatte, eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt hat, was ihn extrem haftempfindlich mache. Zudem gereichte es der "Syrer-Szene" zum Vorteil, dass sie aus ihren Straftaten "keine Reichtümer" erwirtschaftet hätten, wie es in der mündlichen Urteilsbegründung lautete. Was daran gelegen haben könnte, dass sie mit für Bamberger Verhältnissen sehr niedrigen Preisen den Markt übernommen hatten.Zwei der Angeklagten seien, so Staatsanwalt Schäl, nur vorübergehend dabei gewesen und deshalb nicht der Bande zuzurechnen. Ihre Bedeutung habe man überschätzt. Der eine habe in Ebrach die Ware weiterverkauft und sich als "Vertrauensperson" des Bandenchefs für dessen Nachfolge empfohlen. Zu einer Übernahme des Postens sei es aber wegen der Zerschlagung der Bande nicht mehr gekommen. Eine "untergeordnete Rolle" als Kurier sah Rechtsanwalt Andreas Klostermeier (Nürnberg), der dann für seinen Schützling mit zwei Jahren und zehn Monaten eine deutlich niedrigere Strafe erreichte als von der Staatsanwaltschaft gefordert.
Der andere habe das Haschisch aufbewahrt, als die Wohnung Mohammed L.s in Bamberg von den vielen Joints verdächtig gerochen habe, so dass es zu gefährlich wurde, hier weiterhin die Haschisch-Platten zu bunkern. Mit seinem Antrag, es doch noch einmal bei einer Bewährungsstrafe bewenden zu lassen, drang Verteidiger Ralf Kämmer (Bamberg) indes nicht durch. "Die ist für keinen der fünf drin," so Richter Schmidt. Für den Libyer gab es zweieinhalb Jahre wegen des Besitzes von und des Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Von geringen Mengen war bei Lieferungen von einem halben bis zu drei Kilogramm sowieso nichts zu sehen.
Das mahnende Schlusswort hatte Richter Manfred Schmidt: "Wenn man als Gast in ein anderes Land kommt, dann dürfte man schon erwarten, dass man sich nicht strafbar macht."