Bamberg: Der beschwerliche Weg zum Facharzt
Autor: Anna Lienhardt
Memmelsdorf, Mittwoch, 03. April 2013
Martina Pause ist gehbehindert. Vor allem der Weg zu den Fachärzten in der Bamberger Innenstadt ist für sie beschwerlich - und manchmal auch teuer.
Am besten 46 Zentimeter, noch lieber 48. Darunter wird es kritisch. Wenn sich Martina Pause auf einen Stuhl oder eine Bank setzt, weiß sie nach kürzester Zeit, ob ihr das Aufstehen schwer fallen wird - die Sitzhöhe ist entscheidend.
Die gängigen Maße hat sie im Kopf, sie erkennt sie daran, auf welcher Höhe sie mit den Waden anstößt. "Die meisten Sitzmöbel sind 42 Zentimeter hoch, manche Sofas nur 40. Wenn die auch noch weich gepolstert sind, wird das Aufstehen schwierig."
Schwierig ist das Stichwort. Denn erst einmal muss die Memmelsdorferin ein Café finden, das günstig liegt. Parkplätze vor der Tür, genug Platz zum Aussteigen mit Krücken, eine möglichst geringe Gefahr, eingeparkt zu werden.
Martina Pause ist zu 60 Prozent gehbehindert, ohne Krücken verlässt sie nie das Haus. "Behindertenparkplätze darf ich allerdings nicht nutzen.
Gerade in der Bamberger Innenstadt ist das ein Problem. Martina Pauses Zahnarzt, Radiologe und vor allem Orthopäde haben ihre Praxen dort, wo Parkplatznot herrscht. "Meistens parke ich im Karstadt-Parkhaus. Der Weg zur Praxis an der Luitpoldbrücke oder zum Heumarkt ist dann schon eine Tortur", erklärt die 60-Jährige.
Erholen vom Laufen
Immer wieder muss sie anhalten, sich vom Krücken-Marsch erholen. Doch dann steht sie im wahrsten Sinne vor dem nächsten Problem: Es gibt ihrer Meinung nach zu wenig Sitzgelegenheiten in der Innenstadt. Die vorhandenen Bänke in der Fußgängerzone und am Maxplatz seien meist voll. Dabei wäre ein Plätzchen zum Luftholen wichtig. "Das Karstadt-Parkhaus hat keinen Aufzug. Nach dem Auftieg mit den Krücken bin ich schon etwas erschöpft."
"Natürlich wäre ein Aufzug eine Verbesserung. Aber das ist ein wahnsinniger Kostenblock", gibt Karstadt-Geschäftsführer Alfons Distler zu bedenken. Er nehme den Wunsch aber in die Besprechungen zur längerfristigen Planung mit auf. Dann weist er darauf hin, dass das Parkhaus links und rechts Rampen habe, das Kaufhaus selbst einen Fahrstuhl und ein Behinderten-WC.
Angebote wie diese weiß Marina Pause zu schätzen, ebenso wie breite Gänge und Sitzgelegenheiten. Letztere fehlen ihr nicht nur in der Innenstadt, sondern auch beim Einkaufen. "Wenn ich in einem großen Markt lange auf den Beinen bin, bekomme ich manchmal Rückenkrämpfe. Dann muss ich mich unbedingt setzen."
Ob es in einem Geschäft die Möglichkeit dazu gibt, untersucht Sabine Köppel vom Handelsverband Bayern. Sie ist Bezirksgeschäftsführerin für Oberfranken und zeichnet Geschäfte mit dem Zertifikat "Generationenfreundliches Einkaufen" aus. Es handelt sich dabei um ein Projekt des Handelsverbands Deutschland, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Bundesfamilienministeriums und der Initiative "Wirtschaftsfaktor Alter".
58 Kriterien werden geprüft, mindestens 70 Prozent müssen erfüllt sein. Ausnahme: In 18 K.O.-Kriterien muss das Geschäft in jedem Fall positiv abschneiden. Das Ziel: Der Einkauf soll für Menschen aller Altersgruppen, Familien, Singles und für Menschen mit Handicap komfortabel und möglichst barrierearm sein.
"Die Geschäfte bewerben sich bei uns. Wir kommen unangemeldet und testen zum Beispiel die Gangbreite, die Schriftgröße der angeschriebenen Preise, die Regalhöhe oder ob es eine Kinderspielecke und Sitzgelegenheiten gibt", erklärt Sabine Köppel. Bayernweit haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren etwa 1000 Geschäfte das Zertifikat erhalten, in Oberfranken 110. In Stadt und Landkreis Bamberg zählen vor allem Märkte der Kette Rewe dazu, am Freitag wird der Mediamarkt in Hallstadt als erster in Franken ausgezeichnet.
Geschäftsführer Werner Bschorr freut sich: "Das ist wichtig für die Zukunft. Man muss sich in die Lage der Kunden versetzen. " Eine Umbauaktion habe es vor der Bewerbung nicht gegeben. "Nur einen Kleiderhaken in der Toilette haben wir angebracht." Eine Bank im Eingangsbereich und Stühle im Markt gebe es schon seit ein paar Jahren, Parkplätze vor der Tür sowieso.
Davon kann Martina Pause in Bamberg nur träumen. Vor kurzem musste sie bei einem Arzt an der Luitpoldbrücke eine Überweisung einwerfen. "Die Parkplätze vor dem Ärztehaus waren voll. Ich habe verbotenerweise halb auf dem Gehsteig geparkt, hinter dem Kleinbus eines Handwerkers." Diesen bat sie darum, dem Parküberwacher Bescheid zu geben, dass sie gleich wieder da sei.
Immer wieder Knöllchen
"Als ich zurückkam, habe ich die beiden schon diskutieren sehen". Es half nichts, Martina Pause musste 15 Euro zahlen. Es war nicht das erste und wird wohl auch nicht das letzte Mal sein. "Der Weg vom nächsten Parkhaus hierher ist lang für mich und es gibt keine Bank zum Erholen." Deswegen lässt sie sich meistens von einem ihrer drei Söhne fahren.
Wenn sie selbst mit dem Auto unterwegs ist, meidet sie die Innenstadt, obwohl sie ihre Lieblings-Läden und die Cafés vermisst. Ihr neues Stammcafé liegt direkt neben einem Baumarkt, dort kann Martina Pause parken. Und Lebensmittel kauft sie im Supermarkt in Memmelsdorf, wo man sie kennt. Dort wird auch mal ein Auge zugedrückt, wenn sie ihr Auto auf einen der Behindertenparkplätze stellt.
Links
Geschäfte finden Informationen zum Zertifikat "Generationenfreundliches Einkaufen" auf der Internetseite der Initiative.
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