B22: "Anarchie an Allerheiligen"
Autor: Anette Schreiber
LKR Bamberg, Dienstag, 08. November 2016
Seit Wochen wird auf der Bundesstraße 22 gebaut, was Sperrungen und teils große Umleitungen zur Folge hat - und Autofahrer nervt.
Die Dorfjugend hat sich einen Spaß daraus gemacht, Noten zu vergeben: für die dreistesten Wendemanöver bei Versuchen, die Straßensperre auf der B22 ab Mönchherrnsdorf bis nach Kötsch zu umfahren. Die Arbeiten an der wichtigen Ost-West-Verbindung haben in den letzten Wochen für Verdruss gesorgt. Für Pendler hat sich die Fahrzeit oft verdoppelt, Geschäftsleute am Ende der "Sackgasse" mussten nicht nur Einbußen hinnehmen, sondern bekamen auch noch den aufgestauten Frust der zu ihnen durchgedrungenen Kunden ab.
Von gut einigen Tausend Euro Einbußen spricht Jochen Pfla um, Chef der Bäckerei mit Café in Mönchherrnsdorf. Dieses war gerade in der Ferienwoche wie ausgestorben, dafür klingelte das Telefon andauernd. "Die Leute wollten wissen, ob sie nach Ebrach durchkommen und wie sie fahren sollen," erklärt Bäcker-Gesellin Sabine Luckert. Ihr Chef erbost sich, dass in den offiziellen Mitteilungen zwar immer darüber informiert wurde, dass und wie Märkte bei Stegaurach angefahren werden können, doch als Dorfbäcker sei er auf der Strecke geblieben.
"Man fühlt sich alleine gelassen", zumal er alles erst aus der Tageszeitung erfahren hat. Bei zeitiger Informationspolitik hätte man während der Zeit der Sperrung Urlaub anberaumen können. Aber so musste man mit vollem Personal arbeiten und hat lediglich die halben Einnahmen erwirtschaftet. Dabei war es auch fürs Personal nicht leicht, überhaupt zur Arbeit zu kommen. Bäckereifachverkäuferin Ivonne Hasselbacher etwa wohnt in Großgressingen. Von da kam sie bis Kappel, parkte dort ihr Auto und fuhr die restliche Strecke im mitgeführten Fahrrad. "20 Kilometer Umleitung waren mir einfach zu lang."
Die Tochter aus dem Metzgerbetrieb Dorn dagegen arbeitet in Burgwindheim und fuhr während der Sperrung mit dem Rad dorthin, wie ihre Mutter Ute berichtet. Allerdings war das äußerst gefährlich - weil ausgebremste Autofahrer über den Radweg auswichen. Was freilich verboten jst, aber wohl massiv missachtet wurde. "Zum Glück ist bis jetzt noch nichts passiert."
Mönchherrnsdorf ist in den letzten Wochen zum Epizentrum des Umleitungs-Frusts mutiert. Zwei Anwohnerinnen der Hauptstraße (B 22) berichten von Verkehrsteilnehmern, die einfach die Absperrbaken zur Seite stellten und durchfuhren. Auch die abenteuerlichsten Routen über Feldwege und Beinahe-Havarien in Flurgräben beobachteten die Damen. "An Allerheiligen war pure Anarchie, überall zwischen den Feldern Verkehrsteilnehmer", schildert Bäcker Pflaum. "Die Jugendlichen haben sich mit einem Kasten Bier bevorratet und die Wendemanöver benotet."
Polizei musste helfen
Das Verhalten der Verkehrsteilnehmer sei so weit gegangen, dass die Bauarbeiter erst die Polizei rufen mussten, damit sie überhaupt teeren konnten. Auf Nachfrage bei der Polizei werden zumindest zwei Fälle bestätigt, wo Uneinsichtige von der Straße geholt werden mussten, wo bereits Haftkleber auf die Fahrbahn aufgebracht war. Aufgebracht, das sind die Landkreisbewohner aus dem Westen, denen zum Teil extrem weite Umwege zugemutet werden, zeigen die Schilderungen von Petra Uri aus Burgwindheim. "Man war wie ausgesperrt", schildert sie die Situation. "Echt schlimm." Absprachen zu der Vielzahl von Sperrungen in dem Raum wären wohl hilfreich gewesen, meint sie.
"Wahrscheinlich hat es jetzt noch Geld gegeben und das musste heuer verbraucht werden", mutmaßt eine 70-Jährige aus Mönchherrnsdorf. Der gleichaltrige Leonhard Jäger aus dem gleichen Ort kritisiert, dass man sich nicht so viel Zeit hätte lassen müssen zwischen der Einrichtung der Baustelle und dem Beginn der Arbeiten. "Die Polizei hätte öfter kommen könne, wegen des Wild-Durcheinander-Fahrens", fügt er noch an.
Einer der übrigens tatsächlich auf dem Radweg fahren durfte, das ist Harald Dorn aus Burgwindheim. Der Busunternehmer hat eine Ausnahmegenehmigung, ebenso wie der Linienbusverkehr. Dorn hat Verständnis dafür, dass die Arbeiten an der Straße "eben irgendwann einmal sein müssen". Und: "Wir hatten schon Schlimmeres."