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Bahnausbau Bamberg: Ist der Zug bald abgefahren?


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Freitag, 26. Februar 2016

Es wird ernst: Die Finanzierung des 4-gleisigen Bahnausbaus in Bamberg scheint in trockenen Tüchern. Bamberg steht vor vielen Jahren mit Stau und Lärm.
Tunnel, Ostumfahrung oder Ausbau im Bestand: Bamberg muss sich für eine Trassenvariante entscheiden.


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Eine kurze Reise mit möglicherweise weitreichenden Erkenntnissen: Am 16. März wird der Bamberger Stadtrat nach Breitengüßbach fahren, um die Großbaustelle der Deutschen Bahn zu besichtigen. Die Tour soll einen Vorgeschmack auf das bieten, was Bamberg bevorsteht: Lärm, Stau und Staub, mindestens sechs, möglicherweise auch zehn Jahre lang, denn in Bamberg soll anders als im Landkreis bei laufendem Bahnbetrieb gearbeitet werden.

Der Ortstermin liegt auch deshalb nahe, weil sich die heimlichen Hoffnungen vieler Bamberger nun wohl doch zerschlagen. Ende Januar hat die Bahn die Stadt informiert, dass "das Bundesverkehrsministerium eine Finanzierung des Projekts ab 2018/2019 in Aussicht stellt". Gleichzeitig machte das Verkehrsunternehmen deutlich, dass es Baurecht ab 2020 anstrebt. Bamberg möge sich noch 2016 auf eine Trasse festlegen.


Ausbau auf der Bestandsstrecke, Tunnel unter der Stadt oder Ostumfahrung? Theoretisch hat die Stadt die Wahl zwischen drei Varianten. Praktisch ist es nicht nur eine technische, sondern auch eine politische Frage, die sich stellt und vor allem - die Suche nach dem kleineren Übel.


OB: Ostumfahrung Öko-Sünde

Eine erste Vorentscheidung scheint hinter den Kulissen schon getroffen. Sehr zum Leidwesen der Initiative Bahnsinn Bamberg, die seit Jahren für einen "Bamberger Weg" eintritt. "Es ist an der Zeit, dass wir die Ostumfahrung endgültig beerdigen", sagt Stadtrat Heinz Kuntke. Er weiß sich hier in Übereinstimmung mit großen Teilen der CSU, aber auch Bambergs OB Andreas Starke (SPD). Starke spricht unverhohlen von einer "Öko-Sünde", von schwer zu begründenden Verlusten beim Wald, Belastungen für das Grundwasser und den Unsicherheiten der Strecke, käme es zu der geplanten Umfahrung Bambergs im Osten.

Die Kritik großer Teile von SPD und CSU bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf die von der Bahn selbst ins Spiel gebrachte Variante einer Ostumfahrung, eine für Züge aller Art gedachte reine Nord-Südverbindung, sondern auch für die Alternative der Initiative Bahnsinn, die sogenannte getunnelte Güterzugumfahrung mit Westanbindung, den Bamberger Weg. "Wir sind gegen jede Ostumfahrung. Für den Hauptsmoorwald wäre das eine Katastrophe", sagt Kuntke.

Herbert Meyer kann nur den Kopf schütteln, wenn er solche Sätze hört. Der stellvertretende Vorsitzende von "Bahnsinn" wirft den Entscheidern vor, Bambergs Bürger dem Lärm von Hunderten Güterzügen am Tag und der optischen Verschandelung durch hohe Wände auszusetzen, "wenn sie eine Variante ausschließen, die sie nicht wirklich kennen".

Ein krasser Meinungsunterschied: Während bisherige Einschätzungen der Trasse im Hauptsmoorwald einen hohen Flächenverbrauch, große Anforderungen an das Grundwassermanagement sowie eine komplizierte Streckenführung am Flugplatz und am Bamberger Kreuz bescheinigen, kommt Meyer zu einer ganz anderen Bewertung: "Die Trasse des Bamberger Wegs bewahrt Bamberg nicht nur vor Lärm und hohen Wänden. Sie geht auch mit dem Wald schonend um und tangiert als einzige Alternative nicht die Trinkwasserzone 1 und 2 im Süden der Stadt."

Was Meyer nicht erwähnt: Die Trasse außerhalb der Stadt bietet als einzige die Hoffnung auf eine schnellere und wenig störende Bauphase. Das ist auch der Grund, weshalb sogar die Bahn zeitweise mit einer Ostumfahrung liebäugelte. Mit 650 Millionen Euro geschätzten Kosten ist die Ostumfahrung der Bahn die günstigste aller drei Trassenalternativen.

Freilich: Für und Wider der Ost-Strecke sind heftig umstritten. Unterstützung findet Bahnsinn bei seiner Forderung nach einer neutralen Machbarkeitsstudie bei Tscherners Bürger-Block, den Freien Wählern und den Grünen, die nichts unversucht lassen wollen - trotz der neuerlichen Kosten in einem mittleren fünfstelligen Bereich. Ursula Sowa glaubt, dass ohne eine Überprüfung der "Ostumfahrung light" keine verantwortungsvolle Entscheidung getroffen werden kann. Sie hat die Befürchtung, dass Bamberg am Ende doch mit den "Monstermauern" leben muss. Wolfang Wußmann (FW) meint, dies könnte Bamberg sogar den Welterbetitel kosten.


Tunnelmehrkosten eher niedrig

Freilich gibt es da noch die Variante "V 5", die Idee eines bergmännisch gebauten Tunnels auf der Bestandsstrecke. Sie hätte den Charme, dass ein Großteil der Güterzüge samt Lärm unter der Erde verschwinden würde, gleichzeitig das umstrittene Verbindungsgleis durchs Gärtnerland entfiele und mit hohen Belastungen verbundene Bauphase "nur" sechs bis acht Jahre dauern soll. Bei 770 Millionen Euro Gesamtkosten fallen auch die Mehrkosten von 50 Millionen Euro nicht allzu sehr ins Gewicht. Eher sind es schon die technischen Probleme bei der Geisfelder Unterführung, die Schwierigkeiten bereiten. So überlegen Stadt und Bahn derzeit, ob eine Verschiebung des Tunneleingangs nach Süden die Lösung wäre.


Reichen zwei Gleise?

Mit Spannung erwartet wird auch ein Leistungsgutachten. Es könnte eine bereits vorliegende Untersuchung bestätigen, wonach die Prognosezahlen der Bahn für den Güterverkehr deutlich zu hoch gegriffen waren. Bestätigen sich die Vermutungen, dass die bestehenden zwei Gleise auch 2030 noch reichen, entfiele ein wichtiger Grund für das Großprojekt. Die Stadt will dann für einen sukzessiven Ausbau plädieren, der sich nach dem tatsächlichen Bedarf richtet, sagt Claus Reinhardt vom Baureferat.

Auch Heinz Kuntke (SPD) hofft auf eine solche Wendung: "Sollte sich herausstellen, dass wir die zusätzlichen Gleise gar nicht benötigen, dann würde das bedeuten, dass 800 Millionen in den Sand gesteckt werden, nur um den ICE ein paar Sekunden schneller zu machen."