Bahnübergang Altendorf: "Müssen wir erst auf Tote warten?"
Autor: Anette Schreiber
Altendorf, Freitag, 10. Oktober 2014
In Altendorf liegen die Nerven blank: Schon wieder hat es einen Zwischenfall am Bahnübergang gegeben. Erst im März war ein Pkw zwischen den Schranken eingeschlossen, jetzt fast ein Zusammenstoß und ein stundenlang ungesicherter Übergang.
Karl-Heinz Wagner schäumt vor Wut. Er kann kaum noch an sich halten. Mit ihm ein großer Teil der Altendorfer. Grund für den großen Zorn: der Bahnübergang. Immer wieder gerät der durch gefährliche Zwischenfälle in die Schlagzeilen. Nach der Nacht von Donnerstag auf Freitag gab er Anlass dafür, dass eine Menge Altendorfer am Freitag wie gerädert zur Arbeit oder in die Schule kamen. Besonderes Glück hatte ein Pkw-Fahrer, der beinahe mit einem Zug kollidiert wäre. Wie konnte das passieren? Weil der eigentlich mit Schranken versehene Bahnübergang für mehrere Stunden überhaupt nicht mehr mit Schranken gesichert war.
Donnerstagnachmittag hatte - wieder einmal - ein Lkw die Schranke (Richtung) Bamberg beschädigt. "Immer wieder bleiben hier Lastwagen hängen", erläutert dazu Bürgermeister Wagner.
"Uralt-Technik"
Wegen"Uralt-Technik und Uralt-Schranken" komme es immer wieder zu Zwischenfällen. In den letzten Jahren hätten Laster bestimmt zehn Mal Schranken beschädigt, weil die Fahrer nicht mitbekommen, dass sich die Schranken gleich senken. Vorfälle wie der von Marion Ochs, seien ebenfalls keine Seltenheit gewesen - weil sich die Schranken oftmals willkürlich senkten. Wagner wirft der Bahn Untätigkeit vor. Und das auf einer Strecke, die er als "eine der am stärksten befahrenen internationalen Güterverkehrs-Trassen" bezeichnet. Diesen Aspekt hat Ines Landmann, die vor kurzem mit dem Mann ins frisch renovierte Haus der Schwiegerleute (Familie Grieger) gezogen ist, nicht gekannt. Aber in der Nacht zum Freitag hat sie hautnah mitbekommen, dass etwa alle zehn, 15 Minuten ein Zug durchfährt. Wie das?
Während und nach den Arbeiten an der kaputten Schranke hat ein Mann, Ines Landmann vermutet ein Bahnangestellter, mit Leuchte und Absperrband die Sicherungsfunktion der Schranke sozusagen ersetzt. Kurz vor zehn war Schluss. Danach hat sie unfreiwillig mitbekommen, dass Richtung Bamberg fahrende Züge erst beim Bahnhof anhielten, dann "hupten" und im Anschluss über den Übergang fuhren. Ihre neunjährige Tochter sei fast bei jedem Zug im Schlaf zusammengezuckt und sie selbst überhaupt nicht zur Ruhe gekommen.
" Ein Unding" erbost sich der Bürgermeister. "Ich glaub', die spinnen."
Ines Landmann konnte in dieser Nacht jedenfalls kein Auge zutun. Wie viele Altendorfer. Darunter eine 51-Jährige. Wohl erst vor 6 Uhr morgens kam wieder ein Bahnmitarbeiter - mit Lampe und Absperrband. Eine absurde Vorstellung im Hightech-Zeitalter. Zum Lachen finden es die Betroffenen nicht. Zumal eine andere Altendorferin Zeugin einer Beinahe-Katastrophe wurde: Ein Auto fuhr auf den Übergang und wurde dabei fast vom Zug erfasst.
Die 51-Jährige kann sich gut in Autofahrer hineinversetzen: Sie wüsste nicht, wie sie reagieren würde, wenn plötzlich ein Zug sie zukäme. Jeder sei von so einer Situation überrascht. Sie fragt: "Müssen wir erst auf Tote warten", bis die Bahn etwas unternimmt. Zwischenfälle auf dem Bahnübergang gebe es ihren Beobachtungen zufolge bald alle zwei Wochen. "Ich bin fix und fertig und denke, den Altendorfern geht es genauso."
Horrorminuten
Ganz besonders trifft das für Marion Ochs zu, die erst im März mit dem Pkw zwischen den Schranken eingesperrt war. Sie hatte die Bahn wegen dieses Vorfalls zwischenzeitlich angezeigt. Mit dem Resultat, dass das Verfahren eingestellt wurde, weil der Bahn nichts nachzuweisen war, sagt sie bitter. Seit diesen Horrorminuten meidet sie den Bahnübergang, so gut sie kann. Wenn ihr Mann ihn nutzt, hat sie ein mulmiges Gefühl und wenn sie wirklich drüber fahren muss, fährt jedes Mal mit Angst. Übrigens erst vor zwei Wochen sei die Schranke letztmals angefahren worden. Unverantwortlich nennt sie das Vorgehen in der Nacht zum Freitag, wenig schmeichelhaft ihr Kommentar: "Wie bescheuert sind die denn."
Auf infranken.de Nachfrage zu dem Vorfall gab die Bahn-Pressestelle zu erfahren, dass der Übergang im Zuge der "Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8" bis 2017 erneuert werden soll. Die Art, wie der Bahnübergang nach dem Vorfall mit dem Lkw (Anmerkung er hatte den Schrankenbaum zerstört) gesichert wurde, entspreche "vollumfänglich dem geltenden Regelwerk". Freitag, 9.30 Uhr sei der Übergang wieder repariert gewesen.