Bahnausbau: Braucht Bamberg nur drei Gleise?
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 11. Mai 2016
Die Güterverkehrsprognosen für Bamberg sind rückläufig. Das unterstützt die Gegner eines viergleisigen Vollausbaus durch Bamberg.
Bamberg Es war der grüne Stadtrat Peter Gack, der bei der Entscheidung über die Ostumfahrung im Stadtrat einen Verdacht äußerte, der in Bamberg schon besteht, seit über den Bahnausbau diskutiert wird. Wie zuverlässig sind die Prognosen für den Bamberger Güterverkehr? Oder konkret: Sind die stark steigenden Zugzahlen nicht absurd hochgerechnet?
Hört man Peter Gack und seine Kollegin Ursula Sowa, die an diesem denkwürdigen Mittwoch für eine "Ökotrasse" durch den Hauptsmoorwald plädiert hatte, dann ist Vorsicht angesagt: "Wie solche Zahlen entstehen, weiß man doch. Die Prognosen werden hochgerechnet, damit das Projekt eine Wirtschaftlichkeit erhält, die es gar nicht hat", sagt Peter Gack.
Bedarf nach unten korrigiert
Tatsächlich offenbart der Blick in die Hochrechnungen für den Zugverkehr merkwürdige Schwankungen.
Sie lassen den je nach Variante zwischen 675 und 770 Millionen Euro teuren Gleisneubau in Bamberg in unterschiedlichem Licht erscheinen. Etwa die Daten aus dem Bundesverkehrsministerium. In dem bis vor kurzem gültigen Bundesverkehrswegeplan war noch von einem Güterverkehr die Rede, der bis 2025 in Bamberg von 74 auf 264 Züge am Tag förmlich explodieren sollte.
Demgegenüber hat der aktuelle Bundesverkehrswegeplan seine Zahlen für 2030 deutlich nach unten korrigiert. Nun rechnet man 2030 für Bamberg nur noch mit 139 Güterzügen. Damit ähneln die neuen Zahlen auch der im vergangenen Juni von der Stadt veröffentlichten KCW-Studie mit 150 Zügen. Damals hatten die Verkehrswissenschaftler unter anderem darauf hingewiesen, dass die durch Bamberg fahrende Zahl von Güterzügen durch einen Engpass in Fürth über Jahre hinweg auf 150 Güterzüge am Tag begrenzt wird. Auch die Elektrifizierung der Strecke Regensburg-Hof werde Druck von der Bahnlinie durch Bamberg nehmen.
Die deutlich niedrigeren Prognosezahlen für Bamberg werfen eine Grundsatzfrage auf: Wie sinnvoll ist der Neubau durch Bamberg, wenn der erwartete Güterzugverkehr gar nicht eintritt? Und wie verhält es sich mit dem Personennahverkehr? Neue Nahrung hat die Debatte auch durch die Untersuchung der VWI-GmbH, Forschungs- und Beratungsbüro in Stuttgart, bekommen. Diese hat die Leistungsfähigkeit des "Bamberger Knotens" untersucht und herausgefunden, dass das Bamberger Schienennetz selbst unter der Annahme eines für das Jahr 2025 deutlich verdichteten Personenverkehrs einiges mehr an Zügen verkraften könnte als heute - ohne Ausbau.
Stadt will Ausbau nach Bedarf
Für die Stadt Bamberg sind diese Erkenntnisse kaum zu überschätzen.
Denn nach der Entscheidung gegen die Ostumfahrung geht es nun darum, die Auswirkungen der beiden verbliebenen Ausbauvarianten gegenüberzustellen, so dass Anfang 2017 eine Entscheidung möglich ist: entweder für den so genannten langen Tunnel, der südlich der Forchheimer Straße beginnen würde. Oder für den Ausbau im Bestand, der nach dem Auftrag aus dem Stadtrat auch zweigleisig oder dreigleisig sein könnte. "Unser Favorit ist kein sofortiger Vollausbau, sondern ein bedarfsorientierter abschnittsweiser Ausbau, wobei der Lärmschutz vorzeitig berücksichtigt werden muss", sagt Claus Reinhardt von der Stadt. Doch es gibt Widerspruch: Nicht nur nur bei Gleisanliegern hatten viele mit der Ostumfahrung geliebäugelt. Namentlich die Initiative Bahnsinn Bamberg hält die Trasse durch die Stadt für einen fatalen Irrweg. Herbert R. Meyer, Sprecher der Gruppe, die sich seit Jahren für den "Bamberger Weg" einsetzt, wirft den Stadträten von CSU und SPD vor, Bamberg mit dem Votum gegen die getunnelte Ostumfahrung "der Zerstörung preiszugeben". Der Ausbau im Bestand werde Gärtnerland zerstören. Meterhohe Mauern würden die Stadt teilen und sogar den Welterbestatus gefährden.
Für den verkehrspolitischen Sprecher der CSU, Franz-Wilhelm Heller, sind solche Äußerungen Ausdruck eines kaum zu verstehenden "Bahnhasses". Keineswegs werde der Ausbau im Bestand den Welterbestatus gefährden. "Man muss sich doch mal überlegen, wo man diese transparent auszuführenden Wände eigentlich sieht? Nur an den Unterführungen", sagt Heller und plädiert für mehr Sachlichkeit. Bamberg habe seine Entwicklung über den mittelalterlichen Stadtkern hinaus im Wesentlichen den Impulsen durch den Bahnanschluss zu verdanken. Der gründerzeitliche Ring von Häusern sei ohne Bahn nicht denkbar. Auch CSU-Fraktionschef Helmut Müller sieht keinen Grund für Katastrophenszenarien. Laut Müller nimmt die CSU gerade die Sorgen in der Nordflur ernst. Zudem soll auf eine schonende Bauausführung geachtet werden.
Doch wie steht es um die versprochene Prüfung eines verlängerten Tunnels? Im Baureferat rechnet man bereits im Juni mit wichtigen Erkenntnissen über die Auswirkungen einer solchen bergmännischen Röhre etwa auf das Grundwasser oder auf die Verkehrsbeziehungen am Münchner Ring. Klar sei, dass ein Tunnel große Chancen für die Stadtentwicklung haben könne, nicht zuletzt für den Lärmschutz in der Gereuth. Auch über die Kosten soll möglichst bald Klarheit bestehen.